Die Forschung zu Waldökosystemen in NRW stärken: Gründung eines wissenschaftli­chen Instituts für Ökosystemleistungen des Waldes

Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag

Portrait Gregor Kaiser - klein

I. Ausgangslage

Der Wald in Nordrhein-Westfalen befindet sich im rasanten Wandel. Durch die sich ändernden Gegebenheiten ergibt sich die Notwendigkeit eines umfassenden Waldumbaus bei gleichzei­tigem Erhalt von natürlichen Prozessen und Stoffkreisläufen. Die Entwicklung hin zu klimaresi-lienten und naturnahen, arten- und strukturreichen Wäldern ist eine zentrale Voraussetzung für die Zukunft des Waldes und der Waldwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Eine nachhaltige und multifunktionale Waldbewirtschaftung dient der Sicherstellung der vielfältigen ökologi­schen, ökonomischen und gesellschaftlichen Waldfunktionen. Zudem sind die nationalen und internationalen Verpflichtungen zu berücksichtigen, um globale Umweltziele zu erreichen und multifunktionale Wälder als Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis zu nutzen.

Rund 950.000 Hektar und damit 28 Prozent der Landesflächen in Nordrhein-Westfalen sind bewaldet. Dabei liegt der Anteil des Privatwaldes mit rund 63 Prozent höher als in anderen Bundesländern. Darüber hinaus sind rund 13 Prozent der Waldflächen im Eigentum des Lan­des und 21 Prozent im Eigentum von Städten und Gemeinden. Rund drei Prozent sind Bun-deswald.1 Die Strukturen der Waldbewirtschaftung und des Waldnaturschutzes in NRW sind vielfältig und umfassen verschiedene Akteurinnen und Akteure, Organisationen und Institutio­nen. Dazu zählen u. a. neben den privaten Waldbesitzenden, die Landes- und kommunale Forstverwaltung, Forstbetriebsgemeinschaften und Genossenschaften, Natur- und Umwelt­schutzverbände.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Herausforderungen für die waldbauliche Entwick­lung sind alle Akteurinnen und Akteure auf aktuelle Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung angewiesen. Hierbei spielen u. a. Fragestellungen zur Transformation hin zu multi-funktionalen Ökosystemen, zum Zustand und der Regenerierung des Waldbodens, nachhaltig ausge­richtete Holzentnahmen, zum Zusammenspiel von Wald- und Offenlandökosystemen, zu ei­nem nachhaltigen Wildtiermanagement und insbesondere die Bewertung und Honorierung von Ökosystemleistungen eine zentrale Rolle.

Gegenwärtig existiert in Nordrhein-Westfalen jedoch kein forst-/waldwissenschaftliches Hoch­schulinstitut, an dem Forschung in dieser Breite betrieben wird. Verschiedene Ansätze zur Etablierung von Professuren an den Universitäten Bonn und Münster, die auch die Landes­forstverwaltung in wissenschaftlichen Fragestellungen unterstützen sollten, waren nur von be­grenzter Dauer. Bestrebungen zur Etablierung eines Hochschulangebotes kamen in den letz­ten Jahren nicht über ein Anfangsstadium hinaus.

Sowohl die Forschung als auch die hochschulische Ausbildung im Bereich der Forstwirtschaft und Forstwissenschaft greifen zwar nach der in den vergangenen Jahren feststellbaren Aus­differenzierungen der forstwissenschaftlichen Studiengänge an den allesamt außerhalb NRWs gelegenen Universitäten und Fachhochschulen ein Waldökosystemmanagement im Rahmen nachhaltiger Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen auf. Spezifische Strukturen und Bedarfe unseres Bundeslandes werden aber nur unzureichend adressiert. Es bedarf aber vor dem Hin­tergrund des hohen Privatwaldanteils beispielsweise praxisnaher und einfach zu implementie­render Lösungen zum Waldumbau, welche die Komplexität von Ökosystemen berücksichtigen und diese mit den ökonomischen Herausforderungen in Einklang bringen. Während das Land Nordrhein-Westfalen über Konzepte und Instrumente für die Waldbewirtschaftung im Klima­wandel verfügt, wie insbesondere das Waldbaukonzept NRW und das Internetportal Wald-info.NRW, können wissenschaftliche Beiträge die im Klimawandel sinnvolle periodische Wei­terentwicklung bedeutend unterstützen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesen Fragestel­lungen stellen wichtige inhaltliche Bausteine für die Weiter- und Fortbildung im Bereich der Waldwirtschaft dar, sowohl für Försterinnen und Förster, für Waldarbeiterinnen und Waldar­beiter, bis hin zu den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer selbst.

