Ausbildungsverträge in der Corona-Pandemie: Wie gelingt die Unterstützung von Auszubildenden?

Kleine Anfrage von Josefine Paul und Mehrdad Mostofizadeh

Portrait Josefine Paul
Mehrdad Mostofizadeh

Der Einbruch der Ausbildungszahlen, insbesondere der aktuell geschlossenen Ausbildungsverträge in den Pandemiemonaten ist besorgniserregend. Die duale Ausbildung in NRW, gemeinhin als Erfolgsmodell geschätzt, droht vor dem Hintergrund der ohnehin aufgrund der fortschreitenden Akademisierung, des demographischen und strukturellen Wandels schwierigen Ausgangslage, nach fast 14 Monaten Corona-Pandemie, weiter zu straucheln. Das Bundesamt für Statistik bezeichnet diesen Einbruch sogar als einzigartig1.

In NRW wurden Ende 2020 ca. 103.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen, was im Vergleich zum Vorjahr einem Minus von 11% entspricht2. Zwar ist der Einbruch im ganzen Bundesgebiet zu beobachten und NRW hat absolut noch die meisten Ausbildungsabschlüsse vorzuweisen, doch trotzdem liegt der Einbruch über dem Bundesdurchschnitt (-9,4%).

Die Auswirkungen unterscheiden sich zwischen Regionen und Branchen stark. Während in einigen Regionen ein Überschuss an unversorgten Auszubildenden besteht, klagen in anderen Regionen Ausbildungsbetriebe über zu wenige Bewerberinnen und Bewerber. Allein in landwirtschaftlichen Berufen hat sich 2020 die Zahl an Auszubildenden erhöht (+0,4%) und es wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr neue Ausbildungsverträge (+3,6%) geschlossen (ebd.). Andere Branchen verzeichnen hingegen große Einschnitte sowohl bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen (Industrie und Handel -11,9%; Hauswirtschaft -9,6%), als auch bei der Anzahl an Auszubildenden (Industrie und Handel -4,2%, Hauswirtschaft – 5,2%) (ebd.).

Die Gründe für die kritische Lage am Ausbildungsmarkt sind laut Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), vielfältig: zur Problematik des oben beschriebenen „mismatchs“ von Ausbildungsbetrieben und Ausbildungsbewerberinnen und – bewerbern erschwert die Pandemie für Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Praktika oder Ausbildungsmessen zur Berufsorientierung zu absolvieren. Auch digitale Formate können diese Problematik nicht vollends auffangen. „In Krisen mit großer Unsicherheit verstärkt sich die Neigung, sich möglichst viele Optionen offenzuhalten“, sagt Fitzenberger. „Die duale Berufsausbildung, die auf eine ganz spezifische Karriere vorbereitet, verliert deshalb an Attraktivität.“3 Denn mit dem Zögern von angehenden Auszubildenden, sich während der Krise für einen konkreten Ausbildungsberuf zu entscheiden, ist abzusehen, dass sich die Konkurrenz um Ausbildungsplätze im nächsten Jahr verschärft. Damit hätten Jugendliche aus sozial benachteiligten Schichten wiederum schlechtere Chancen.

Auch Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, rechnet mit einer Wiederholung des Einbruchs. Gleichzeitig warnt sie vor der tieferwerdenden sozialen Spaltung: „Die Ausbildungschancen der Jugendlichen hängen noch immer zu sehr von ihrem Schulabschluss, dem Wohnort und dem Pass ihrer Eltern ab. Hier müssen die Arbeitgeber endlich umdenken.“4

Um die Probleme anzugehen, haben Bund und Land bereits einige Ansätze für Ausbildungsbetriebe entwickelt. Der Bund unterstützt z.B. mit seinem Programm „Ausbildungsplätze sichern!“ Ausbildungsbetriebe finanziell. Das Land NRW hat im Rahmen eines Modellprojekts „Kurs auf Ausbildung“ zumindest in zwölf Modellregionen ein Coaching-und Vermittlungsangebot für unversorgte Ausbildungssuchende eingeführt5.

Dennoch sind noch mehr Anstrengungen notwendig, Jugendliche und Betriebe weiter zu unterstützen. Gemäß einer IAB-Studie vom 22. Februar 2021 kannten lediglich 53% der förderberechtigten Betriebe das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“, 55% Betriebe, die förderberechtigt sind, aber keine Förderung beantragt hatten, gaben als Grund „mangelndes Interesse“ an6. Somit bleibt die Frage, ob die bisherigen Programme ausreichend bekannt und überzeugend genug sind, damit Betriebe weiterhin Ausbildungsplätze anbieten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie viele Schulabgängerinnen und Schulabgänger in NRW haben 2020 weder eine Arbeit aufgenommen, noch eine duale oder schulische Ausbildung bzw. Studium oder Freiwilliges Soziales Jahr oder eine sonstige Bildungsmaßnahme angefangen und sind damit aktuell unversorgt (bitte nach einzelnen Regionen aufschlüsseln)?
  2. Inwieweit plant das MAGS ein Coaching- und Vermittlungsangebot für unversorgte Auszubildende flächendeckend für das gesamte Bundesland auszurollen?
  3. Mit welchen Fördermitteln unterstützt die Landesregierung weitere Projekte, um die berufliche Orientierungsphase von Schulabgängerinnen und Schulabgängern anzustoßen?
  4. Inwieweit wurden von Ausbildungsbetrieben in NRW Gelder aus dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ beantragt (bitte in Relation zu anderen Bundesländern angeben und nach Kommunen, Branchen, Umfang und Art der Förderung aufschlüsseln)?
  5. Was tut die Landesregierung, um besonders sozial benachteiligte Jugendliche zu erreichen?

 

1 Zahl der neuen Ausbildungsverträge im Jahr 2020 um 9,4 % gesunken – Statistisches Bundesamt (destatis.de)

2 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/04/PD21_187_212.html

3 https://www.welt.de/wirtschaft/karriere/bildung/article220075286/Duale-Ausbildung-Corona-stellt-Deutschlands-Erfolgsmodell-ins-Abseits.htm 

4 https://www.dgb.de/presse/++co++12e033ba-ad7f-11eb-b28b-001a4a160123

5 https://www.mags.nrw/kurs-auf-ausbildung

6 https://www.iab-forum.de/die-mehrheit-der-foerderberechtigten-betriebe-wird-das-bundesprogramm-ausbildungsplaetze-sichern-nutzen/