Verteilung der Mittel aus dem Bundesinvestitionsförderungsprogramm für strukturschwache Kommunen

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
in meinem Kommunalinfo vom 19. März 2015 habe ich Euch bereits über das vom Bund vorgesehene Investitionsförderungsprogramm im Umfang von insgesamt 3,5 Milliarden Euro informiert. Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat seine Zustimmung zum Gesetz und zum bundesweiten Verteilungsschlüssel gegeben, so dass noch in diesem Jahr die ersten Gelder bereitgestellt werden können. Für unsere Kommunen in Nordrhein-Westfalen stehen für die gesamte Laufzeit des Förderprogramms von 2015 bis 2017 nun insgesamt 1,126 Milliarden Euro (32,1606 Prozent) zur Verfügung.
In den nächsten Wochen muss das Land nun die Verteilungsparameter definieren, nach denen die Mittel auf die Kommunen und Kreise im Land verteilt werden sollen. In einem Entschließungsantrag hat sich Rot-Grün bereits auf einige Eckpunkte verständigt. Wörtlich heißt es im vom Landtag verabschiedeten Antrag u.a.:
„Der Landtag fordert die Landesregierung auf (…) Sicherzustellen, dass die Mittel aus dem Investitionsprogramm des Bundes 1:1 an die Kommunen weitergeleitet werden und dass auch auf Landesseite eine Verteilung nach fairen, klaren und objektiv nachprüfbaren Kriterien erfolgt, so dass die Hilfe denjenigen Gemeinden zugutekommt, deren finanzielle Bedürftigkeit am größten ist. Geeignet ist hierbei eine Verteilung, die sich insbesondere an den Kriterien Finanzkraft und soziale Belastungen orientiert.“ (Drs. 16/8217)
An diesen Grundsätzen wird die rot-grüne Koalition festhalten, ebenso an der Festlegung, dass der Eigenanteil der Gebietskörperschaften bei zehn Prozent liegen soll und auch Kommunen im Stärkungspakt Stadtfinanzen bzw. in der Haushaltssicherung den Eigenanteil leisten dürfen.
Die Landesregierung bereitet derzeit das dazugehörige Ausführungsgesetz (Kommunalinvestitionsförderungsgesetz, kurz: KInvFöG) vor, welches die Verteilung der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel 1:1 an die Kommunen im Land regeln wird. Dieser Gesetzesentwurf  wird nach der Sommerpause in die parlamentarische Beratung eingebracht.

Debatte über die richtigen Verteilungsparameter

Mittlerweile ist in der kommunalen Familie eine Debatte über die richtigen Parameter zur Verteilung der Mittel voll entbrannt. Zwei gegensätzliche Positionen innerhalb der kommunalen Spitzenverbände zeichnen sich ab: Auf der einen Seite die des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes, die das sogenannte Schlüsselzuweisungsmodell präferieren, sowie auf der anderen Seite die des Städtetages, der ein Säulenmodell mit drei Parametern entworfen hat. Die beiden Positionspapiere sind im Anhang jeweils beigefügt. Ich möchte gerne Stellung zu den beiden Papieren beziehen und diese kurz bewerten.
Nach den bisherigen Überlegungen des Ministeriums für Inneres und Kommunales (MIK) sollen als Verteilungsschlüssel die mittleren Schlüsselzuweisungen der Jahre 2011 bis 2015 herangezogen werden. Die Investitionsmittel werden entsprechend des jeweiligen Anteils der Gebietskörperschaft an den gesamt gewährten Schlüsselzuweisungen bemessen. Vorteil einer solchen Lösung wäre die Anwendung eines anerkannten, gerichtsfesten Beurteilungsmaßstabs, über den bisher die kommunale Familie an den Steuereinnahmen des Landes partizipierte. Über die zugrundeliegenden Parameter der Schlüsselzuweisungen (Hauptansatzstaffel bzw. „Einwohnerveredelung“, Soziallasten-, Zentralitäts-, Schüler- und Flächenansatz) würde man zudem auf einen bewährten Instrumentenkasten zurückgreifen, der bisher zur Ermittlung der Finanzschwäche (Differenz zwischen fiktiver Finanzkraft und Finanzbedarf) herangezogen worden ist

Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund fordern Schlüsselzuweisungsmodell

Der Landkreistag NRW und der Städte- und Gemeindebund NRW präferieren in einem gemeinsamen Positionspapier das Schlüsselzuweisungsmodell. Dieses tariert, stärker als einzelne Parameter, die Einnahmen- und Ausgabensituation der Kommunen aus. So sind die Sozialausgaben in der Methodik des Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG) gut erfasst. Den Berechnungen der beiden Spitzenverbände zufolge würden bei Zugrundelegung einer Referenzperiode von 2011 bis 2015 nach diesem Modell etwa 54 Prozent der Investitionsmittel an kreisfreie Städte gehen, entsprechend nur 46 Prozent in den kreisangehörigen Raum. Auch unter Berücksichtigung dieser Verteilung wird das Modell als nachvollziehbar, ausdifferenziert und rechtssicher eingeschätzt.

