Digitalisierung der kommunalen Verwaltung neu denken und standardisierte und ge­meinsame Software fördern

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

I. Ausgangslage

Die Digitalisierung der Verwaltung unterstützt den gesellschaftlichen Fortschritt, erleichtert un­ser Leben und ermöglicht mehr gesellschaftliche und berufliche Teilhabe. Eine professionell digitalisierte Verwaltung ist bürgerfreundlich. Wer behördliche Dokumente bequem von Zu­hause aus beantragen kann, gewinnt erheblich an Zeit. Auch für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist eine funktionierende digitale Verwaltung wesentlich. Durch digitale Verwal­tungsverfahren können Verwaltungsangestellte entlastet werden. Diese strukturelle Arbeitser­leichterung trägt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und steigender Anforde­rungen an die Verwaltungen zudem wesentlich dazu bei, dass andere staatliche Aufgaben weiterhin sicher erfüllt werden können.

Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN wird eine nachhaltige und umfassende Digitali­sierung aller Verwaltungen in Nordrhein-Westfalen vorantreiben. Dafür bedarf es jedoch noch weiterer Maßnahmen und Verbesserungen. In den Kommunen wird eine Fülle verschiedener IT-Anwendungen für die Verwaltungs- und Fachverfahren genutzt. Oft ist unklar, ob Software-Produkte verschiedener Anbieter über Schnittstellen automatisiert miteinander Daten austau­schen können, welche technischen Voraussetzungen zum Betrieb gegeben sein müssen und welche Kosten dabei auf die Verwaltungen zukommen. Deshalb braucht es in einem ersten Schritt einen Referenzkatalog, der es allen Kommunen erlaubt nachzuschlagen, welche Pro­dukte zu welchem Zweck bereits eingesetzt und empfohlen werden. Ein solcher Referenzkatalog ermöglicht einen strukturierten Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen, durch den sie informierte Entscheidungen für oder gegen verschiedene Produkte treffen können. Auf seiner Basis können, in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden, passende Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen durchgeführt werden. Damit Verwaltungen und Softwareunternehmen besser zusammen arbeiten können, braucht es außerdem Mittlerinnen und Mittler, die in den Verwaltungen für die Beauftragung und Im­plementierung von Softwares verantwortlich sind, angelehnt an die Aufgaben von Product Ownern, die in Unternehmen und Startups für den Softwareentwicklungsprozess verantwortlich sind.

Die Kommunen in NRW bieten ihren Bürgerinnen und Bürgern zu einem großen Anteil die gleichen Dienst- und Serviceleistungen an. Deshalb unterscheiden sich viele Verwaltungs- und Fachverfahren zwischen den Kommunen inhaltlich nur wenig. Aufgrund besonderer

Situationen und Bedürfnissen vor Ort ist es notwendig, dass Kommunen Softwarepakete zur Bearbeitung ihrer Aufgaben möglichst frei zusammenstellen können. Dafür müssen beauf­tragte Produkte technische Schnittstellen offen dokumentieren und auf die Einhaltung beste­hender Schnittstellen und Standards achten. Idealerweise sollte auf allen Ebenen entspre­chend vorgegangen werden, damit eine schnelle und effiziente Digitalisierung der Verwaltun­gen unterstützt wird. Aufträge für Verwaltungssoftware sollten dabei so erteilt werden, dass das Endprodukt mit einer Open-Source-Lizenz lizenziert und entsprechend öffentlich zugäng­lich gemacht wird. Für Förderprogramme des Landes sollen Förderbedingungen in Zukunft entsprechend gestaltet werden. Das Land Nordrhein-Westfalen soll mit eigenen Softwarepro­dukten ebenso verfahren. So können die Nachnutzungsgebühren für Kommunen gegenüber klassischen kommerziellen Produkten gering gehalten werden. Außerdem ist sicherzustellen, dass mit öffentlichen Geldern beauftragte und finanzierte Entwicklungen allen öffentlichen Ver­waltungen zugutekommen können. Dies ist gelebte Solidarität im Sinne des „Einer für Alle“-Prinzips. Die notwendige Koordination kann mit der Einführung eines Digitalbeirats mit Be­troffenen aus allen Prozessbereichen erreicht werden.

Durch die Erstellung eines Referenzkatalogs und frei verfügbarer Softwares können außerdem auch Mehrfachentwicklungen für verschiedene Verwaltungen vermieden werden. Denn die mehrfache Entwicklung von IT-Anwendungen für die gleichen Aufgaben verursacht mehrfach Kosten und bindet unnötig Fachkräfte in Verwaltungen und Unternehmen. Bestehende Mehr­fachentwicklungen in Zuständigkeit des Landes sollen konsolidiert werden, um Synergieeffekte im Weiterbetrieb zu erreichen. Die Einführung der Bund-ID und der damit verbundene Verzicht auf das Servicekonto.NRW im Januar 2023 durch das Land Nordrhein-Westfalen ent­spricht diesem Ansatz, den die Zukunftskoalition in den nächsten Jahren weiter verfolgen wird.

