Aufruf zur Europawahl 2019: Für ein starkes und vereintes Europa!

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und der GRÜNEN im Landtag

I.         Ausgangslage
Die Wurzeln der Europäischen Union liegen tief in Nordrhein-Westfalen. Vor fast 70 Jahren wurde die Montan-Union an Rhein und Ruhr geboren und gab einen wichtigen Impuls für die EU in ihrer heutigen Form. Auf der Grundlage gemeinsamer Werte und kultureller Vielfalt hat die Europäische Einigung ein friedliches und freies Zusammenleben in Europa ermöglicht. Gerade in der heutigen Zeit ist die EU für uns ein Garant für Frieden, Sicherheit, Wohlstand und Stabilität.
Nordrhein-Westfalen hat von der europäischen Integration wie kaum ein anderes Bundesland profitiert. Der gemeinsame Binnenmarkt, die Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen und die Gemeinschaftswährung Euro sichern den Wohlstand des Export- und Industrielandes Nordrhein-Westfalen. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes können in allen EU-Staaten Schulen besuchen, studieren, arbeiten und ihre Waren und Dienstleistungen anbieten. Diese Errungenschaften gilt es zu bewahren und unter den Vorzeichen einer nachhaltigen Entwicklung weiterzuentwickeln.
Vom 23. bis 26. Mai findet die Europawahl 2019 statt. Die Wahlberechtigten in NordrheinWestfalen können am 26. Mai ihre Stimmen bei der neunten Direktwahl zum Europäischen Parlament abgeben. Der aktuellen Eurobarometer-Umfrage nach ist eine Mehrheit der Europäerinnen und Europäer der Meinung, dass ihre Stimme in der Europäischen Union zählt. In Deutschland sind 70 Prozent dieser Meinung. Auch die Zahl der Europäer, die ein positives Bild von der EU und Vertrauen in sie haben, steigt, ist aber noch ausbaufähig. Europaweit fühlen sich jeweils mehr als 70 Prozent als EU-Bürgerinnen und -Bürger, befürworten die Freizügigkeit in der EU und den Euro als gemeinsame Währung.
Viele aktuelle Herausforderungen und Aufgaben, wie das Eintreten für liberale Demokratien, Rechtstaatlichkeit, sozialen Fortschritt, die Bekämpfung des Klimawandels und der Erhalt der globalen Wettbewerbsfähigkeit lassen sich nicht national lösen, sondern nur in einem gemeinsamen Zusammenwirken der europäischen Partner. . Gleichzeitig könnte die EU in den kommenden Jahrzehnten an Bedeutung verlieren, wenn sie nicht selbstbewusst und geeint diesen Herausforderungen begegnet. Nur gemeinsam kann sich die EU mit ihren derzeit noch 510 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in der globalisierten Welt mit einer Bevölkerung von über 7,6 Milliarden Menschen behaupten. Dabei ist zu bedenken, dass der Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner der EU an der Weltbevölkerung künftig, von heute schon nur noch unter 7 Prozent, weiter abnehmen wird, was die Notwendigkeit eines immer enger zusammenwachsenden Europas nochmal betont. Dieses Europa muss den übrigen Regionen bzw. Staaten der Welt partnerschaftlich und auf Augenhöhe begegnen.
Die Strukturen der Partnerschaften und Kooperationen, die Nordrhein-Westfalen entwickelt und weiterentwickelt hat, vor allem mit den Benelux-Staaten, begründen eine besondere Erfolgsgeschichte. Nordrhein-Westfalen und die Benelux-Staaten bilden mit ihren mehr als 45 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern einen einzigartigen europäischen Lebens- und Wirtschaftsraum, in dem jährlich ein Bruttoinlandsprodukt von fast 1,8 Billionen Euro erwirtschaftet wird.
Dem gemeinsamen europäischen Projekt verdanken wir die längste Friedensperiode in unserer Geschichte. Nie zuvor hat der europäische Kontinent eine vergleichbare Phase der Freheit, des Wohlstandes und auch der Freizügigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger erlebt. All diese Errungenschaften sind wie wohl nie zuvor dem Druck von außen und von innen ausgesetzt. Der Landtag würdigt die Gründung der Europäischen Gemeinschaft und die Überwindung des Nationalismus als existenzielle Voraussetzung für Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa. Die Europäische Union ist bis zum heutigen Tag ein Glücksfall, gerade für uns in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen.
