Den Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo- und Transfeindlichkeit auf erweiterter Datenbasis weiterentwickeln

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Ilayda Bostancieri_klein

I. Ausgangslage

Nordrhein-Westfalen steht für Weltoffenheit und Vielfalt. In unserem Bundesland leben über 18 Millionen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religionszugehörigkeit, sexueller Orien­tierung, geschlechtlicher Identität und Altersstufen.

Als Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN arbeiten wir dafür, dass Lesben, Schwule, Bise­xuelle, trans*, inter*, nicht-binäre und queere Menschen (LSBTIQ*) in Nordrhein-Westfalen ohne Angst, frei und selbstbestimmt leben können. Wir verstärken den Einsatz des Landes gegen Diskriminierung und für eine offene Gesellschaft.

Mitglieder der LSBTIQ*-Community wurden lange Zeit kriminalisiert und erleben bis heute Zu­rückweisungen, bis hin zu offener Gewalt. Ein besonders einschneidender Vorfall in Nordrhein-Westfalen war der Tod von M. C. nach der CSD-Demonstration in Münster im Jahr 2022. Es gibt zu denken, dass viele Straftaten in diesem Kontext nicht angezeigt werden. Um das Dun­kelfeld zu erhellen und das Phänomen besser zu verstehen, begrüßen wir die Ankündigung der Landesregierung, eine gesonderte Ausweisung von Straftaten gegen LSBTIQ*-Menschen in der Kriminalitätsstatistik des Landes Nordrhein-Westfalen zu prüfen.

Die Bereitstellung von Fördergeldern für die meist ehrenamtlich organisierten Christopher-Street-Days 2023, welche auch für Sicherheitskonzepte verwendet werden konnten, ist ein wichtiges Zeichen seitens der Landesregierung, dass ihr die Sichtbarkeit und Sicherheit der queeren Community wichtig ist.

Um der bundesweit zunehmenden Zahl queerfeindlicher Straftaten effektiver zu begegnen, ist seit dem Jahr 2022 ein Oberstaatsanwalt in Köln Ansprechperson der Behörde für Personen aus der LSBTIQ*-Community und ermittelt schwerpunktmäßig bei Gewalttaten gegen queere Menschen. Damit Straftaten aufgeklärt und Täterinnen und Täter zur Rechenschaft gezogen werden können, werden Geschädigte aktiv ermutigt, Anzeige zu erstatten. Das Verhältnis zwi­schen den Behörden und der queeren Community war noch vor einer Generation von der Tatsache, dass Homosexualität unter Strafe stand, geprägt. Hier gilt es, Sorgen und Ängste bei den queeren Communities abzubauen und die Behörden weiterhin auf ihrem Weg zu be­stärken, mit LSBTIQ*-Menschen sensibel umzugehen.

Um die Akzeptanz queerer Personen in Nordrhein-Westfalen zu stärken und um den gesell­schaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen, wird der Landesaktionsplan gegen Homo-und Transfeindlichkeit in dieser Legislaturperiode fortgeschrieben.

Eine fundierte Kenntnis der Lebenssituation queerer Menschen ist Voraussetzung, damit Maß­nahmen eines fortgeschriebenen Aktionsplans nicht an den Bedarfen der Community vorbei­gehen. Deswegen gilt es, die Datenbasis zur Gesundheit und sozialen Situation von LSBTIQ*-Personen zu verbessern und Forschungslücken zu schließen. Eine Lebenslagenstudie soll die Lebensrealitäten queerer Menschen in den Blick nehmen.

Vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft ist dabei unter anderem die Situation von LSBTIQ*-Seniorinnen und -Senioren in den Blick zu nehmen. Sie sind eine besonders vul-nerable Gruppe und brauchen entsprechende Schutzräume und Angebote. Insbesondere die ältere Generation wurde teilweise wegen ihrer sexuellen Orientierung noch gesetzlich verfolgt. Deshalb trauen sich einige nicht, sich gegenüber Dienstleistern in der Altenhilfe zu öffnen. Es darf aber kein verschweigen müssen der eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Identität gleich welchen Alters geben. Zudem wurde die Situation von trans*- und intergeschlechtlichen Menschen in der Altenarbeit und Pflege bisher kaum beleuchtet. Die Pflege muss kultur- und LSBTIQ*-sensibel ausgerichtet sein, um einen angemessenen Umgang zu ermöglichen. Des­halb sollen Fach- und Pflegekräfte entsprechend sensibilisiert und geschult werden. Dies hilft beim Abbau von Ängsten und Vorurteilen.