Um diese Lücke im Ansatz zu füllen, wurde 2020 das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft unter dem Dach des Landesbetriebs Wald und Holz NRW errichtet. Erste Wurzeln der in Arnsberg beheimateten Einrichtung war das frühere Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberg. Zudem wird seit Ende 2023 in Anlehnung an das erfolgreiche Forschungsnetzwerk NRW-Agrar das neue Forschungsnetzwerk Wald NRW eingerichtet. Im Oktober fand die konstituierende Sit­zung statt. Seit 2017 haben in der Organisation durch die Landesforstverwaltung gemeinsam mit Partnereinrichtungen drei Veranstaltungen zur Waldforschung mit breiter Beteiligung von wissenschaftlichen Einrichtungen stattgefunden. Im Kontext der in Erarbeitung befindlichen Waldstrategie für Nordrhein-Westfalen wurden auch die Stärkung praxisorientierter Waldfor­schung, der Ausbau des Wissenstransfers sowie die Aus- und Weiterbildungsangebote be­züglich klimaangepasster Waldbewirtschaftung thematisiert.

Unabhängig vom Forschungsnetzwerk spielt die räumliche Vernetzung der relevanten Akteu­rinnen und Akteuren der Waldwirtschaft in NRW eine wichtige Rolle. Dabei sind hinsichtlich der institutionellen Verankerung als Teil des Landesbetriebs Wald und Holz oder als Hoch­schuleinrichtung vielfältige Formen des Miteinanders denkbar.

In dieser Hinsicht kann die Gründung eines Instituts für Waldökosystemforschung in NRW einen wichtigen Schritt darstellen, um die Forschung und das Verständnis für die ökologischen Prozesse in Wäldern zu stärken und um Lösungen für die Bewirtschaftung und den Schutz von Wäldern zu entwickeln. Ein zentrales Ziel des Instituts sollte somit der zügige Wissens­transfer in die Forstpraxis sein.

In jedem Falle wäre eine enge Kooperation zwischen einem neu zu gründenden Institut für Waldökosystemforschung und dem Forstlichen Lehr- und Weiterbildungszentrum des Zent­rums für Wald und Holzwirtschaft des Landesbetriebes Wald und Holz in Arnsberg von Vorteil. Eine Ansiedlung des Instituts in einer waldreichen ländlichen Region in NRW wäre zudem sowohl für eine praxisnahe Forschung, den Praxistransfer der Forschungsergebnisse als auch für die Stärkung des regional bedeutsamen Clusters Wald und Holz sinnvoll.

Im weiteren Prozess der Umsetzung soll keine Forschungsinsel im Sinne eines eigenständi­gen regionalen Hochschulinstituts geschaffen werden. Hiergegen sprechen neben der Hoch­schulautonomie auch die großen Konsolidierungsanstrengungen, die die deutschen Hoch­schulen im Bereich der Forstwissenschaft hinter sich gebracht haben. Eine Integration des Instituts in bestehende Systeme, die sich u. a. der ökologischen Nachhaltigkeitsforschung zu­gewandt haben, wären an dieser Stelle sinnvoll. Hierdurch können Synergien bei der For­schung zu diversen Landnutzungssystemen genutzt werden.

Ein solcher Ansatz könnte in räumlicher Nähe z. B. durch eine Zusammenarbeit mit der FH Südwestfalen am Standort Soest verfolgt werden. Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen entscheiden im Rahmen der Hochschulautonomie selbst über ihre thematische Ausrichtung und die Schaffung neuer Studienangebote. Die FH Südwestfalen ist in der Errichtung eines Klimahauses und von Reallaboren involviert und beabsichtigt auch die Neuausrichtung eines bestehenden Fachbereichs. Erste Anknüpfungspunkte sind mit einem Vorlesungsmodul Wald­bau und einer Neuberufung jüngst im Bereich Landnutzungsökologie vorhanden. Vorstellbar sind hier Ergänzungen nach Um- und Neubesetzungen auf der Grundlage eines Konzeptes, welches auch die Bedarfe des gesamten Clusters der Forst- und Holzwirtschaft berücksichtigt.

