Den Katastrophenschutz in NRW stärken – Lehren aus der COVID-19-Pandemie ziehen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

I.       Ausgangslage
Der in der Bundesrepublik föderal und in Nordrhein-Westfalen als Aufgabe der Kreise und kreisfreien Städte dezentral strukturierte Katastrophenschutz verfügt über ein hervorragendes Netz aus Organisationen und Behörden, die überaus handlungs- und leistungsfähig sind. Die Arbeit im Katastrophenschutz wird in den Hilfsorganisationen, den Feuerwehren und dem Technischen Hilfswerk durch Frauen und Männer gewährleistet, die zu ca. 90 Prozent als ehrenamtliche Mitglieder mit großem Engagement tätig sind. Gemeinsam mit den Beschäftigten in den betreffenden Behörden auf kommunaler wie auf Landes- und Bundesebene ermöglichen sie einen flächendeckenden und schnellen Schutz der Bevölkerung in einem Katastrophenfall.
In der jüngsten Vergangenheit haben unterschiedliche klimabedingte Extremwetterlagen (wie Hochwasser, Stürme oder Wald- und Vegetationsbrände) deutlich gemacht, wie wichtig ein gut funktionierender Katastrophenschutz ist. Auch in der aktuellen COVID-19-Lage übernehmen die im Katastrophenschutz tätigen Organisationen wichtige Aufgaben. Die derzeitige Situation zeigt jedoch auch, dass der Katastrophenschutz an verschiedenen Stellen verbessert werden kann. Diese Lehren gilt es zu ziehen, um den Katastrophenschutz für die Zukunft weiter zu stärken und die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen.
1.      Einrichtung einer Kommission „Katastrophenvorsorge NRW“
Die derzeitige COVID-19-Pandemie wirft zurecht Fragen auf, ob der Katastrophenschutz auf ein solches Ereignis besser hätte reagieren können.
In der Vergangenheit wurden Analysen von Szenarien publiziert, denen eine Lage zugrunde lag, die der aktuellen ähnelte und strukturelle Probleme aufzeigte, wie zum Beispiel den hohen Bedarf an Krankenhauskapazitäten oder medizinischer Schutzausrüstung. 2007 wurde eine sogenannte Länderübergreifende Krisenmanagementübung/Exercise (LÜKEX) zu dem Szenario einer Influenza-Pandemie durchgeführt. LÜKEX werden seit 2004 jedes Jahr zu wechselnden Themen von Bund und Ländern durchgeführt. Es handelt sich um ein ebenen- und bereichsübergreifendes Übungskonzept, durch das die bestehenden Krisen- und Alarmpläne überprüft und Verbesserungsmöglichkeiten erkannt werden sollen. Bund und Länder sollen hierdurch auf normale und außergewöhnliche Krisen- und Bedrohungslagen besser vorbereitet werden.
Anfang 2013 wurde darüber hinaus durch den Deutschen Bundestag eine 2012 erstellte „Risikoanalyse‚ Pandemie durch Virus Modi-SARS‘“ veröffentlicht, die ebenfalls Defizite in der Bereitstellung ausreichender Krankenhauskapazitäten und von ausreichendem medizinischen Material aufzeigte (Deutscher Bundestag, Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012 – BT-Drucksache 17/12051 –, Seite 5-11, 55 ff. (Anhang 4) – https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Krisenmanagement/BT-Bericht_Risikoanalyse_im_BevSch_2012.pdf? blob=publicationFile (14.05.2020).
Es stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse der in den vergangenen Jahren durchgeführten gemeinsamen Übungen des Bundes und der Länder und Risikoanalysen zu den unterschiedlichsten Katastrophenszenarien grundsätzlich bei den Vorbereitungen des Landes auf eine solche Pandemie und speziell in den betreffenden Krisen- und Alarmplänen berücksichtigt wurden. Um den Katastrophenschutz weiter zu stärken und auf mögliche Szenarien bestmöglich vorzubereiten, sollte die Landesregierung eine Kommission
„Katastrophenvorsorge NRW“ einberufen, die aus den am Katastrophenschutz Beteiligten, unabhängigen Sachverständigen sowie den zuständigen Abteilungen der NRW- Landesregierung besteht. Diese Kommission sollte sämtliche veröffentlichten Ergebnisse vorheriger Übungen und Analysen auf Verbesserungsbedarf überprüfen und dem Landtag einen Abschlussbericht mit konkreten Verbesserungsvorschlägen zur Katastrophenvorsorge vorlegen.
