Der Landesaktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt geht davon aus, dass jährlich in Deutschland zwischen 150 bis 340 Kinder geboren werden, die nicht ins klassische Geschlechtsraster von männlich/weiblich passen. Das heißt, nicht alle geschlechtsbestimmenden Merkmale, wie zum Beispiel Chromosomen oder die äußeren Geschlechtsorgane, sind eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen. Diese Menschen nennt man intersexuell. Medizinisch wird dies selbst im Jahr 2018 noch als Störung der Geschlechtsentwicklung betrachtet.
Viele intersexuelle Menschen werden oftmals dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet und durch meist mehrere Operationen an diese klassischen Geschlechtervorstellungen angepasst. Diese operativen Eingriffe werden häufig in den ersten Lebensmonaten oder -jahren vorgenommen – in aller Regel ohne die Einwilligung der betroffenen Kinder. In den meisten Fällen führt dies zu schweren Traumata. Aufgrund dieser erheblichen Auswirkungen auf das gesamte Leben der Betroffenen, ist es unverzichtbar, dass das Land entsprechende Beratungsstrukturen ausbaut, die intersexuellen Kindern und ihren Eltern von Anfang an zur Seite stehen.
Aus der klassischen „männlich – weiblich“ Geschlechterordnung ergeben sich feste Rollenvorstellungen, bei denen es nicht erstaunt, dass viele intersexuelle Menschen einen tabuisierten Umgang mit der eigenen geschlechtlichen und/oder sexuellen Identität erfahren. Die Bedeutung dessen zeigt sich bereits mit der Eintragung des Geschlechts im Geburtenregister. Bis heute ist dort die Eintragung des Kindes als „weiblich“ oder „männlich“ vorgesehen. Gegen diese fehlende Anerkennung von intersexuellen Menschen hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017 ein Urteil erlassen. Es fordert den Gesetzgeber dazu auf, bis Ende 2018 eine Neuregelung zu schaffen. Dabei wird als mögliche Alternative entweder der generelle Verzicht auf einen Geschlechtseintrag vorgeschlagen oder eine weitere positive Geschlechtseintragung neben den bisherigen Eintragungsmöglichkeiten.
Es bleibt festzuhalten: Ein operativ und sozial verordnetes Geschlecht ist ein fundamentaler Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen wird und intersexuelle Personen nicht weiter gezwungen werden, einen Eintrag als „anders“ oder „weitere“ hinnehmen zu müssen.
Desweitern muss gemeinsam mit den Betroffenen ein Konzept entwickelt werden, wie die Selbsthilfeinfrastruktur gestärkt werden kann. Zusätzlich soll die Forschung zum Thema Intersexualität unterstützt werden, um die bestehenden Wissenslücken zu beseitigen.
Zudem soll die Landesregierung darauf hinwirken, dass Eltern bei der Geburt eines intersexuellen Kindes umfassend über die biologische Besonderheit ihres Kindes aufgeklärt werden. Dabei ist eine psychosoziale Beratung genauso wichtig wie der Kontakt zu Selbsthilfestellen.