Das Gift vom Acker holen – Keine weitere Zulassung von Glyphosat!

Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN

Portrait Norwich Rüße

I.         Vorsorgeprinzip jetzt anwenden
Seit mehr als zwei Jahren wird über die erneute Zulassung des weit verbreiteten Pestizids Glyphosat auf europäischer Ebene beraten. Die von Ländervertreter*innen in Brüssel geplanten Abstimmungen über eine weitere Zulassung sind mehrfach und zuletzt am 27.10.2017 im zuständigen EU-Fachausschuss aufgrund der fehlenden Mehrheit für den Kommissionsvorschlag gescheitert. Der aktuelle vorliegende Kompromissvorschlag der EU- Kommission sieht eine Erneuerung der Genehmigung für fünf Jahre vor, anstatt- wie ursprünglich geplant – für zehn Jahre.
Einzelne EU-Mitgliedsländer wie Schweden, die Niederlande, Italien und Frankreich haben sich bereits deutlich gegen eine Neuzulassung ausgesprochen. Die bisherige Stimmenthaltung Deutschlands hinsichtlich der Genehmigungserneuerung, resultiert aus den unterschiedlichen Positionierungen von Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium. Diese Unentschlossenheit der Bundesregierung gilt es endlich zu überwinden, dies wäre ein wichtiger Schritt zum Schutz der Biodiversität und zur Ausgestaltung des Vorsorgeprinzips im gesundheitlichen Verbraucherschutz.
Das Vorsorgeprinzip kann umweltschützendes staatliches Handeln legitimieren oder sogar gebieten. Dies gilt gerade in Situationen der Ungewissheit, in denen die Folgen eines Tuns für die Umwelt wegen unsicherer oder unvollständiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht endgültig eingeschätzt werden können. Weder sind die gravierenden Wissenslücken über Glyphosat in der Lebensmittelkette geschlossen, noch ist der wissenschaftliche Streit zu gesundheitlichen und ökologischen Gefahren abschließend geklärt. Da sowohl ein Verbot als auch die weitere Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat auch für Nordrhein- Westfalen weitreichende Folgen hätte, ist eine Positionierung der Bundesregierung aus Gründen des vorsorgenden Gesundheits- und Umweltschutzes in dieser Angelegenheit dringend erforderlich.

II.       Biodiversität schützen und Pestizide regulieren

Eine der aktuell wichtigsten Langzeitstudien zum Insektensterben in Deutschland lieferte erst kürzlich im Oktober 2017 alarmierende Zahlen. Für die Ergebnisse der Studie „More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas“, wurden zahlreiche wissenschaftlichen Daten aus den Jahren zwischen 1989 und 2015 zusammengetragen. Die Ergebnisse sind erschreckend, sie belegen einen Rückgang von 75 Prozent an Biomasse bei Fluginsekten, insbesondere Artengruppen wie Schmetterlingen, Wildbienen und Nachtfaltern sind stark betroffen. Sowohl seltene Arten als auch die gesamte Insektenvielfalt sind rückläufig, was wiederrum eine Bedrohung für Biodiversitäten, Ökosysteme und Ökosystemleistungen darstellt. Eine der Hauptgründe für das massive Insektensterben ist der starke Einsatz von Herbiziden und Pestiziden in der intensiven Landwirtschaft. Um das Insektensterben aufzuhalten, gilt es den Pestizideinsatz insgesamt deutlich zu reduzieren.
Bis heute müssen Landwirtinnen und Landwirte, die in oder an Schutzgebieten Landwirtschaft betreiben, den Naturschutzbehörden weder die Wirkstoffe noch die Menge der eingesetzten Pestizide mitteilen. Das verdeutlicht, dass der „Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden“ (Richtlinie 2009/128/EG) der Europäischen Union nur unzureichend umgesetzt wird. Das gegenwärtige Verfahren ist intransparent und weist deutliche Defizite in der Praxis auf. Um zukünftig bei Untersuchungen besser feststellen zu können, welche Art von Wirkstoffen, in welchem Umfang über welchen Zeitraum angewendet wurden, müssen Naturschutzbehörden und Wissenschaftler*innen die Daten über Pestizideinsätze zugänglich gemacht werden.
Die Debatte um die Genehmigungserneuerung für Glyphosat zeigt deutlich die Notwendigkeit einer Reform der EU-und länderspezifischen Zulassungsverfahren für Pestizide. Zum einen sind zwingend die Wirkungen für typische Ökosysteme in die Prüfverfahren realitätsnah mit einzubeziehen. Dazu zählt beispielsweise die Berücksichtigung einer Toxizitätsüberprüfung von Tankmischungen und Mittelkombinationen. Eine wirksame Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln kann nur durch die Entwicklung einer ambitionierten Pestizidminderungsstrategie zum Schutz der menschlichen Gesundheit und unser Ökosystem erzielt werden.
Auch in privaten Haushalten und Gärten kommen Pestizide, wie beispielsweise Glyphosat, vermehrt zum Einsatz. Gründe dafür sind das niederschwellige Angebot, der einfachen Erwerb im Gartencenter oder im Online-Handel und der oftmals günstige Erwerbspreis. Während hingegen die öffentliche Hand zunehmend pestizidfrei agiert, bestehen für privaten Haushalte bislang keine Nutzungsvorschriften, die den Einsatz und die Menge von Pestiziden regulieren. Daher gilt es bei der Erstellung einer Pestizidminderungsstrategie auch im privaten Bereich den Einsatz von hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln zu berücksichtigen, so dass Anwendung und der Zugang zukünftig allein geschultem Fachpersonal obliegen.

Der Landtag stellt fest:

  • dass eine menschliche Gesundheitsgefährdung durch den Einsatz von Glyphosat nicht abschließend wissenschaftlich geklärt ist und daher kein Risiko ausgeschlossen werden kann;
  • dass in der Abwägung, dem Umwelt- und Gesundheitsschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen eingeräumt werden soll;
  • dass das dokumentierte Insektensterben auf einen massiven und unkontrollierten Einsatz von Pestiziden und Herbiziden zurück zu führen ist;

III.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf

sich aus Gründen des vorsorgenden Gesundheits- und Umweltschutzes gegenüber der Bundesregierung gegen eine Zulassungserneuerung von Glyphosat auf europäischer Ebene einzusetzen;

  • sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, ein Szenario für einen zeitnahen Ausstieg aus der Nutzung von Glyphosat für alle europäischen Länder zu entwickeln;
  • sich auf bundes- und europapolitischer Ebene für die Entwicklung einer Pestizidminderungsstrategie einzusetzen, die den Einsatz der Pestizide in der Masse und in der Toxizität reguliert, kontrolliert und langfristig reduziert;
  • sich für ein transparenteres Genehmigungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln einzusetzen und Naturschutzbehörden und Wissenschaftler*innen Daten über Pestizideinsätze zugänglich zu machen;
  • den Verkauf von Pestiziden auf Fachhändler*innen mit entsprechend geschultem Personal zu beschränken und den Onlinehandel zu unterbinden;
  • die Anwendung von Pestiziden auf ein entsprechend ausgebildetes Fachpersonal zu begrenzen, wie z.B. Landwirt*innen oder Gärtner*innen.