2.      Gesetzliche Regelungslücken für den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen schließen
Neben dem Beschluss des Entwurfs der damaligen Rot-Grünen Landesregierung für ein Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) am 16. Dezember 2015, das unter anderem den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen gesetzlich neu fasst, stimmte der Landtag einem Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen zu, der die damalige Landesregierung dazu aufforderte, in einem koordinierten Prozess zwischen den am Katastrophenschutz Beteiligten mittelfristig Vorschläge zu entwickeln, wie strukturelle und organisatorische Bedingungen des Katastrophenschutzes in Nordrhein-Westfalen bestmöglich an bestehende und künftige Anforderungen angepasst und weiterentwickelt werden können. Die Ergebnisse dieses kritischen Austauschs wurden in einem Grundlagenbericht der Landesregierung 2018 zusammengefasst (Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Grundlagenbericht. Koordinierter Prozess Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen. Aktuelle und zukünftige Herausforderungen, 2018
– Vorlage 17/659 – https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-659.pdf (18.05.2020). Darin wurden als prioritär zu behandelnde Themenfelder die Einsatz- und Zukunftsfähigkeit der Einsatzeinheiten, die Landesleitstelle/Bezirksleitstellen, die Vernetzung von Datenquellen, die Stärkung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung, die Umsetzung der Katastrophenschutzplanung gemäß dem BHKG und der Umgang mit Stromausfall und Extremwetter festgelegt.
In der derzeit bestehenden COVID-19-Lage werden bereits heute Verbesserungsbedarfe in Bereichen des Katastrophenschutzes deutlich, die über diese Punkte noch hinaus gehen.
a)     Landesweiten Katastrophenfall gesetzlich verankern
Im BHKG ist das Krisenmanagement bei Großeinsatzlagen und Katastrophen für die Kreise und die kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbehörden geregelt. Es fehlen jedoch Vorschriften, die das Krisenmanagement des Landes bei Großeinsatzlagen und Katastrophen von landesweitem Ausmaß regeln.Dass eine entsprechende Regelung erforderlich ist, macht die COVID-19-Lage deutlich. Angesichts der zahlreichen Fälle von COVID-19 im gesamten Land stellte der Landtag mit Beschluss vom 14. April 2020 fest, dass eine epidemische Lage von landesweiter Tragweite vorliegt. Jedoch wurde der Katastrophenschutz nicht von Landesebene aus aktiviert, obwohl die Landesregierung zu Beginn der Ausbreitung von COVID-19 von einer Corona-Krise sprach und ihren Entwurf für ein Nachtragshaushaltsgesetz 2020 mit dem Vorliegen einer Notsituation und einer Naturkatastrophe begründete.
Die Landesregierung ist aufgefordert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, um im BHKG eine Regelung zu schaffen, die sie ermächtigt, im Bedarfsfall einen landesweiten Katastrophenfall ausrufen und damit den Katastrophenschutz im gesamten Land aktivieren zu können.
Einhergehend mit der Regelung eines landesweiten Katastrophenfalls ist es dringend geboten, ein Konzept für einen landesweiten Katastrophenschutz zu erarbeiten. Das Konzept soll die medizinische Versorgung und den Rettungsdienst ebenfalls berücksichtigen.
b)     Einberufung des Krisenstabs der Landesregierung
Gleiches gilt für die Einberufung des Krisenstabs der Landesregierung. Er wird gemäß § 5 Absatz 2 des BHKG beim Innenministerium vorgehalten. Näheres regelt die Geschäftsordnung des Krisenstabes der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (MBl. NRW., Ausgabe 2017, Nr. 29 vom 5.10.2017, Seite 846 – https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=7&vd_id=16587&vd_back=N846&sg=0&menu =1 (18.05.2020). Der Krisenstab kann danach bei landesweiten Großeinsatzlagen oder Katastrophen einberufen werden, zu deren Bewältigung mehrere Ressorts zusammenwirken müssen (Nummer 4 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Krisenstabes der Landesregierung NRW). Die Befugnis zu seiner Aktivierung hat der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin (Nummer 4 Absatz 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Krisenstabes der Landesregierung NRW.)
Es ist in Bezug auf die COVID-19-Lage und der damit einhergehenden Vielzahl an zu bewältigenden Aufgaben der verschiedenen Ministerien der Landesregierung wenig nachvollziehbar, dass sie bisher davon abgesehen hat, ihren Krisenstab zu aktivieren.