Ein wichtiger Aspekt für eine erfolgreiche Umsetzung liegt in der ganzheitlichen Betrachtung von Digitalisierungsprozessen. Das bedeutet, dass die Digitalisierung der Verwaltungen so­wohl aus dem Blickwinkel der Bürgerinnen und Bürger als auch aus der Perspektive der Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen erfolgen muss. Entscheidend ist, dass eine Verwaltungsleistung vollständig digitalisiert wird. Es reicht nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger Daten digital eingeben können, wenn auf der anderen Seite die Verwaltungsangestell­ten die Daten wieder ausdrucken müssen. Die moderne Softwareentwicklung setzt prozess­weise an und unterscheidet nicht mehr zwischen Frontend (Bürgerinnen und Bürgern) und Backend (Verwaltung).

Eine entscheidende Maßnahme zur Erreichung der genannten Ziele ist der Ausbau des Por­talverbunds zwischen Bund, Ländern und Kommunen für den gegenseitigen Austausch.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes bieten sich viele Chancen, eine bürger­nahe, moderne und effektive Verwaltung zu schaffen.
  • Eine kostenfreie Bereitstellung von zentralen Referenzleistungen für alle zu digitalisie­renden Verwaltungsleistungen bietet große Vorteile für eine digitale und standardisierte Verwaltung.
  • Durch standardisierte und offen dokumentierte Schnittstellen sowie ein aktives Schnitt­stellenmanagement der Landesregierung kann die Interoperabilität von Softwarelösun­gen verschiedener Anbieterinnen und Anbieter sichergestellt werden.
  • Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes stellt eine wesentliche Voraussetzung für eine ganzheitliche Digitalisierung der Verwaltung dar, insbesondere dadurch, dass Verfahrensabläufe miteinander verknüpft werden können. Dadurch wird ein effizientes und ressourcenschonendes Arbeiten ermöglicht.
  • Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein fortlaufender Prozess, der nie gänzlich abge­schlossen sein wird, da mit fortschreitender Technik und veränderten Rahmenbedingun­gen regelmäßig Anpassungen notwendig sind.
  • Eine moderne Softwareentwicklung muss prozessorientiert sein und alle betroffenen Ak­teurinnen und Akteure einbinden.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,

  • eine Bestandsanalyse des aktuellen Stands der Digitalisierung der Kommunen in Nord­rhein-Westfalen, einschließlich der zum Einsatz kommenden Sachverfahren, vorzuneh­men, um daraus einen zentralen Referenzkatalog zu erarbeiten, der für alle Verwaltun­gen offen steht und die zur Verfügung stehenden digitalen Services auflistet.
  • in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden zielgenaue Schulungsfor­mate für das Verwaltungspersonal zu erarbeiten, die den Einsatz der Verwaltungssoft­wares aus dem zentralen Referenzkatalog und verschiedene Managementaufgaben für Digitalisierungsprojekte beinhalten.
  • einen IT-Digitalbeirat mit den betroffenen Beteiligten einzuführen, damit Prozesse und Schnittstellen standardisiert und offen dokumentiert werden.
  • die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und Rechenzentren zu vereinfachen, so dass informationstechnische Systeme kooperativ genutzt werden können, mit dem Ziel Fachkräfte und Ressourcen zu bündeln.
  • zukünftige Förderungen für Digitalisierungsprojekte verstärkt an die Open Source Ent­wicklung, die offene Dokumentation von Schnittstellen und Standards sowie das Einhal­ten bereits existierender Schnittstellen zu knüpfen, um damit die Nachnutzungskosten für öffentlich geförderte Softwares gering zu halten. Damit ein einfacher und flächende­ckender Einsatz in NRW und anderen Bundesländern ermöglicht wird.
  • bei der Entwicklung von IT-Lösungen für Verwaltungsausgaben sicherzustellen, dass nicht parallel mehrere Software-Lösungen für die gleichen Anwendungen öffentlich ge­fördert werden und bestehende Mehrfachentwicklungen zusammenzuführen.
  • bei der Entwicklung und Anpassung von OZG-Leistungen darauf zu achten, dass die Entwicklung entlang der gesamten Prozesskette geschieht und rechtliche Hindernisse frühzeitig beseitigt werden.
  • sich im Bund für eine zukunftsorientierte und stabile finanzielle Unterstützung der Ver­waltungsdigitalisierung einzusetzen.