Das Bild der EU wird aber zunehmend getrübt von Populisten. Statt daran zu arbeiten, dass in der Gesellschaft alle Menschen gleichberechtigt und tolerant leben, spalten sie, grenzen gezielt aus indem sie rassistische und menschenverachtende Positionen vertreten und versuchen die EU zur Projektionsfläche für die Ursache fast aller Probleme zu machen. Statt sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Union Probleme löst und sich weiterentwickelt, akzeptieren sie den europäischen Rechtsrahmen nicht. Für diese Europafeinde ist die Abschaffung des Europäischen Parlaments oder sogar der gesamten Europäischen Union ernanntes Ziel.
Der Landtag sieht mit großer Sorge das Handeln und das Anwachsen von rechtspopulistischen sowie rechtsextremen Akteuren in den verschiedenen europäischen Staaten, auch in Deutschland. Darüber hinaus versuchen auch Akteure auf der linken und Parteien auf der linksextremen Seite durch nationalistische Anleihen von dieser Entwicklung zu profitieren. Es liegt in der Verantwortung aller demokratischen Europäerinnen und Europäer zu verhindern, dass rassistische, antidemokratische und extrem nationalistische Positionen (erneut) Einzug in das Europäische Parlament erhalten. Der anstehenden Europawahl kommt daher eine große Bedeutung zu. Die Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlaments muss erhalten bleiben. Alle europapolitischen Akteure müssen sich auf allen Ebenen darum bemühen, dem anti-europäischen Zerrbild, das offene, bunte, Menschen verbindende und vor allem Frieden und Wohlstand sichernde Europa entgegenzusetzen, das wir Tag für Tag erleben.
Gerade vor dem Hintergrund der Gründungsgeschichte der Europäischen Union, die auf der Überwindung des Nationalismus fußt, ist es bedenklich, wenn sich Parteien zur Europawahl aufstellen, die die europäische Einigung rückabwickeln wollen. Diesen Tendenzen muss entschieden entgegentreten werden. Denn Frieden, Sicherheit und Wohlstand in NRW, Deutschland und der EU gründen im besonderen Maße auf dem Zusammenhalt in Europa.
Nordrhein-Westfalen ist auf ein vereintes, demokratisches und soziales Europa , mit einem einheitlichen Rechtsraum, sozialen und ökologischen Mindeststandards und einem gemeinsamen Binnenmarkt angewiesen. Ohne die europäische Integration würden dem Land viele Vorteile entgehen, und es wäre fast schutzlos den globalen Entwicklungen ausgesetzt. Die Werte und Errungenschaften des vereinigten Europas müssen durch eine starke Gemeinschaft verteidigt und fortgeführt werden. Es gibt keine vernünftige Alternative zu einer Politik, die auf das Miteinander der Menschen in Europa setzt und eine Einheit in Vielfalt garantiert.
Durch den wahrscheinlichen Austritt des Vereinigten Königreichs verliert die Europäische Union erstmals einen Mitgliedsstaat. Dies wird ein großer Einschnitt mit noch nicht vollständig absehbaren, aber sicherlich erheblichen Auswirkungen für NRW und die EU insgesamt. Einem weiteren Auseinanderdriften der Gemeinschaft muss durch eine fortschrittliche Weiterentwicklung der Europäischen Union begegnet werden, die den sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit Rechnung trägt und die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger aufgreift. Dem Europäischen Parlament kommt hier eine zentrale Rolle zu. Daher hat die Europawahl 2019 eine herausragende Bedeutung.
Viele Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen engagieren sich ehrenamtlich für ein gemeinsames Europa. Dieses zivilgesellschaftliche Engagement soll weiter unterstützt und gestärkt werden. Parteiübergreifende Zusammenschlüsse wie die Europa Union, die Jungen Europäischen Föderalisten, die Aktivistinnen und Aktivisten von Pulse of Europe sowie viele Bürgerschafts- und Partnerschaftsvereine leisten einen herausragenden und notwendigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des europäischen Gedankens.
II.       Beschlussfassung
1.       Der Landtag bittet alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens, bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 zur Wahl zu gehen und das Stimmrecht effektiv zu nutzen.
2.       Der Landtag unterstützt die Landesregierung und die zivilgesellschaftlichen Akteure, engagiert dazu beizutragen, dass möglichst viele Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen an der Europawahl am 26. Mai 2019 teilnehmen.
3.       Der Landtag unterstützt die Landesregierung und die zivilgesellschaftlichen Akteure, sich auf allen Ebenen für ein vereintes Europa einzusetzen, insbesondere durch lebendige Angebote zum Gedankenaustausch und zur Information für alle Mitmenschen in Nordrhein-Westfalen.
4.       Der Landtag unterstützt die Landesregierung und die zivilgesellschaftlichen Stellen in dem Anliegen, besondere Angebote für jüngere Menschen zu machen, in deren Händen die Zukunft Europas liegt, und für die die europäische Integration selbstverständlicher Teil des täglichen Lebens ist.