Wissenschafts- und Forschungspolitik

Oktober 2012

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
mit der Vorstellung der Schwerpunkte der Wissenschafts- und Forschungspolitik in der 16. Legislaturperiode im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung haben wir parlamentarisch wieder volle Fahrt aufgenommen. Dabei ist eine der größten Herausforderungen die Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs in 2013. Dazu haben wir in den letzten Monaten bereits parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht, aber wir haben den Doppeljahrgang auch weiterhin fest im Blick – sei es bei den BAföG-Bearbeitungszeiten oder beim studentischen Wohnen. Denn klar ist: neue Studienplätze müssen auch sozial flankiert werden, die Rahmenbedingungen müssen stimmen.
Parallel dazu läuft das parlamentarische Verfahren für den Haushalt 2012, den wir voraussichtlich Ende November verabschieden werden. Der Wissenschaftsetat verzeichnet erfreulicherweise gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs um 433 Mio. Euro auf rund 6,64 Mrd. Euro. Der weitaus überwiegende Teil dieser zusätzlichen Mittel dient der Stärkung von Lehre, Studium und Forschung an den Hochschulen und Universitätskliniken.
Mehr zu diesen und anderen Themen im Folgenden.
Einen sonnigen Herbst und beste Grüße
Ruth Seidl

Die Themen:

  1. Kleine Regierungserklärung: Die Innovations-, Wissenschafts- und Forschungspolitik in der 16. Wahlperiode
  2. Haushalt 2012: Einzelplan Innovation, Wissenschaft und Forschung
  3. Doppelter Abiturjahrgang an den Hochschulen in NRW – Stand der Vorbereitungen – Ergebnisbericht zum Monitoring 2012
  4. Antragsstau beim BAföG auflösen – Online-Verfahren für schnellere Bearbeitung
  5. Studentischen Wohnraum fördern – flexible Lösungen gemeinsam erarbeiten
  6. 10 Jahre Bachelor und Master: Defizite der Bologna-Reform zügig korrigieren statt Rolle rückwärts

1.    Kleine Regierungserklärung: Die Innovations-, Wissenschafts- und Forschungspolitik in der 16. Wahlperiode

In der ersten Sitzung des Wissenschaftsausschusses nach der Sommerpause wurden die Schwerpunkte der neuen Legislaturperiode im Bereich Wissenschaft und Forschung durch die Landesregierung vorgestellt. Rot-Grüne Wissenschaftspolitik steht für mehr Chancengerechtigkeit, die Qualität von Studium und Lehre und eine nachhaltige Forschung.
Und wir haben uns viel vorgenommen: Für den doppelten Abiturjahrgang wollen wir allen, die ein Studium aufnehmen möchten, einen Studienplatz zusichern. Und das hinterlegen wir mit ausreichenden Mitteln. Im Hinblick auf die benötigten Kapazitäten ist die Ko-Finanzierung des Hochschulpaktes über die Koalitionsvereinbarung abgedeckt. Aber eines ist klar: auch der Bund muss seiner Verantwortung jetzt nachkommen und die Deckelung beim Hochschulpakt aufheben! Es kann nicht sein, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel den aufwachsenden Studierendenzahlen nicht gerecht werden und das Geld vorzeitig aufgebraucht ist. Hierauf werden wir von Nordrhein-Westfalen aus bei den Verhandlungen in der „Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz“ (GWK) Einfluss nehmen. 
Bei der Aufteilung der Kapazitäten zwischen Fachhochschulen und Universitäten ist es unser Ziel, mittelfristig ein Verhältnis von 40 zu 60 zu erreichen. Wir stärken damit die Fachhochschulen in ihrer anwendungsorientierten Forschung und bauen die Fächervielfalt an den zahlreichen Standorten in NRW weiter aus.
Ziel ist auch die Weiterentwicklung des Hochschulgesetzes für mehr gelebte Partizipation und Demokratie. Dazu gehört die Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung und der demokratischen Mitbestimmung im Verhältnis zwischen Land und Hochschulen sowie in und zwischen den Gremien der Hochschulen.
Und wir wollen Bologna an den Bedürfnissen der Studierenden ausrichten! Die studentische Arbeitsbelastung und Prüfungsdichte im Studium soll deutlich reduziert, die Anerkennung im Ausland erworbener Studienleistungen verbessert sowie die Zugänge zum Master weiter geöffnet werden. Eine strukturierte Studieneingangsphase soll den Einstieg ins Studium erleichtern. Nicht zuletzt sollte das BAföG auf Bundesebene Bologna-tauglich gemacht werden.
Wir machen Schluss mit prekären Beschäftigungsverhältnissen an unseren Hochschulen. Die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen, nicht-wissenschaftlichen und studentischen Personals werden wir verbessern, um eine sichere berufliche Perspektive zu ermöglichen. Dazu gehören die Reduzierung von Befristungen, tarifliche Eingruppierungen und starke Personalvertretungen für alle Beschäftigten.
In diesem Zusammenhang wollen wir uns im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes einsetzen.
In den kommenden fünf Jahren machen wir unsere Hochschulen nachprüfbar geschlechtergerechter. Frauenförderung ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Zukunftsfähigkeit. Um das Gleichstellungsziel zu erreichen, soll in den Fachbereichen eine gesetzlich verankerte Frauenquote nach dem Kaskadenmodell eingeführt werden.
Auch die künftige Forschungspolitik wird deutlich grüner werden. Denn sie ist klar auf Nachhaltigkeit und die Ziele der Strategie Europa 2020 ausgerichtet. Dabei setzen wir u.a. auf die Forschungsfelder Energie, Klimaschutz, Ressourceneffizienz sowie nachhaltige Mobilität.

