Breites Bündnis gegen Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der FDP und der Fraktion der Piraten

I.

Die Bekämpfung des funktionalen Analphabetismus ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Von den erwerbsfähigen Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren können laut wissenschaftlichen Studien 14,5 % der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland zwar einzelne Sätze lesen und schreiben, jedoch keine zusammenhängenden Texte verstehen oder selbst verfassen. Der auch in Nordrhein-Westfalen hohe Bevölkerungsanteil von bis zu 1,5 Millionen Erwachsenen mit entsprechendem Weiterbildungsbedarf erfordert zusätzliche Anstrengungen.
Die betroffenen Menschen sind weitgehend vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und haben bei steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt ein hohes Arbeitsplatzrisiko. Für die Gestaltung von Bildungsbiografien im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens bedeutet dies, diese Menschen nicht zurückzulassen und Chancengleichheit herzustellen, ihnen Wege zu selbstbestimmter Existenzsicherung und Teilhabe zu ermöglichen. Auch der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel erfordern es, alle Möglichkeiten für ihre Nachqualifizierung auszuschöpfen.
Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen hat einen Schulabschluss erreicht und verfügt dennoch nicht über ausreichende Lese- und Rechtschreibkenntnisse. Dies verweist auf vielfältige Ursachen und daher erfordert die Bekämpfung des Analphabetismus neben einer breiten gesellschaftlichen Sensibilisierung auch die Zusammenarbeit und Mitwirkung von Kommunen, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Arbeitsagenturen, Weiterbildungsträgern, Kirchen, Bibliotheken und weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft. Dies verdeutlicht jedoch auch, dass die präventiven Anstrengungen kontinuierlich verstärkt werden müssen, um das Entstehen von funktionalem Analphabetismus möglichst zu verhindern. Daher richtet sich der Auftrag zur Vermeidung des funktionalen Analphabetismus neben den vielfältigen zivilgesellschaftlichen Akteuren insbesondere auch an alle Bildungseinrichtungen.
Zahlreiche Initiativen, Bildungsträger und insbesondere die Volkshochschulen leisten mit ihrem Engagement für die Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener bereits jetzt einen erheblichen Beitrag. Nordrhein-Westfalen hat durch die seit 2011 verbesserte Landesförderung nach dem Weiterbildungsgesetz und zusätzliche Mittel des europäischen Sozialfonds die Finanzierung von Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten verbessert. Im Rahmen der Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung des Bundes und der Empfehlung der Weiterbildungskonferenz 2012 folgend, hat die Landesregierung den Landesverband der Volkshochschulen als Koordinierungsstelle solcher Angebote benannt.
Die bisherigen Angebote können den Bedarf für nachqualifizierende Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote bei weitem nicht decken. Eine besondere Herausforderung ist es, die betroffenen Menschen in ihrem Umfeld zu erreichen und ihnen mit einem passenden Angebot den Zugang zur Weiterbildung ermöglichen.

II.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf:

  1. die Anstrengungen aller Bildungseinrichtungen zu verstärken, um das Entstehen von funktionalem Analphabetismus so weit wie möglich zu verhindern;
  2. eine gemeinsame Initiative mit allen gesellschaftlichen Akteuren wie z. B. Kommunen,Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Arbeitsagenturen, Weiterbildungsträgern, Kirchen, Bibliotheken und weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft, um eine breite Öffentlichkeit für das Problem des Analphabetismus zu sensibilisieren und gemeinsam Strategien einer nachhaltigen Bekämpfung zu verabreden;
  3. die bestehenden Möglichkeiten der Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung bestmöglich auszuschöpfen;
  4. in der ESF-Förderperiode 2014 – 2020 den für das Thema Grundbildung eigenen Förderbereich fortzuführen, die Angebote zur Alphabetisierung und Grundbildung bedarfsgerecht auszubauen und hierbei die unterschiedlichen sozio-kulturellen Lebens- und Lernausgangslagen, die dem Analphabetismus zugrunde liegen können, zu berücksichtigen;
  5. das Thema Alphabetisierung in der Lehreraus- und Fortbildung stärker zu verankern;
  6. auch im Übergangssystem Schule-Beruf Maßnahmen für die Alphabetisierung jugendlicher und junger Erwachsener auszuweisen und dafür die Zusammenarbeit zwischen Volkshochschulen und anderen Weiterbildungseinrichtungen zu fördern;
  7. den Zugang zu Weiterbildung erleichtern und dafür erfolgreiche Weiterbildungsangebote und Ansprache- und Beratungsformen zu bündeln und ihre Weiterentwicklung zu fördern. Hierbei sollten insbesondere die Angebote adressatengerechter gestaltet werden;
  8. dem zuständigen Fachausschuss gemeinsam mit den Vertretern der Weiterbildungsträger im Rahmen der Weiterbildungskonferenz über die Entwicklungen zu berichten.