Städtetag schlägt Säulenmodell vor

Der Städtetag schlägt als Verteilungsparameter eine Orientierung an den Kriterien des Bundes vor und lehnt damit ein Schlüsselzuweisungsmodell ab. Der Bund verteilt die 3,5 Milliarden Euro anhand von insgesamt drei gleichgewichteten Parametern auf die Bundesländer: Bevölkerungszahl, Kassenkreditbestände und Arbeitslosenquote. Analog dazu schlägt der Städtetag die Verteilungsparameter Kassenkreditstand, Arbeitslosenquote und Schlüsselzuweisungen vor. Wobei die Parameter Arbeitslosigkeit und Kassenkredite nur dann zur Anwendung kommen, wenn in der Kommune die jeweiligen NRW-Mittelwerte überschritten werden.

Parameter Arbeitslosigkeit

Die Datenlage im kreisangehörigen Raum ist lückenhaft. Zwar werden auf der Ebene der Landkreise die jeweiligen Arbeitslosenquoten ermittelt, nicht jedoch die der kleineren kreisangehörigen Gemeinden. Daten liegen lediglich über die absolute Zahl der SGB II- und –III-Empfänger vor. Um die prozentuale Arbeitslosigkeit zu ermitteln, schlägt der Städtetag daher vor, alle erwerbsfähigen Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren als Bezugsgröße heranzuziehen. Da nicht alle diese Personen arbeitssuchend sind (zum Beispiel SchülerInnen, StudentenInnen, Hausmänner und -frauen, FrührentnerInnen), ist die Bezugsgröße gegenüber der offiziellen Statistik größer, welche nur Erwerbspersonen, das heißt abhängig Beschäftigte und Selbstständige einschließlich mitarbeitender Angehörige, kennt. Ergebnis ist eine abgesenkte Arbeitslosenquote, die nicht mit den statistischen Werten der Bundesagentur für Arbeit korrespondiert (hiernach NRW: 6,3 Prozent, Dortmund z.B. 9,68 Prozent, tatsächlich NRW für Dezember 2013: 8,1 Prozent bzw. für Dortmund 12,5 Prozent). Zudem wird die Arbeitslosenquote in Hochschulstädten durch den überproportionalen Anteil an Studenten rechnerisch abgesenkt und somit nur unzureichend abgebildet.
Außerdem fließt in der Berechnung der GFG-Schlüsselzuweisungen bereits über den Soziallastenansatz, als wichtiger Parameter, die Anzahl der SGB II-Bedarfsgemeinschaften ein. In der Arbeitslosenquote tauchen die SGB II-BezieherInnen jedoch ein zweites Mal auf. Damit wäre dieser Parameter deutlich überrepräsentiert.

Parameter Kassenkredite

Nach Vorstellungen  des Städtetages soll eine Verteilung der Mittel zu einem weiteren Drittel über die überdurchschnittlichen Kassenkredite als Kriterium erfolgen. Hiernach erhalten Kommunen und Landkreise erst dann Zuwendungen aus dem Investitionsprogramm, sofern ihre Kassenkredite das NRW-Mittel von 1.300 Euro je Einwohner mit Stand vom 31. Dezember 2013 übersteigen. Auch dieser Parameter zeigt Schwächen auf.
Insbesondere in kreisfreien Städten wird im Rahmen des Kreditmanagement  zunehmend auf das Instrument „Cash Pooling“ zurückgegriffen, um die Kreditnachfrage zu minimieren. Hierbei werden liquide Mittel einzelner Beteiligungen im „Konzern Kommune“ auf einem zentralen Konto verwaltet, auf das von der Kernverwaltung und den Beteiligungen bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Diese internen Mittel werden zu günstigen Konditionen für alle Beteiligten zur Verfügung gestellt und leisten somit einen Beitrag zur Entlastung der angespannten kommunalen Haushalte. In der Statistik der Kassenkredite wird diese Form der internen Verschuldung allerdings nicht erfasst.
Kassenkredite können gemäß Krediterlass des Landes mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren aufgenommen werden. Bis Mitte 2011 waren demgegenüber für Kassenkredite nur Laufzeiten bzw. Zinsvereinbarungen von drei bis maximal fünf Jahren zulässig. Angesichts des günstigen Zinsniveaus und der Verlängerung der Laufzeiten werden inzwischen zur Finanzierung der laufenden Verwaltungsaufwendungen und von Investitionsmaßnahmen Kreditanfragen vermehrt gebündelt. Damit wird die Unterscheidung zwischen Kassenkrediten und Investitionskrediten aufgegeben. Insoweit werden die angewandten Daten der Kassenkredite zur Darstellung der Finanzierungsdefizite des laufenden Verwaltungsaufwandes mitunter aufgebläht.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass Kommunen häufig vornehmlich Investitionskredite tilgen, Kassenkredite demgegenüber nicht bzw. entsprechende Verbindlichkeiten bei Fälligkeit prolongiert werden. Ergebnis ist ein Abbau der Investitionskredite und ein Anstieg der Kassenkredite. Kommunen, die hiervon abweichen bzw. auch Kassenkredite tilgen, haben somit Nachteile beim Verteilungsschlüssel Kassenkredite. 
Ob, und wenn ja wie, städteübergreifende kommunale Anleihen und Schuldscheine in der amtlichen Statistik der Schulden aufgenommen werden, ist zu klären. 
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch ein Verteilungsparameter „Kassenkredite“ mit Unsicherheiten behaftet ist.