2.    Haushalt 2012: Einzelplan 06: Innovation, Wissenschaft und Forschung

Die Entwicklungen des Einzelplans Innovation, Wissenschaft und Forschung sind weiter positiv. Es handelt sich hierbei um den drittgrößten Haushaltsposten; nach „Schule“ ist der Wissenschaftsbereich das zweitgrößte Ressort. Gegenüber dem Vorjahr gibt es einen Zuwachs um 433 Mio. Euro auf rd. 6,64 Mrd. Euro. Mit einem Mittelaufwuchs um knapp 6,9 % liegt diese Steigerung im Wissenschaftsetat über der des gesamten Landeshaushaltes von rund 6,4%.
Der weitaus überwiegende Teil dieser zusätzlichen Mittel dient der Stärkung von Lehre, Studium und Forschung an den Hochschulen und Universitätskliniken. Diese sollen insgesamt rund 379 Mio. Euro bzw. 8,6 % mehr erhalten als noch im Haushalt 2011.
Damit hat Rot-Grün die Mittel für die Hochschulen in 2011 und 2012 deutlich gesteigert: von 3,15 Mrd. Euro in 2010 wurden sie um rund 620 Mio. Euro auf 3,77 Mrd. Euro in 2012 erhöht.
Darunter sind:

  • + 249 Mio. Euro an Qualitätsverbesserungsmitteln,
  • + 188,5 Mio. Euro für den Hochschulpakt,
  • + 115,4 Mio. Euro für die Globalbudgets der Hochschulen,
  • + 5,8 Mio. Euro für die Reform der Lehrerausbildung,
  • + 19,1 Mio. Euro für das Hochschulmodernisierungsprogramm und
  • + 16,7 Mio. Euro für den Ausbau des Fachhochschulbereichs,
  • sowie weitere Einzelmaßnahmen für die Hochschulen.

Hinzu kommen noch rund 6 Mio. Euro zusätzliche Mittel für die Studentenwerke.
Gleichzeitig haben wir den Forschungsbereich keinesfalls vernachlässigt. Mit der Ansiedlung eines neuen Max-Planck-Instituts – und hoffentlich bald weiteren Bund-Länder-Finanzierungen – sowie den jährlichen sehr hohen Steigerungsraten der Budgets der Forschungsinstitute, haben wir auch diesem so wichtigen Teil der Wissenschaft Rechnung getragen.