Wegen der Bedeutung des Krisenstabs sollten die Befugnis zu seiner Einberufung, seine Aufgaben und die weiteren wesentlichen Rechte und Pflichten im BHKG selbst geregelt werden.
c)      Erstellung von Katastrophenschutzbedarfsplänen
Ebenso wie es für den Brandschutz erforderlich ist, Brandschutzbedarfspläne aufzustellen, ist es wichtig, dass auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte für den Katastrophenschutz Katastrophenschutzbedarfspläne erstellt und regelmäßig fortgeschrieben werden. Katastrophenschutzbedarfspläne sind für die Fortentwicklung des Katastrophenschutzes unerlässlich, da nur durch sie der Bedarf vor Ort ermittelt werden kann. Eine schnelle und sachgerechte Gefahrenabwehr wird vor allem dadurch gewährleistet, dass dem eigentlichen Bedarf entsprechende Bedarfsplanungen für den Katastrophenschutz bestehen und umgesetzt werden.
Die zugrundeliegenden Daten und die sich hieraus ergebenden Planungen müssen in regelmäßigem Abstand überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Wie für die Brandschutzbedarfspläne sollte auch für die Katastrophenschutzbedarfspläne eine
Höchstgrenze von fünf Jahren festgeschrieben werden. So wird sichergestellt, dass sich die betreffenden Gremien zumindest einmal in einer Wahlperiode mit dem für die Gewährleistung der Sicherheit wesentlichen Katastrophenschutzbedarfsplan befassen.
d)     Rettungsdienst als medizinischen Teil der Gefahrenabwehr anerkennen
Die aktuelle Lage der COVID-19-Pandemie zeigt, dass auch die medizinische und gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung einer Katastrophensituation sein kann. Der Rettungsdienst trägt wesentlich zur einer schnellen Versorgung bei und muss daher als medizinischer Teil der Gefahrenabwehr anerkennt werden. Im Rahmen einer Anpassung des BHKG aus den Lehren der COVID-19-Pandemie ist es unerlässlich, auch eine Regelung für die Verankerung des Rettungsdienstes als medizinischen Teil der Gefahrenabwehr zu erarbeiten.
e)     Wissenschaftliche Evaluierung des BHKG
Das BHKG wurde am 16. Dezember 2015 im Landtag beschlossen. Es trat am 1. Januar 2016 in Kraft und ersetzte das bis dahin geltende Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung. In den mehr als vier Jahren seines Bestehens sind im Zuge der Anwendung des Gesetzes Verbesserungsbedarfe erkennbar geworden. Insbesondere ist zu prüfen, welche weiteren Verbesserungsbedarfe sich aus der aktuellen COVID-19-Lange ergeben.
Um den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz insgesamt seitens seiner gesetzlichen Grundlage auf seinem hohen Niveau leistungsfähig zu halten, sollten das Gesetz evaluiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden.
3.      Zentrale    Übersicht    beim    Land    über    Personal,    Schutzausrüstung,    Fahrzeuge, Einsatzmaterial und sonstige Hilfsmittel im Katastrophenschutz
Nach dem BHKG trifft das Land die zentralen Maßnahmen auch für den Katastrophenschutz und kann den Einsatz der Feuerwehr und der weiteren Einheiten des Katastrophenschutzes anordnen. Darüber hinaus kann das Innenministerium die Leitung von Abwehrmaßnahmen an sich ziehen, wenn der Erfolg der Abwehrmaßnahmen ansonsten nicht sichergestellt erscheint. Damit das Land diese Befugnisse ordnungsgemäß erfüllen kann, sollte es bereits vor dem Eintritt von Großeinsatzlagen oder Katastrophen über den Stand verfügbaren Personals, dessen Ausrüstung und der sächlichen Einsatzmittel in den Kreisen und kreisfreien Städten in Kenntnis sein.
4.      Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger zur Verbesserung ihrer Selbsthilfefähigkeit
Die aktuelle pandemische Lage machte gerade in den ersten Wochen deutlich, dass sich große Teile der Bevölkerung mit den Konsequenzen des Eintritts einer Katastrophenlage bisher nicht befasst haben. Es herrscht in weiten Teilen eine Unwissenheit über die Vorsorge für und das Verhalten bei Katastrophenlagen vor. Dadurch kommt es zum einen zu Beginn von Pandemien zu sogenannten Hamsterkäufen bestimmter Lebensmittel und Verbrauchsgütern in Teilen der Bevölkerung, die sie selbst und ihre Mitmenschen in einer ohnehin bereits angespannten Situation zusätzlich unter Druck setzen. Zum anderen zeigt sich im Verlauf der Krise eine „Katastrophenmüdigkeit“, die wiederum zu geringerer Achtsamkeit im Umgang mit dem Virus führt. Die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen müssen im Vorfeld durch zielgerichtete Informationen zum Selbstschutz und zur Selbsthilfe unterstützt werden und sich in der Krise durch die bestmögliche Krisenkommunikation auf staatliche Stellen verlassen können.
