Bessere Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Startups schaffen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage

Die KfW-Bank zählte für das Jahr 2019 rund 70.000 Startups in Deutschland1. Die Startup-Landschaft in Nordrhein-Westfalen hat sich gut entwickelt. Gemessen an den Rückmeldungen zum Deutschen Startup Monitor 2020 kommt knapp ein Fünftel der Startups aus Nordrhein-Westfalen. Die Metropolregion Rhein-Ruhr ist seit jeher neben Berlin, München und Hamburg ein Startup-Hotspot.2 Von Startups geht ein enormes Innovationspotenzial aus. Mit ihren Ideen und Geschäftsmodellen treiben sie nicht nur die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft voran, sie können auch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Pariser Klimaziele zu errei­chen und soziale Herausforderungen zu bewältigen.

Ein zentraler Erfolgsfaktor für Startups sind ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als wichtige Quelle für die Ideenfindung und Innovationen im Unternehmen arbeiten sie gemeinsam mit den Gründerinnen und Gründern daran, ihre Ziele zu erreichen und das Startup zum Erfolg zu führen. Die Gewinnung von Fachkräften kann nur gelingen, wenn Startups als attraktive Ar­beitgeber überzeugen können.

Einer aktuellen Umfrage des Digital Innovation Hub Düsseldorf/Rheinland zufolge ist die Rek­rutierung von Personal für das Unternehmenswachstum für fast die Hälfte und die Mitarbeiter­bindung für mehr als ein Drittel der befragten Startups eine große Herausforderung.3 Diesen Startups ist eine gute Mitarbeiteranbindung demnach wichtiger als die Beschaffung von Wag­niskapital oder ein hoher Aufwand für Produktentwicklung und -skalierung.

Grund hierfür ist, dass Fachkräfte stark umworben sind. Im Wettbewerb um qualifizierte Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter konkurrieren Startups in Deutschland mit etablierten Unternehmen, der Wissenschaft und ausländischen Startups. Dabei haben sie gerade in ihrer Wachstums­phase geringere finanzielle Ressourcen. Diese Voraussetzungen sind ein Nachteil im Wettbe­werb um Fachkräfte.4

Für Startups sind Mitarbeiterbeteiligungen (Employee Stock Ownership Plan, ESOP) ein wich­tiges Instrument der Mitarbeiterbindung. Für Gründerinnen und Gründer sind sie ein bewährtes Mittel, um Wettbewerbsnachteile ausgleichen zu können. Die Mitarbeiterbeteiligung stärkt die

Identifikation mit dem Startup und seinen Unternehmenszielen und ist gleichzeitig eine Aner­kennung der persönlichen Leistungen.

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme garantieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Verkauf des Unternehmens am finanziellen Erfolg teilhaben zu können. Die Arbeit bei einem sehr jun­gen Unternehmen ist für Fachkräfte ein Einkommensrisiko, das durch die Aussicht auf einen Gewinn bei Verkauf des Unternehmens ausgeglichen wird. Eine Studie des Bundesverband Deutsche Startups zeigt, dass aktuell mehr als die Hälfte der Startups Mitarbeiterbeteiligungs-programme anbietet. Gäbe es bessere Rahmenbedingungen, wären es rund 90 Prozent.5

Als größte Hemmnisse sehen gut die Hälfte der Gründerinnen und Gründer, Mitarbeitenden sowie Investorinnen und Investoren die rechtlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbetei­ligungen in Deutschland. Verantwortlich dafür sind ungünstige Steuersätze und der Zeitpunkt der Besteuerung.6 Durch die schlechten Rahmenbedingungen belegt Deutschland im interna­tionalen Vergleich einen der hinteren Plätze.

In einem offenen Brief von Januar 2019 haben erfolgreiche europäische Startup-Unternehme-rinnen und -unternehmer auf die rechtlichen Hürden bei der Mitarbeitergewinnung hingewie-sen.7 Sie forderten, das Instrument der Mitarbeiterbeteiligung zu reformieren. Die bestehenden Regelungen seien veraltet, ineffektiv und würden viele Unternehmen von Mitarbeiterbeteili­gungen abhalten. Das führe dazu, dass schnell wachsende Startups Gefahr liefen, die stei­gende Zahl von benötigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr gewinnen zu können.