3.    Doppelter Abiturjahrgang an den Hochschulen in NRW – Stand der Vorbereitungen – Ergebnisbericht zum Monitoring 2012

Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen befinden sich derzeit im Endspurt vor dem doppelten Abiturjahrgang, für den im kommenden Jahr rund 20 Prozent mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger prognostiziert werden. Dass der Studierendenansturm kommen würde, ist schon lange bekannt. Deshalb haben wir seit 2005 kontinuierlich Druck gemacht, um auf die steigenden Studierendenzahlen aufmerksam zu machen. Seit 2007 sind bislang über den Hochschulpakt, der von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird, über 700 Mio. Euro für den Aufbau zusätzlicher Kapazitäten in die NRW-Hochschulen geflossen. Dazu gehören der Bau neuer Hörsäle, Seminarräume, Bibliotheken und Labore. Für die soziale Infrastruktur sorgen die 12 nordrhein-westfälischen Studentenwerke. Und auch hier sind in den vergangenen Jahren über 120 Mio. € an Investitionen getätigt worden, um studentischen Wohnraum zu schaffen. Während die schwarz-gelbe Landesregierung fünf Jahre lang gedrängt werden musste, vorausschauend zu planen, hat Rot-Grün nun ein umfassendes und ressortübergreifendes Konzept auf den Tisch gelegt, so dass wir mittlerweile schon gut vorbereitet sind. Dennoch müssen wir immer noch große Anstrengungen unternehmen, damit die besondere Herausforderung im nächsten Jahr gemeistert werden kann.
Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen zur Vorbereitung auf den doppelten Abiturjahrgang an den Hochschulen in NRW haben wir unter hier zusammengefasst.
Der Ergebnisbericht zum Monitoring der Landesregierung ist hier abzurufen: http://www.wissenschaft.nrw.de/studieren_in_nrw/oberstufe/Abitur_2013/Monitoringbericht/Monitoringbericht_doppelter_Abiturjahrgang.pdf

4.    Antragsstau beim BAföG auflösen – Online-Verfahren für schnellere Bearbeitung

Die wachsenden Studierendenzahlen sind nicht nur für die Hochschulen, sondern auch für die zwölf Studentenwerke im Land eine besondere Herausforderung. Schon in den vergangenen Jahren ist die Zahl der BAföG-Anträge kontinuierlich gestiegen. Insbesondere deren Bearbeitungszeit sorgt derzeit für Diskussionsstoff. Zwar kann die gesetzlich vorgeschriebene Bearbeitungszeit momentan noch eingehalten werden, doch unter den Bedingungen des Doppeljahrgangs sind Probleme vorprogrammiert.
Da am Ende des Jahres der Vertrag über die Erstattung der Verwaltungskosten für die Bearbeitung von BAföG-Anträgen ausläuft, werden wir den Anschlussvertrag für die kommenden drei Jahre aufgabengerecht ausgestalten.
Wir brauchen Planungssicherheit für die MitarbeiterInnen in den Studentenwerken aber auch für unsere Studierenden, für die das BAföG Existenzsicherung im Studium bedeutet. Deshalb begrüßen wir, dass die Studentenwerke bereits jetzt Personalaufstockungen von rund 20 Vollzeitstellen im laufenden Jahr eingerichtet haben.
Das Geld für den Lebensunterhalt muss den Studierenden künftig schneller zur Verfügung stehen, und das auch bei einer steigenden Zahl von BAföG-Anträgen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Verfahren insgesamt unbürokratischer und einfacher ablaufen. Deshalb soll es schon bald die Möglichkeit geben, ein online-gestütztes Antragsverfahren zu nutzen, wie es auch in Bayern und Hessen praktiziert wird. Letztlich müssen wir sicherstellen, dass eine zeitnahe Bearbeitung bei gleichzeitig guter Beratung gewährleistet ist. Wir haben deshalb die Landesregierung aufgefordert, die Optimierung durch ein kontinuierliches Monitoring im Blick zu behalten.
Der Plenarantrag
Endspurt vor dem doppelten Abiturjahrgang: Gute Beratung und zeitnahe Antragsbearbeitung in den BAföG-Ämtern sicherstellen“ kann abgerufen werden unter: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-813.pdf?von=1&bis=0 Meine Rede dazu findet sich unter: http://gruene-fraktion-nrw.de.178-20-102-49.modulbuero.kundencloudserver.de/aktuell/nachrichten/newsletter-landtag/padetail/nachricht/ruth-seidl-wir-haben-kontinuierlich-druck-gemacht.html

