Diskriminierung bei der Blutspende beenden!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Mehrdad Mostofizadeh

I.       Ausgangslage:
In Deutschland herrscht derzeit auch auf Grund der Corona-Pandemie ein großer Mangel an Blutkonserven. Zu Beginn der Pandemie hat die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu einem starken Rückgang der Blutspenden geführt.
Laut dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) werden allein in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz zusammen täglich 3.500 Blutkonserven benötigt. Die Angst vor dem Corona-Virus hält allerdings viele Menschen davon ab, Blut zu spenden. Um bis zu 20 Prozent sei die Spendenbereitschaft zurückgegangen, konstatierte das DRK bereits im März dieses Jahres.
Wenn bi- und homosexuelle Männer allerdings Blut spenden möchten, müssen sie feststellen, dass sie aufgrund einer pauschalen Regelung von der Spende ausgeschlossen werden, wenn sie in den letzten 12 Monaten Sex mit einem Mann hatten. Dies gilt selbst dann, wenn der Sexualkontakt ausschließlich mit dem Ehemann des Spendenwilligen ausgeübt wurde.
Für die Herstellung und Anwendung von Blutprodukten stellt die Bundesärztekammer seit langem gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik in Richtlinien fest. Diese Aufgabe ist seit 1998 mit dem Transfusionsgesetz (TFG) gesetzlich übertragen. Dort heißt es in § 5 (1): „Die Zulassung zur Spendeentnahme soll nicht erfolgen, soweit und solange die spendewillige Person nach Richtlinien der Bundesärztekammer von der Spendeentnahme auszuschließen oder zurückzustellen ist.“ Die derzeit geltenden „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)“ nach §§ 12a und 18 TFG, die im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut als zuständiger Bundesoberbehörde herausgegeben wurden, wurde im Jahr 2017 überarbeitet, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2015 das generelle Blutspendeverbot für unzulässig erklärte.
Anstelle des bis zu diesem Zeitpunkt generellen Ausschlusses homosexueller Männer dürfen fortan schwule und bisexuelle Männer nur dann Blut spenden, wenn sie ein Jahr keinen Sex hatten. Damit sind sie praktisch von einer Blutspende ausgeschlossen, unerheblich ob sie seit vielen Jahren monogam mit ein und demselben Partner leben oder nur Safer-Sex praktizieren. „Transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ finden zudem eine extra Erwähnung. Dies ist umso unverständlicher, da sie bereits entweder als „heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ oder „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM)“ kategorisiert werden. So wird suggeriert, dass von transsexuellen Menschen ein besonderes Infektionsrisiko ausgeht, da sie grundsätzlich ein sexuelles Risikoverhalten hätten. Menschen werden damit aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert.
Da das Empfangen von Blutspenden mit Risiken behaftet ist, muss das Risiko einer Infektion selbstverständlich so weit wie möglich minimiert werden. Unstrittig ist, dass risikobehaftetes Sexualverhalten von Blutspenderinnen und Blutspendern, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Auswirkungen auf die Virussicherheit der aus der entsprechenden Spende hergestellten Blutprodukte haben kann.
Dennoch enthalten die derzeitigen Richtlinien Unterstellungen, Diskriminierungen und Pauschalverurteilungen. Bis 2010 tauchten gar heterosexuelle Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnerinnen und -partnern oder ungeschützten Sexualpraktiken gar nicht als Risikogruppe auf, während von Männern, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM) und Bisexuellen eine grundsätzliche Gefahr ausginge. Promiskuität wird generell vorausgesetzt, monogame Partnerschaften sind anscheinend nicht denkbar. Dabei leben rund die Hälfte aller homo- beziehungsweise bisexuellen Männer in einer festen Partnerschaft ohne ständig wechselnde Sexpartner.
Die Gefahr, sich in Deutschland bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren, liegt bei 1 zu 4,3 Millionen. Von 2000 bis 2010 sind fünf HIV-Infektionen durch Blutprodukte in Deutschland aufgetreten, zwei davon durch Männer, die sexuellen Kontakt zu Männern hatten. Eine frische HIV-Infektion ist heutzutage sechs Wochen nach dem Sexualkontakt durch einen Bluttest zweifelsfrei nachweisbar. Blutspenden werden in Deutschland durch neueste Verfahren (PCR) getestet, so dass z.B. HIV-Infektionen fast ausgeschlossen werden können. Der Status quo lässt sich angesichts der verbesserten Tests nicht mehr rechtfertigen.
Im August 2011 hat gar der damalige EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik, John Dalli, erklärt, dass der generelle Ausschluss schwuler und bisexueller Männer mit dem EU-Recht unvereinbar sei. Denn: Sexuelles Verhalten dürfe nicht mit sexueller Orientierung gleichgesetzt werden.

II.      Der Landtag stellt fest:

Es bedarf ohne Zweifel der größtmöglichen Sicherheit für alle Blutspenden. Dennoch stellt die undifferenzierte beziehungsweise pauschale Sonderstellung von MSM im Hinblick auf eine Blutspende homo- und bisexuelle Männer, sowie transsexuelle Personen unter Generalverdacht einer möglichen (HIV-)Erkrankung, verstärkt Vorurteile und ist daher grob diskriminierend.
Es wäre wichtiger, alle Blut- und Plasmaspenderinnen und -spender nicht nach Risikogruppen, sondern explizit nach dem Risikoverhalten zu fragen. Ein einjähriges Verbot von Sexualkontakten ist schon allein dadurch absurd und unnötig, da nach spätestens sechs Wochen eine erworbene HIV-Infektion zweifelsfrei nachweisbar ist.

III.    Der Landtag beschließt:

Der Landtag fordert die Landesregierung deshalb auf, mittels einer Bundesratsinitiative darauf hinzuwirken,
1.      dass es nicht von der sexuellen Orientierung abhängen darf, ob ein Spender in Frage kommt, sondern vom individuellen Risikoverhalten.
2.      dass die bestehende Blutspende-Regelung, wonach homo- und bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen nur dann lebensrettendes Blut spenden dürfen, wenn sie ein Jahr keinen Sex hatten, aufgehoben wird.
3.      dass der Generalverdacht über homosexuelle Männer und transgeschlechtliche Menschen beendet wird und eine diskriminierungsfreie Regelung zu schaffen, in der statt der sexuellen Orientierung das Risikoverhalten bei Spenden abgefragt wird und gegebenenfalls zum Ausschluss führt.
4.      bei der Bundesärztekammer darauf hinzuwirken, dass die Richtlinie Hämotherapie überarbeitet wird, indem die pauschalen, wissenschaftlich nicht haltbaren und diskriminierenden Rückstellungen von Personengruppen von einer Blutspende gestrichen werden.