Aufnahme der Rheinischen Martinstradition in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO unterstützen

Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP

I.    Ausgangslage

Am 15. Oktober 2017 reichten René H.R. Bongartz (Brüggen) und Jeyaratnam Caniceus (Kempen) den Antrag, die Rheinische Martinstradition als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen, beim zuständigen Referat für Koordination Kulturgremien, Kultur und Recht des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ein. Die Bewerbung wurde durch wiederholte Rücksprache mit dem Lehrstuhl für das immaterielle Kulturerbe an der Universität Paderborn methodisch abgesichert. Beide Antragsteller hatten sich zudem der Unterstützung ihres Anliegens durch die rheinischen St. Martins-Vereine versichert, von welchen 73 Vereine an einer gemeinsamen Veranstaltung am 15. September 2017 in Brüggen-Bracht teilnahmen.
Das UNESCO-Abkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes sieht drei Listen vor:
1.  Repräsentative Liste, 2. Liste des dringend erhaltungswürdigen Kulturerbes und 3. Register guter Praxisbeispiele. Diese drei Listen sollen die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen aus allen Weltregionen in besonderer Weise verdeutlichen. Die Repräsentative Liste, in die künftig die Rheinische Martinstradition aufgenommen werden sollen, stärkt das Bewusstsein für die Tradition und fördert den öffentlichen Dialog über die Bedeutung des Kulturerbes bei gleichzeitiger Achtung der kulturellen Vielfalt.
Der Martinstag wird als Fest des Martin von Tours am 11. November gefeiert. Das Datum des gebotenen Gedenktags im römischen Generalkalender, das sich auch in orthodoxen Heiligenkalendern, im evangelischen Namenkalender und dem anglikanischen Common Worship findet, ist von der Grablegung des Bischofs Martin von Tours am 11. November 397 abgeleitet. Der Martinstag ist in Mitteleuropa von zahlreichen Bräuchen geprägt, darunter das Martinsgansessen, der Martinszug und das Martinssingen.
In vielen Regionen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, in Luxemburg sowie in Ostbelgien, Südtirol und Oberschlesien sind Umzüge zum Martinstag üblich. Bei den Umzügen ziehen Kinder mit Laternen durch die Straßen der Dörfer und Städte. Begleitet werden sie häufig von einem auf einem Schimmel sitzenden Reiter, der mit einem roten Mantel den heiligen Martin als römischen Soldaten darstellt. Häufig wird auch die Schenkung des Mantels, von der die Legende erzählt, an den Bettler nachgestellt. Bei dem Umzug werden Martinslieder gesungen, häufig begleitet von einer oder mehreren Blaskapellen. Die Laternen werden oft vorher im Unterricht der Grundschulen und in Kindergärten gebastelt.
Auch wenn es in den verschiedenen Traditionsformen durchaus deutliche inhaltliche Unterschiede gibt, so zeigt sich gerade darin die Besonderheit der Rheinischen Martinstradition, wobei das „Rheinische“ hier geographisch das Land zwischen Rhein, Maas und dem Eifelvorland meint. Unsere niederländischen Nachbarn haben den besonderen Martinsbrauch der Stadt Utrecht auf nationaler Ebene bereits als immaterielles Kulturerbe anerkannt.
Die heutige Form des Umzuges, bei der Martin als Soldat oder als Bischof mitreitet, entstand ab 1867 im Rheinland, nachdem es schon vorher Lichterzüge in Form von „Lärmumzügen mit Lichtern“ oder als geordnete, von Erwachsenen geleitete Umzüge gab. Das Rollenspiel der „Mantelteilung“ betont den Appell zum mitmenschlichen Helfen, der in Erinnerung an die Martinslegende den teilnehmenden Kindern vermittelt werden soll.
Die Anerkennung als immaterielles Kulturerbe soll zeigen, wie wertvoll und unterstützenswert diese über 150 Jahre alte Tradition ist. Außerdem erhoffen sich die Antragsteller auch einen sensibleren Umgang mit dem Brauch. Die Bewahrung christlicher Traditionen führt zu größerer Toleranz gegenüber denjenigen anderer Religionen, denn das Wissen um die eigene Kultur fördert das Verständnis für andere. Außerdem sollen mit dem Antrag zur Aufnahme in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes die Werte, die Tradition und die Kultur der Rheinischen Martinstradition geschützt werden.

II.  Beschlussfassung

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen teilt die Auffassung der Antragsteller, dass die Rheinische Martinstradition ein schützenswertes immaterielles Kulturerbe ist.
Der Landtag unterstützt ausdrücklich das Anliegen der Antragsteller, die Rheinische Martinstradition als immaterielles Kulturerbe auf nationaler Ebene anzuerkennen.