I. Ausgangslage
Die schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen setzt vorrangig auf Prävention, Aufklärung und pädagogische Maßnahmen, um insbesondere junge Menschen frühzeitig über die Risiken und Folgen des Drogenkonsums zu informieren und dem Einstieg in den Konsum wirksam vorzubeugen. Drogenkonsum darf nicht normalisiert werden – er ist ordnungsrechtlich zu begrenzen. Ziel unserer Drogenpolitik ist es, gesundheitsgefährdenden Konsum möglichst zu verhindern und betroffene Menschen frühzeitig zu erreichen und zu stabilisieren.
Gleichzeitig erkennen wir an, dass es Menschen mit schwersten Suchterkrankungen gibt, für die ein vollständiger Ausstieg kurzfristig nicht realistisch ist. Für diese besonders vulnerablen Personen kann Drug-Checking ein Ausweg sein, um akute Gesundheitsrisiken zu minimieren und Leben zu retten. Drug-Checking kann nur ein eng begrenzter Bestandteil eines umfassenden gesundheitlichen Schadensmanagements sein.
Drug-Checking bedeutet, dass Drogen auf ungewöhnliche Inhaltsstoffe oder ungewöhnliche Konzentrationen der Wirkstoffe getestet werden. Häufig sind illegal gehandelte Drogen mit gefährlichen Substanzen gestreckt. Auch der Gehalt des Wirkstoffs ist teilweise unbekannt, was das Risiko einer Überdosierung birgt. Werden die Drogen getestet, können Suchterkrankte vor gesundheitlichen Schäden durch die Einnahme dieser Substanz gewarnt werden.
Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Drogenkonsum zeigt auf bittere Weise, dass es dringend notwendig ist, weitere Maßnahmen zur Schadensminderung und zum Gesundheitsschutz zu ergreifen. Im Berichtsjahr 2023 (siehe Lagebild 2023 des LKA NRW zur Rauschgiftkriminalität) starben in Nordrhein-Westfalen 872 Menschen im Zusammenhang mit Drogenkonsum. Das ist ein erneuter, massiver Anstieg und insbesondere auf die Vergiftung mit Opioiden zurückzuführen.
Gerade für besonders schwer suchtkranke Menschen ist es kaum machbar, auf die Einnahme ihrer Droge zu verzichten. In den 12 vom Land Nordrhein-Westfalen zugelassenen Drogen-konsumräumen (siehe Jahresbericht 2023 der Suchtkooperation NRW) können sie Drogen in kontrolliertem Rahmen und unter hygienischen Bedingungen konsumieren. In den Drogenkonsumräumen wird zu Safer-Use beraten, medizinische Hilfe wie Wundversorgung und im Notfall sofortige Hilfe geleistet. Notfälle können abgewendet und so Leben gerettet werden.
Gleichzeitig sind die Drogenkonsumräume wichtige Anlaufstellen für drogengebrauchende Menschen. Mit der Suchterkrankung gehen oftmals weitere Herausforderungen wie psychische Erkrankungen, Infektionskrankheiten oder Obdachlosigkeit einher. In den Drogenkonsumräumen kann durch den regelmäßigen Kontakt die Bereitschaft gefördert werden, Hilfen für diese Herausforderungen in Anspruch zu nehmen. Dabei dient das Drug-Checking nicht der Verharmlosung oder Legalisierung illegaler Substanzen, sondern ist Teil einer eng begrenzten gesundheitsorientierten Schadensminimierung im Kontext schwerer Suchtverläufe. Diese Gesundheits- und Überlebenshilfe der Drogenkonsumräume soll um die Möglichkeit des Drug-Checkings erweitert werden. Es soll ausschließlich für schwer suchterkrankte Menschen angeboten werden, um vor akuten Gesundheitsgefahren durch verunreinigte Substanzen zu schützen. Eine Ausweitung auf andere Settings ist nicht vorgesehen.
Eine weitere Maßnahme, um Leben zu retten, ist die Anwendung von Naloxon. Hierbei handelt es sich um ein Nasenspray, das innerhalb weniger Minuten die atemlähmende Wirkung von Opioiden aufhebt. Bisher ist es als verschreibungspflichtiges Nasenspray erhältlich. Anfang 2025 hat der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfohlen, Naloxon als Notfalltherapie aus der Verschreibungspflicht herauszunehmen. Damit diese Empfehlung umgesetzt werden kann, muss die neue Bundesregierung per Rechtsverordnung die Arzneimittelverschreibungsverordnung ändern. Dann kann Naloxon als Notfallmedikament zum Beispiel in den Drogenkonsumräumen und weiteren Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Damit wäre eine schnellere Behandlung bei einer (vermuteten) Überdosierung von Opioiden möglich. Auch diese Maßnahme kann Leben retten.
Im Jahr 2023 hat die damalige Bundesregierung die rechtliche Grundlage (neuer Paragraf 10b im Betäubungsmittelgesetz) geschaffen, um Drug-Checking zu ermöglichen. Die Länder können per Rechtsordnung die Durchführung von Modellvorhaben ermöglichen, um Konsumentinnen und Konsumenten besser aufzuklären und ihren Gesundheitsschutz zu verbessern.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest, dass
- der Anstieg der Todesfälle im Zusammenhang mit Drogenkonsum besorgniserregend ist;
- die wirksame Prävention von Drogenkonsum durch Aufklärung, pädagogische Begleitung und ordnungspolitische Maßnahmen die zentrale Aufgabe der Drogenpolitik bleibt und stets an erster Stelle stehen muss;
- weitere Maßnahmen zur Schadensminderung und zum Gesundheitsschutz beim Drogenkonsum dringend notwendig sind;
- der Schutz von Menschen mit schwersten Suchterkrankungen eine gesundheitspolitische Herausforderung darstellt, die entschlossenes und gezieltes Handeln erfordert;
- Drogenkonsumräume ein bewährter Bestandteil der niedrigschwelligen Suchthilfe sind und den Zugang zu Beratung, medizinischer Hilfe und weiterführender Unterstützung ermöglichen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, im Rahmen vorhandener Mittel,
- die Maßnahmen zur Suchtprävention und Aufklärung weiter zu stärken und auszubauen, um insbesondere junge Menschen frühzeitig über die Risiken des Drogenkonsums zu informieren und einem Einstieg entgegenzuwirken;
- eine wissenschaftlich begleitete Evaluation der Drug-Checking-Modellvorhaben zu beauftragen und zu finanzieren, die u. a. deren Wirksamkeit, Zielgruppenerreichung und gesundheitliche Effekte analysiert;
- die entsprechenden Angebote der niedrigschwelligen Suchthilfe, etwa durch Anschaffung von Tests bzw. Testgeräten unter Berücksichtigung der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten für das Drug-Checking, zu unterstützen und
- sobald die bundesrechtlichen Grundlagen dafür geschaffen sind, Naloxon als Notfallmedikament in niedrigschwelligen Einrichtungen der Drogenhilfe bereitzustellen und dort Tätige als Multiplikatoren in der Anwendung von Naloxon als Nasenspray zu schulen, die wiederum Drogenkonsumierenden und deren An- und Zugehörigen die Handhabung von Naloxon vermitteln.