5.    Studentischen Wohnraum fördern – flexible Lösungen gemeinsam erarbeiten

Alle Studierenden benötigen Planungssicherheit für ihre Wohnsituation am Studienort.
Vor dem Hintergrund des Mammutjahres 2013 erwarten wir – wie bereits jetzt an einzelnen Standorten – deutliche Engpässe in der Wohnraumversorgung. Dies gilt insbesondere für Hochschulen in wachsenden Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt. Aber auch in stagnierenden und schrumpfenden Städten besteht ein Mangel an nachgefragtem studentischem Wohnraum. Die Studentenwerke erfüllen bei der Bereitstellung von studentischem Wohnraum eine zentrale Aufgabe. Sie sind nun gefordert, rasch auf die veränderten Anforderungen des studentischen Wohnens zu reagieren. Daher arbeiten die Studentenwerke vor Ort an eigenen Lösungen, um den Problemen zu begegnen. Sie kooperieren mit privaten Unternehmen oder erstellen gemeinsam mit den Kommunen flexible Konzepte. Vorbildcharakter haben auch jene kommunalen Initiativen, bei denen die Bürgerinnen und Bürger in die Wohnraumsuche einbezogen werden.
Rot-Grün hat bereits Vorbereitungen getroffen, um mit Blick auf den doppelten Abiturjahrgang den Bereich des studentischen Wohnens zu stärken und die Studentenwerke bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben zu unterstützen.
Darüber hinaus sieht der Entwurf des Haushaltes 2012 eine weitere Erhöhung des allgemeinen Zuschusses um rund 1,4 Mio. Euro auf insgesamt 39,5 Mio. Euro vor.
Es ist beabsichtigt, die Mittelerhöhungen der Jahre 2011 und 2012 von insgesamt knapp 6 Mio. Euro den Studentenwerken speziell zum Zweck der Bewältigung der steigenden Studierendenzahlen in den kommenden Jahren zuzuwenden, um – neben Maßnahmen im Mensenbereich – insbesondere die kurzfristige Bereitstellung von Wohnraum zu ermöglichen.
Aber auch die mittelfristig zu erwartende Abnahme der Studierendenzahlen wurde bei den Maßnahmen der rot-grünen Landesregierung einkalkuliert: So wird auch Wohnraum geschaffen, der später für Wohnformen im Alter weiter genutzt werden kann. Hier sind in den Jahren 2009 bis 2011 in neun Projekten im Rahmen der Wohnraumförderbestimmungen 1.100 Wohnplätze für knapp 50 Millionen Euro gefördert worden.
Auch dieses Thema werden wir gemeinsam mit dem Fachbereich Bauen und Wohnen mit einer parlamentarischen Initiative flankieren.

6.    10 Jahre Bachelor und Master: Defizite der Bologna-Reform zügig korrigieren statt Rolle rückwärts

10 Jahre nach Einführung der neuen Studienstrukturen mit Bachelor und Master können wir festhalten, dass die Bologna-Reform wohl die einschneidendste Veränderung an den Hochschulen seit der Bildungsexpansion der 70er Jahre ist. Sie hat den Hochschulen viele Anstrengungen abverlangt und ist in der Umsetzung immer noch nicht für alle zufriedenstellend. Eine Rolle rückwärts, wie sie von Systemkritikern wie den Vertretern der Technischen Hochschulen immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist dennoch nicht angeraten.
Vielmehr muss es doch um ein beschleunigtes Nachsteuern gehen: Für die Anerkennung von Studienleistungen im In- und Ausland müssen verbindliche Standards auf den Tisch. Vielerorts sind die Prüfungsbelastungen noch immer deutlich zu hoch, und der Übergang vom Bachelor zum Master muss durch klare Regelungen verbessert werden. Dies werden wir bei der Novelle des Hochschulgesetzes verbindlich für alle Hochschulen umsetzen. Wenig hilfreich sind allerdings die Äußerungen von Prof. Hippler, dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, in der aktuellen Debatte. Mit seiner pauschalen Kritik an der Bologna-Reform hat er insbesondere die Fachhochschulen verärgert, die sich am 27. September in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt haben.
Anstatt die Fachhochschulen zu diskreditieren, sollte er sich mit den Hochschulen zusammensetzen, um Fehlentwicklungen der Bologna-Reform zu korrigieren und konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation erarbeiten.
Hier der offene Brief der LRK der Fachhochschulen: http://www.fh-nrw.de/index.php?id=5