Der Katastrophenschutz baut auf der Selbsthilfefähigkeit der Bürgerinnen und Bürger auf. Die Überwindung von Großeinsatzlagen und Katastrophen hängt damit nicht unwesentlich von informierten und vorbereiteten Bürgerinnen und Bürgern ab. Die Aufgabe der Aufklärung von Bürgerinnen und Bürgern über Möglichkeiten der Selbsthilfe tragen die Gemeinden. Sie werden dabei durch die anerkannten Hilfsorganisationen unterstützt. Das Innenministerium gründete bereits eine Arbeitsgruppe „Selbsthilfe“, die auf Einsatzkräfte im Katastrophenschutz als Multiplikatoren abzielt und vor allem das Szenario eines flächendeckenden Stromausfalls in den Blick nimmt (Bericht des Innenministers vom 03.02.2020 – Vorlage 17/3004 –, Seite 7 – https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3004.pdf (18.05.2020). Ergänzend sollte die Landesregierung zusammen mit dem Verband der Feuerwehren NRW, den anerkannten Hilfsorganisationen, dem Technischen Hilfswerk und den Kommunalen Spitzenverbänden in einen Arbeitsprozess eintreten, um ein geeignetes breiter angelegtes Aufklärungsprogramm für die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden von Nordrhein-Westfalen zu initiieren, das ihre Selbsthilfefähigkeit verbessert. Dabei sollten Onlineangebote insbesondere in den Blick genommen werden.
Initiierung und Umsetzung sollten zeitnah geschehen, da in der Bevölkerung aufgrund der aktuellen Lage eine Empfänglichkeit für diese Maßnahmen anzunehmen ist.
5.      Zentralstelle im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Im föderalen Gefüge tragen die Länder die Verantwortung für den Katastrophenschutz, der Bund ist hingegen für den Zivilschutz im Verteidigungsfall zuständig. Zivil- und Katastrophenschutz bilden ein integriertes Hilfeleistungssystem, das für eine gegenseitige Unterstützung mit Fähigkeiten und Ressourcen bei außergewöhnlichen, bedeutsamen Gefahren- und Schadenslagen über Ländergrenzen hinweg sorgt. Diese Aufteilung hat sich bewährt und soll erhalten bleiben. Lagen von länderübergreifendem oder bundesweitem Ausmaß wie der aktuellen Pandemie von COVID-19 machen deutlich, dass in diesen Fällen ein zentral gesteuerter Informationsaustausch, eine zentrale Bewertung bundesweiter Lagen sowie die Bereitstellung von Empfehlungen zum Umgang damit und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln für eine erhebliche Steigerung der Effizienz der Einsätze und Maßnahmen sorgen würde.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn ist zuständig für die Erfüllung der Aufgaben des Bundes im Bevölkerungsschutz, zur Koordinierung des Schutzes kritischer Infrastrukturen, zur Zusammenfassung, Bewertung und Darstellung einer einheitlichen Gefahrenlage, zur Koordinierung der Kommunikation des Bundes mit Ländern und Gemeinden, der Privatwirtschaft und der Bevölkerung über Vorsorgeplanung und aktuelle Bedrohungen, zur Unterstützung des Managements von Einsatzkräften des Bundes und anderer öffentlicher und privater Ressourcen bei großflächigen Gefahrenlagen, zur bedrohungsgerechten Ausbildung der Führungskräfte aller Verwaltungsebenen im Bevölkerungsschutz und für die nationale Koordinierung innerhalb des europäischen Integrationsprozesses im Bereich der Zivilen Sicherheitsvorsorge. Das BBK berät nicht nur den Bund, sondern unterstützt auch Landesbehörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und stellt bereits heute oben genannte Risikoanalysen zur Verfügung und sorgt für eine Vernetzung der relevanten Akteure.