Bei der Entstehung eines neustrukturierten Fachbereichs, ist von den bestehenden räumli­chen, technischen und personellen Strukturen der Hochschule auszugehen, um einen zügigen Start zu gewährleisten. Von Seiten des Landes sind die haushalterischen Grundlagen zu schaffen.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest, dass

–        die Entwicklung hin zu klimaresilienten, naturnahen, multifunktionalen, arten- und struk­turreichen Wäldern, unter Berücksichtigung nachhaltiger Nutzungs- und Bewirtschaf­tungsformen, eine zentrale Voraussetzung für die Zukunft des Waldes und der Waldwirt­schaft in Nordrhein-Westfalen ist,

–        es in diesem Zusammenhang und zur Bewältigung der aktuellen sowie zukünftigen Her­ausforderungen einer ausreichenden Zahl an entsprechend breit ausgebildeten Fach­kräften bedarf. Bisherige Fort- und Weiterbildungsangebote von Hochschuleinrichtungen zeigen jedoch Lücken bei Inhalten zum Waldbau im Klimawandel und der Biodiversitäts-krise auf und müssen daher durch Wissensvermittlung und Strukturen unterstützt wer­den,

–        in Nordrhein-Westfalen derzeit kein waldbauliches oder waldökologisches Institut exis­tiert, welches sich auf entsprechende Fragestellungen konzentriert,

–        für die rund 150.000 Privatwaldbesitzerinnen und Privatwaldbesitzer in Nordrhein-West­falen der schnell voranschreitende Klimawandel und der damit verbundene notwendige Waldumbau besonders herausfordernd ist. Eine intensivere und breitere Wissensver­mittlung und fachspezifische Fortbildungen sind hierfür wichtige Unterstützungsange­bote,

–        neue Forschungsstrukturen und thematische Erweiterungen als Ergänzung zur beste­henden Lehr- und Forschungslandschaft die Chance bieten, Studierende, Waldbesitze­rinnen und Waldbesitzer sowie weiteren Fachkräften vertieft in die vielfältigen Bereiche der Waldökosystemforschung, der ökologischen Waldbewirtschaftung und in die Anfor­derung in das politisch administrative System einzubeziehen, neue Erkenntnisse auf kur­zem Weg in die Praxis zu transportieren und damit die bestehenden Herausforderungen zu bewältigen,

–        in diesem Zusammenhang zentral ist, dass in der Forschung zur ökonomischen und ökologischen Waldbewirtschaftung die Diversität und Komplexität naturnaher Waldöko­systeme berücksichtigt wird,

–        die bestehenden Strukturen, u. a. des Landesbetriebs Wald und Holz, hierbei wichtige Möglichkeiten zur Vernetzung und Kooperation bieten.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, im Rahmen bereiter Haushaltsmittel,

–        die Möglichkeiten einer Gründung eines wissenschaftlichen Instituts für Waldökosystemforschung (Arbeitstitel) mit einer Hochschule in NRW, vorzugsweise der FH Südwestfa­len, auszuloten, und die haushalterischen Grundlagen zu schaffen,

–        über eine Zusammenarbeit vom LBWH (v. a. des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft) und der FH Südwestfalen kurzfristig ein entsprechendes Umsetzungskonzept für ein waldökologische Themen bearbeitendes Institut zu erstellen,

–        sicherzustellen, dass über das Institut auch die forstpraktische Ausbildung gestärkt und eine praxisnahe Forschung ermöglicht wird, indem eine enge Kooperation zwischen dem Institut für Waldökosystemforschung (Arbeitstitel) und dem Forstlichen Lehr- und Wei­terbildungszentrum des Zentrums für Wald und Holzwirtschaft des Landesbetriebes Wald und Holz in Arnsberg sichergestellt wird. Ziel sollte es auch sein, dass der LBWH bei erwartbarem Fachkräftemangel einen Vorteil aus der Kooperation ziehen kann,

–        zu prüfen, ob im Falle der anstehenden baulichen Veränderungen des LBWH am Stand­ort Arnsberg räumliche Kapazitäten im Hinblick auf eine Kooperation mit dem zu grün­denden Institut im Bereich der beruflichen Fort- und Weiterbildung zur Verfügung gestellt werden können.

 

1 https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Broschueren/20210930_landeswaldbe-richt_2019.pdf