Queere Menschen erleben oftmals gesellschaftliche Entfremdung und soziale Ausgrenzung, was zu Einsamkeit und Isolation führt. Wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass queere Menschen im Vergleich zum Rest der Bevölkerung, häufiger an psychischen und körperlichen Erkrankungen leiden. Queere Menschen mit Behinderungen stehen noch weite­ren Herausforderungen gegenüber.

Bei der medizinischen Versorgung stoßen gleichgeschlechtliche Paare und insbesondere trans*- und intergeschlechtliche Menschen noch immer auf viele Vorurteile und Unwissenheit. Deshalb soll der Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo- und Transfeindlichkeit vor allem die Gesundheit queerer Menschen fördern und dafür im Rahmen einer Lebenslagenstudie mögli­che Verbesserungen im Gesundheitssystem -identifizieren.

Die Situation für LSBTIQ*-Menschen ist international zum Teil sehr besorgniserregend. Ge­rade in autoritär regierten Ländern drohen ihnen harte Strafen und teilweise sogar die Todes­strafe. Schwul, lesbisch oder trans* zu sein, ist noch immer ein nicht zu unterschätzender Fluchtgrund.

Angriffe gegen Menschen mit internationaler Familiengeschichte, mit Fluchterfahrung und be­sonders vulnerable Gruppen finden auch in Nordrhein-Westfalen statt. Deshalb ist es wichtig, die Lebenslage der Gruppe der geflüchteten und migrantischen LSBTIQ*-Menschen zu erfah­ren.

Als Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN ist es uns ein besonderes Anliegen, allen Men­schen ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und die Vielfalt un­serer Zivilgesellschaft zu fördern.

I. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest,

  • dass Nordrhein-Westfalen ein weltoffenes Bundesland und die Vielfalt der nordrhein-westfälischen Gesellschaft eine Bereicherung ist.
  • dass alle Menschen in unserem Land ihre Potenziale entfalten können sollen.
  • dass eine besondere Ausweisung queerfeindlicher Verbrechen in der Kriminalitätsstatis­tik des Landes Nordrhein-Westfalen zu begrüßen ist, um zu überprüfen, in welchem Aus­maß LSBTIQ*-Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vermehrt Opfer von Ge­waltverbrechen werden.
  • dass die Finanzierung kleiner ehrenamtlich organisierter Christopher-Street-Days sei­tens der Landesregierung einen wichtigen Schritt für mehr Sichtbarkeit und Sicherheit der queere Community bedeutet.
  • dass für eine Verbesserung der Situation für LSBTIQ*-Menschen im Pflege- und Ge­sundheitssystem ihre besonderen Bedürfnisse besser erforscht werden müssen.
  • dass LSBTIQ*-Menschen mit internationaler Familiengeschichte und Fluchterfahrung andere Schutzbedarfe haben und besondere Bedürfnisse bei der Integration aufweisen.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,

  • eine Lebenslagenstudie in Auftrag zu geben, welche die Datenbasis zur Gesundheit und sozialen Situation von LSBTIQ*-Menschen in Nordrhein-Westfalen erfasst.
  • bei der Befragung der queeren Community besonders auf folgende Bereiche einzuge­hen:
  • Diskriminierung, Gewalterfahrungen und Sicherheit
  • Medizin, Gesundheit und Pflege
  • Integration, Migration und Flucht
  • den Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo- und Transfeindlichkeit auf dieser erweiter­ten Datenbasis weiterzuentwickeln und diesen in allen Ministerien umzusetzen und als Querschnittsaufgabe dauerhaft zu verankern.