Betreuungsgeld abgeschafft: Freiwerdende Mittel für frühkindliche Bildung verwenden!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Ausgangslage
Das Betreuungsgeld wurde 2012 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung verabschiedet und trat im August 2013 in Kraft. Diese Geldleistung wurde Eltern unterdreijähriger Kinder gewährt, die diese nicht in einer Tageseinrichtung für Kinder, sondern Zuhause betreuten. Zahlreiche Fachleute aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft kritisierten, dass gerade die Kinder, die am meisten von der frühkindlichen Bildung profitieren, die Kindertageseinrichtung nicht in Anspruch nehmen würden. Deshalb war das Betreuungsgeld für die Frauen-, Gleichstellung- und Bildungspolitik ein fatales, rückwärtsgewandtes politisches Instrument.
Die geäußerten Befürchtungen wurden durch die Ergebnisse einer Studie des Forschungsverbunds Deutsches Jugendinstitut/TU Dortmund im Jahre 2014 bestätigt. Das deutsche Jugendinstitut untersuchte, welchen Einfluss das Betreuungsgeld auf die Betreuungsentscheidung der Eltern hat. Das Fazit ist eindeutig: „Alles  in  allem  zeigen  die  vorliegenden  Analysen,  dass  die  Befürchtungen,  wonach  das  Betreuungsgeld zu einer sozial ungleichen Inanspruchnahme von frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung beiträgt, gerechtfertigt scheinen. Geht man von der gut belegten Annahme aus, dass der Bildungsstatus und der Erwerbsstatus der Eltern auch Indikatoren für die ökonomische Situation der Familie darstellen, dann ist das Betreuungsgeld vor allem für Familien attraktiv, die in einer ökonomisch deprivierten Situation leben oder möglicherweise von Arbeitslosigkeit betroffen oder bedroht sind. Hinzu kommt der Befund, wonach Familien 
mit Migrationshintergrund eher Betreuungsgeld in Anspruch nehmen und dafür auf ein Angebot frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung verzichten. Dies ist insofern kritisch zu betrachten, als dass vor allem für Kinder aus Familien, deren Umgangssprache eine andere als die deutsche Sprache ist, die Kindertagesbetreuung ein wichtiger Ort zum Erlernen der Zweitsprache Deutsch darstellt und damit der Vorbereitung auf die Schule und als Einstieg in eine gelingende Bildungsbiografie dient.“ Durch das Betreuungsgeld wurden so falsche Anreize gesetzt und nicht die „Wahlfreiheit“ der Eltern gestärkt.
Gute Bildung von Anfang an leistet einen wichtigen präventiven Beitrag gegen die Folgen von Armut. In Deutschland wachsen 2,6 Millionen Kinder unter 15 Jahren (24%) in einer Familie auf, die armutsgefährdet ist oder Leistungen der Grundsicherung (SGB VIII) bezieht. Die soziökonomischen Merkmale haben leider immer noch einen großen Einfluss auf die Zukunft der Kinder. Mit Armutserfahrungen gehen oft schlechtere Bildungschancen einher. Eine qualitativ gute Elementarbildung ist wesentlich um Kindern Chancengleichheit zu ermöglichen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Betreuungsgeld sei in seiner jetzigen Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und somit verfassungswidrig, ist vor diesem Hintergrund sehr zu begrüßen. Die freiwerdenden Mittel müssen den Kindertageseinrichtungen zukommen. Die ankündigte Entscheidung des Bundesfinanzministers Schäuble, das Geld für andere staatliche Ausgaben zu verwenden ist inakzeptabel. Statt die Chance zu ergreifen und in die Zukunft der Kinder zu investieren, will Schäuble die Mittel verwenden, um seinen Haushalt auszugleichen.
Durch den Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren und mit enormen Anstrengungen der Länder und Kommunen ist der KITA-Ausbau vorangetrieben worden. Der Bund muss jetzt den Ländern weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um die frühkindliche Bildung zu stärken. Durch die freiwerdenden Mittel des Betreuungsgeldes könnten in NRW bereits in diesem Jahr erhebliche Mittel für die frühkindliche Bildung zur Verfügung stehen.
Der Landtag

  • bekräftigt seine Ablehnung des Betreuungsgeldes,
  • begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Betreuungsgeld in seiner jetzigen Form als nicht vereinbar mit dem deutschen Grundgesetz zu erklären,
  • stellt fest: Investitionen in die frühkindliche Bildung tragen zu Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in unserer Gesellschaft bei,
  • fordert die Bundesregierung auf, die durch die Abschaffung des Betreuungsgeldes  freiwerdenden Mittel ausschließlich für die frühkindliche Bildung zu verwenden und die freiwerdenden Mittel des Betreuungsgeldes den Bundesländern für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen,
  • fordert die Landesregierung auf, die durch die Abschaffung des Betreuungsgeldes freiwerdenden Mittel für die frühkindliche Bildung in Nordrhein-Westfalen zu verwenden.