Aufgrund der Kompetenzverteilung im Katastrophenschutz zwischen Bund und Ländern verfügt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe jedoch nicht über die Informationen der Länder, die für eine präzise Bewertung von bundesweiten Lagen und der Bereitstellung von Empfehlungen zum Umgang damit erforderlich wären. Daher ist es notwendig, dem BBK die Kompetenz einer Zentralstelle für den Katastrophenschutz zu geben
und ein Verbundsystem zum Austausch relevanter Informationen des Katastrophenschutzes und Empfehlungen zwischen den Ländern und dem Bund zu schaffen. Eine ähnliche Funktion hat das Bundeskriminalamt im Verbund mit den Landeskriminalämtern im Bereich der Polizei.
Ergänzend soll im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ein Gremium zur fachlichen Beratung errichtet werden, in dem das Technische Hilfswerk, die Feuerwehrverbände des Bundes und der Länder sowie die anerkannten Hilfsorganisationen vertreten sind.
Die Einrichtung der Zentralstelle erfordert eine Änderung des Grundgesetzes und des Gesetzes über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, welche die Landesregierung in der aktuellen Diskussion unterstützen und mittels einer Gesetzesinitiative über den Bundesrat aufnehmen soll.

II.      Feststellungen

Der Landtag stellt fest,
1.      der Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen ist handlungs- und leistungsfähig,
2.      das große Engagement der vielen und überwiegend ehrenamtlich Tätigen in den Organisationen ist von großer Wichtigkeit. Sie gewährleisten eine hervorragende Schutzinfrastruktur im gesamten Land,
3.      der föderale Aufbau des Katastrophenschutzes ist sehr gut und hat sich auch in der Lage der COVID-19-Pandemie bewährt. Vor allem das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz von Dezember 2015 hebt die Bedeutung des Katastrophenschutzes besser hervor und sorgt für eine insgesamt gute gesetzliche Regelung dieses Bereichs. An den Stellen, wo es sinnvoll ist, soll für seine Verbesserung gesorgt werden, damit das hohe Niveau des Katastrophenschutzes in Nordrhein- Westfalen erhalten bleibt.

III.    Forderungen an die Landesregierung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.      eine Kommission „Katastrophenvorsorge NRW“ einzurichten, die alle bisherigen Berichte und Evaluationen zu Katastrophenszenarien daraufhin überprüft, an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht, und dem Landtag einen Abschlussbericht zur weiteren Beratung vorlegt,
2.      für das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG)
a)      einen Regelungsentwurf für das Ausrufen eines Katastrophenfalls auf Landesebene und der sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten zu erarbeiten,
b)      einen Regelungsentwurf für die Befugnis zur Aktivierung des Krisenstabs der Landesregierung zu erarbeiten,
c)      einen Regelungsentwurf zu erarbeiten, dass Katastrophenschutzbedarfspläne verpflichtend zu erstellen sind,
d)      einen Vorschlag vorzulegen, durch den der Rettungsdienst als medizinischer Teil der Gefahrenabwehr gesetzlich anerkannt wird,
e)      eine Evaluation durchzuführen, um Verbesserungsbedarfe zu identifizieren, die sich insbesondere aus der Bewältigung der COVID-19-Lage und seit dem Inkrafttreten des Gesetzes ergeben haben,
3.      ein Landeskonzept für landesweite Großeinsatzlagen und Katastrophen (Landeskatastrophenschutzkonzept) unter Berücksichtigung und Einbeziehung des Rettungsdienstes zu erarbeiten,
4.      beim Innenministerium eine zentrale Übersicht über Personal, Schutzausrüstung, Fahrzeuge, Einsatzmaterial und gegebenenfalls sonstige Hilfsmittel in den Kreisen, kreisfreien Städten und beim Land einzurichten, zu unterhalten und diese jährlich zu aktualisieren,
5.      zusammen mit den Feuerwehren, den Hilfsorganisationen, dem Technischen Hilfswerk und den Kommunalen Spitzenverbänden ein geeignetes breiter angelegtes Aufklärungsprogramm für die Bürgerinnen und Bürger zur Verbesserung ihrer Selbsthilfe zeitnah zu initiieren und auszuarbeiten,

6.      sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, den länderübergreifenden Katastrophenschutz zu stärken, indem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit einer Zentralstellenkompetenz zur bundesweiten Unterstützung der Länder mit Informationen und Empfehlungen ausgestattet wird. Für bundesweite, länderübergreifende oder besondere Lagen soll dort für eine zentrale Koordinierung der Informationen des Katastrophenschutzes und für eine Bereitstellung von Analysen und Empfehlung gesorgt werden.