Städtetagmodell führt nicht zu größerer Verteilungsgerechtigkeit

Werden die Vorschläge des Städtetags 1 zu 1 umgesetzt, dann ist keineswegs eine Einbeziehung von wirtschaftlich starken Kommunen ausgeschlossen. Steuerstarke Städte wie Düsseldorf oder Neuss erhalten hiernach Zuwendungen aus dem Bundesprogramm in Höhe von 20,34 bzw. 6,68 Millionen Euro, obwohl sie auch bei wohlwollender Betrachtung nicht dem Kreis der finanzschwachen Kommunen zugerechnet werden können. Zudem ist die Grenzziehung hinsichtlich der Berücksichtigung von Kassenkrediten und Arbeitslosenzahlen in Abhängigkeit zum NRW-Durchschnitt willkürlich und würde einen Bruch gegenüber der bisherigen Systematik des GFG darstellen.

Das Stärkungspaktmodell wird nicht diskutiert

Vereinzelt wird aus den kommunalen Raum die Forderung erhoben, die Mittelverteilung auf die Stärkungspaktkommunen zu konzentrieren. Weder die kommunalen Spitzenverbände noch das Ministerium sprechen sich für einen solchen Verteilungsmodus aus. Und dies aus guten Gründen:
58 NRW-Kommunen profitieren derzeit von Zuwendungen aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen. Auswahlkriterium war seinerzeit (2011) die Frage, inwieweit eine Kommune bereits überschuldet oder von einer Überschuldung bedroht ist. Die Kriterien des Bundes, hier die Höhe der Kassenkredite bzw. der Arbeitslosenquote waren kein Kriterium. Demgegenüber hat sich die Situation in einzelnen Kommunen deutlich verschärft, sie würden heute die Anforderungen des Stärkungspakts erfüllen, blieben bei einem solchen Verteilungsmodell jedoch außen vor. Zu nennen sind beispielhaft die Stadt Mülheim oder die Gemeinde Laer im Kreis Steinfurt. Zudem sind die Strukturdaten einzelner Städte gegenüber Stärkungskommunen deutlich schlechter, auch sie blieben außen vor. Dortmund weist zum Beispiel einen Kassenkreditbestand von 4.335 Euro je Einwohner und eine Arbeitslosenquote von 12,5 Prozent mit Stand zum 31. Dezember 2013 aus und würde hiernach keine Berücksichtigung finden, Hamm als Stärkungspaktkommune mit Kassenkrediten von 2.212 Euro je Einwohner und einer Arbeitsquote von 9,4 Prozent sehr wohl.  

Wie geht es weiter?

Ursprünglich war ein verkürztes Beteiligungsverfahren vorgesehen, um die Mittelverteilung zügig zu klären und damit den Kommunen Planungssicherheit zu geben. Angesichts der kontroversen Haltung der kommunalen Spitzenverbände wird dieser Weg nicht mehr weiterverfolgt. In der Sommerpause wird eine förmliche Beteiligung der Kommunen zu den derzeitigen Vorstellungen durch die Landesregierung durchgeführt. Nach der Sommerpause, d.h. voraussichtlich im September, wird sich der Landtag erstmalig mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz auseinandersetzen. Danach erfolgt die Beratung in den beteiligten Fachausschüssen. Ziel muss es sein, einerseits die Mittel dort zu konzentrieren, wo sie nötig sind und anderseits einen Verteilungsmaßstab zu entwickeln, der einer externen Überprüfung standhält. Denn niemandem ist daran gelegen, dass im Nachgang ein Verteilmechanismus zum Beispiel durch eine Entscheidung des Landesverfassungshofes in Frage gestellt wird und der ganze Prozess rückabgewickelt werden muss.

In eigener Sache

Außerdem möchte ich euch darüber informieren, dass seit dem 1. Juni 2015 Simon Rock neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunalpolitik ist. Er folgt in dieser Position Rainer Lagemann, dem ich für seine Arbeit herzlich danke.
Simons Kontaktdaten sind:
Telefon 0211-8842591
E-Mail: simon.rock@landtag.nrw.de Viele Grüße
Mario Krüger MdL

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