I. Ausgangslage
Die coronabedingte große Herausforderung im Bildungswesen bringt das Bildungssystem in eine noch nie da gewesene Krise. Die Schule ist nicht nur Lernraum, sondern neben dem Elternhaus auch ein zentraler Lebensraum. Deshalb müssen die Schulen in diesen Zeiten besonders in den Blick genommen werden. Bildungsgerechtigkeit und Gesundheitsschutz müssen dabei konsequent zusammen gedacht werden. Wir benötigen einen verbindlichen Rahmen und pädagogische Freiheit, um krisenfeste Lernräume zu gewährleisten.
Die regionalen, dynamischen Entwicklungen und die unterschiedliche, jeweilige Ausgangslage der Schulen in Bezug auf die Bedarfe der Schülerinnen und Schüler, die vorhandene Ausstattung, die konzeptionellen Vorbereitungen bedingen unterschiedliche Antworten.
Der von der Ministerin verkündete Regelunterricht hat sich längst als potemkinsches Dorf entpuppt: Individuelle Quarantänen oder (Teil-)Schulschließungen unterbrechen den Schulbesuch und das Lernen in der Realität immer häufiger. Schon die Infektionsschutzmaßnahmen gemäß der A-H-A-Regeln erfordern viel Aufwand und knabbern die Unterrichtzeit an. Die neuen Lüftungsregeln mit allen Implikationen bringen zusätzliche Unterbrechungen in den Unterricht.
Zur Sicherung der Bildungsabschlüsse müssen die Formate der Leistungsbewertungen und Leistungsfeststellungen auf den Prüfstand, Aufgabenpools sind zu erweitern. Die Schulen benötigen eine organisatorische und pädagogische Freiheit. Dazu gehören u.a. die Aufhebung von äußeren Fachleistungsdifferenzierungen, Lernen in integrierten Fächern (z. B. Naturwissenschaften), Epochen- und Blockunterricht.
Schichtmodelle, rollierender Unterricht, hybride Unterrichtsorganisation müssen ebenso möglich sein, wie die Schulen auf der anderen Seite gewährleisten müssen, dass Kindern adäquate Lernräume und Lernbegleiter zur Verfügung stehen, wenn das in der häuslichen Umgebung nicht geleistet werden kann.
Den Bedarfen von Kindern mit Behinderungen muss ebenso Rechnung getragen werden.
Schulen, die alternative Organisationsformen anwenden wollen, sollten nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, sondern von den Bezirksregierungen unterstützt werden.
Damit Abstände auch im Schülerverkehr eingehalten werden können, sollten die Schulanfangszeiten weiter entzerrt und flexibilisiert werden.
Die Landesregierung ist gefordert, Materialien für das digitale Lernen schneller zugänglich zu machen. Die Potenziale von Open Educational Resources (OER) müssen stärker genutzt werden. Die systematische Nutzung der Möglichkeiten des Distanz- und Hybridlernens bieten auch die Möglichkeit, Schülerinnen und Schülern, die aus anderen als Pandemiegründen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, den Zugang zu Bildung offen zu halten.
Gleichsam gilt es, weitere personelle Unterstützung und Entlastungsmöglichkeiten für die Schulen in der Lernunterstützung von Schülerinnen und Schülern zu erschließen.
Zivilgesellschaftliche Akteure wie Teach First haben ihre Bereitschaft zur Unterstützung angeboten. Lehramtsstudierende, denen zum großen Teil Nebenjobs verloren gingen, wären sicher bereit, in Schulen zu arbeiten
Gleiches gilt auch für Schulleitungen. Sie leisten zur Zeit Enormes, haben vielfach die letzten Ferien durchgearbeitet und bewegen sich längst im Grenzbereich des Machbaren. Sie benötigen nicht nur die Unterstützung durch eine Schulverwaltungsassistenz. Sie brauchen Möglichkeiten kurzfristig auf Vertretungslehrkräfte und weiteres unterstützendes Personal – zurückgreifen zu können, auch um Maßnahmen des Infektionsschutzes umzusetzen sowie und die Freiheit, pädagogische Konzepte umsetzen zu können.
Im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes gilt es ferner, Anlauf- und Beratungsstellen auf der Ebene der Bezirksregierungen für Eltern und Lernende einzurichten. Eltern sowie Schülerinnen und Schüler fühlen sich oft mit ihren Ängsten und Nöten allein gelassen. eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle kann diese Sorgen und Nöte aufnehmen und dem Ministerium systemische Regelungsbedarfe mitteilen.
II. Der Landtag stellt fest:
Die Schulen in NRW und die Schulträger benötigen organisatorische und pädagogische Freiheiten, um den Schulbetrieb und ausreichenden Gesundheitsschutz besser sicherstellen zu können.
Das Land Nordrhein-Westfalen muss seiner Aufgabe nachkommen, die die Kanzlerin bei der Vorstellung des gemeinsamen Beschlusses von Bund und Ländern deutlich formuliert hat.
Kitas und Schulen sollen geöffnet bleiben «wünschenswerterweise mit verbesserten Hygienekonzepten». Über verbesserte Schutzmaßnahmen sollen die Länder entscheiden.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein Gesamtkonzept mit folgenden Eckpunkten vorzulegen:
1. Mehr Flexibilität in der Leistungsbewertung und den Prüfungsbedingungen zu ermöglichen
2. für zusätzliche Lernunterstützung z. B. durch Studierende zu sorgen
3. in jeder Bezirksregierung eine zentrale Beratungsstelle für Eltern und Schülerinnen und Schülern einzurichten
4. den Schulen mehr Flexibilität in der Unterrichtsorganisation zu ermöglichen und sie dabei durch die Bezirksregierung zu unterstützen
5. Schutzmaßnahmen in der Schülerbeförderung zu erlassen.
6. zusätzliche Räume im schulischen Umfeld für den Unterricht zu erschließen.