Urteil zur Erbschaftssteuer

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
Wie ihr wisst, hat das Bundesverfassungsgericht gestern geurteilt, dass massive Steuerprivilegien für Firmenerben nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Ich begrüße die Entscheidung des Gerichts, die Erbschaftsteuer in ihrer heutigen Form zu kippen. Das Urteil ist ein wichtiger Beitrag zu einer gerechteren Verteilung von Vermögen in Deutschland. Zu dieser gehört auch eine wirtschaftspolitisch vernünftig ausgestaltete Besteuerung von Kapitalerträgen, Erbschaften und Schenkungen.
Die Vermögensverteilung in unserem Land bleibt unfair. Derzeit gehören 50 Prozent der Menschen weniger als 5 Prozent des gesamten Vermögens, während beinah 60 Prozent allein auf das oberste Zehntel der Bevölkerung entfallen. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist die Zahl derer mit keinerlei Vermögen oder Schulden in den Jahren 2007 bis 2012 auf 28 Prozent angewachsen. Weiterhin hieß es in einer Studie, dass die Vermögensungleichheit auf einem anhaltend hohen Niveau verbleibt. So belief sich der sogenannte Gini-Koeffizient, welcher als Index für Verteilungsgerechtigkeit gilt, wiederholt auf einen Wert von 0,78. Auf einer Skala von 0 (perfekte Ausgewogenheit der Verteilung) bis 1 (maximale Ungleichheit) ist dies ein sehr schlechtes Abschneiden – innerhalb der Eurozone steht kein Land schlechter da.
Pro Jahr werden etwa 200 bis 300 Milliarden Euro vererbt. Mit der letzten Reform der Erbschaftsteuer im Jahr 2009 wurden die Freibeträge jedoch massiv erhöht. Festgelegt sind nun Steuersätze von maximal 30 Prozent, die allerdings erst ab einem Vermögen von 26 Millionen anfallen. Betriebe jeder Größe können, werden sie mindestens zehn Jahre weitergeführt, völlig steuerfrei vererbt werden. Einkommen aus Arbeit werden hingegen mit bis zu 45 Prozent und Kapitaleinkommen mit bis zu 25 Prozent besteuert. Dies erzeugt eine Schieflage, für die sich schwerlich überzeugende Gründe finden lassen. So ist gerade Betriebsvermögen ungleich verteilt. Zwei Drittel aller Erbschaften und Schenkungen über 5 Millionen Euro entfallen auf Betriebsvermögen, dessen Anteil am Vermögen insgesamt nur 30 Prozent ausmacht.
Die nahezu vollständige Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer hat allein in den Jahren 2009 bis 2012 zu erheblichen Mindereinnahmen von bundesweit 19,1 Milliarden Euro geführt. Da die Erbschaftsteuer eine Landessteuer ist und somit den Ländern zufließt, fehlen hierdurch allein in Nordrhein-Westfalen etwa 4 Milliarden Euro. Durch die Privilegierung von Betriebsvermögen hat die Große Koalition 2008 den Ländern Gelder entzogen, die ihnen für wichtige Investitionen und zur Haushaltskonsolidierung fehlen. Union und SPD tragen die politische Verantwortung für diese Schieflage. Die Bundesregierung ist jetzt am Zug. Sie muss eine Reform vorlegen, die das Aufkommen durch die Erbschaftsteuer erhöht, um Mittel für Bildungsinvestitionen, den Abbau von Schulden und die Stärkung von Kommunen zu erhalten. Das verfassungswidrige und unsoziale Wirrwarr muss dringend beendet werden.
Herzliche Grüße

Mehrdad Mostofizadeh

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