Am 22. April 2021 hat der Bundestag dem Regierungsentwurf für ein „Fondsstandortgesetz“ zugestimmt. Am 1. Juli 2021 soll das Gesetz in Kraft treten. Darin werden die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen neu geregelt. Branchenverbände wie der Bundesverband Deutsche Startups oder der Digitalverband Bitkom kritisieren jedoch die Neu­regelung massiv. So spricht der Startup-Verband von einem „Placebo“ und kritisiert, dass die neuen Regelungen keine Verbesserungen für Startups bringen.8 Laut Bitkom gehen die Än­derungen „an den Bedürfnissen der allermeisten Startups und ihrer Mitarbeiter vorbei“.9

So wird die sogenannte „dry income“-Problematik, die aktuell ein maßgeblicher Hinderungs­grund für die Mitarbeiterbeteiligung ist, leider nur halbherzig angegangen. Zwar sollen künftig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Anteile nicht mehr bereits bei der Überlassung versteuern müssen, wie es bisher der Fall ist, auch wenn sie daraus noch gar keine Einnahmen erzielen konnten. Bei einem Arbeitgeberwechsel oder nach Ablauf der im Gesetz vorgesehenen Frist von zwölf Jahren bleibt die Problematik aber unverändert bestehen. Die Gefahr besteht wei­terhin, dass für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Steuern schon anfallen, bevor eventuelle Einnahmen aus dem Verkauf der Anteile entstehen. Auch der Freibetrag bleibt weiterhin weit hinter den Regelungen in anderen Ländern und hinter dem eigentlich notwendigen Betrag von mindestens 5.000 Euro zurück.

Darüber hinaus können Mitarbeiterbeteiligungen auch zu einer sich selbst bestärkenden Startup-Landschaft beitragen. Die relevanten Ausschüttungen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen können zu Reinvestitionen in Startups führen, entweder als Business Angels oder als Startkapital für eigene Startups. Hierdurch kann ein Investitionskreislauf entstehen, der zusätzliche Innovationspotenziale freisetzt.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Startups stehen im nationalen und internationalen Wettbewerb um Fachkräfte. Um die Po­sition der Startups in diesem Wettbewerb zu stärken, müssen die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen so weiterentwickelt werden, dass der Startup-Standort Deutsch­land im internationalen und europäischen Vergleich aufschließt.
  2. Es bestehen weiterhin gewichtige Hürden für Mitarbeiterbeteiligungen in Startups. Der Bundesrat muss nun notwendige Nachbesserungen erwirken.

III. Der Landtag beschließt:

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich im Bundesrat für folgende Nachbesserun­gen am Fondsstandortgesetz einzusetzen:

  1. Der steuerliche Freibetrag von Mitarbeiterbeteiligungen in Startups ist auf 5.000 Euro zu erhöhen,
  2. Die Frist für die nachgeholte Besteuerung ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung der An­teile (beim Exit) festzulegen,
  3. Es ist zu prüfen, wie die steuerlichen Rahmenbedingungen für Virtual Stock Option Plans (VSOP) für Startups verbessert und dabei gleichzeitig die Mitarbeitermitbestimmung ge­sichert werden kann.
  4. Die Reinvestitionsklausel nach § 6b Absatz 10 EStG ist zu verbessern, um steuerliche Anreize zu setzen, aus veräußerten Beteiligungen frei gewordenes Wagniskapital leichter in andere junge, innovative Unternehmen investieren zu können.

 

1 https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Aktuelles/Pressemitteilungen-Details_610304.html

2 https://deutschestartups.org/wp-content/uploads/2020/12/NRW-Startup-Monitor-2020.pdf

3 https://assets.website-files.com/5dcd2fb55095d01cdae7542e/602bd0e9485f4b553475faa0_digihub%20Stu-die_Digital%20Scale-ups%20im%20Rheinland_final.pdf

4 www.pwc.de/de/startups/pwc-studiestartups-in-deutschland-2018.pdf

5 https://deutschestartups.org/wp-content/uploads/2020/06/ESOPasap_Studie.pdf

6 https://deutschestartups.org/wp-content/uploads/2020/06/ESOPasap_Studie.pdf

7 https://notoptional.eu/

8 https://deutschestartups.org/2021/04/21/pressemitteilung-fondsstandortgesetz/

9 https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Mitarbeiterbeteiligung-in-Startups-Zu-kleine-Schritte