Sozialpolitik Dezember 2013

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Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,
was lange währt, wird endlich gut: Die Dokumentation der Fachtagung „Eine für alle – das inklusive Gemeinwesen gemeinsam voranbringen“ vom 12. April 2013 ist nun online verfügbar: http://gruene-fraktion-nrw.de.178-20-102-49.modulbuero.kundencloudserver.de/aktuell/publikationen/pubdetail/nachricht/eine-fuer-alle-das-inklusive-gemeinwesen-gemeinsam-voranbringen.html Ich hoffe, dass wir hiermit eine gute Grundlage für die weitere Arbeit haben und wünsche eine anregende Lektüre.
Eine wichtige Information: Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts zum behindertengerechten Umbau eines PKWs, das nicht ohne Auswirkungen bleiben wird auf kommunale Haushalte und auf die anstehende Neuordnung der Eingliederungshilfe. http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2013&nr=13147&pos=0&anz=123 Ich habe auf meiner Internetseite eine Zusammenfassung der Studie der Universität zu Köln zur Situation und Teilhabe von Hörgeschädigten und Taubblinden in NRW eingestellt, die einen kurzen Überblick über die wesentlichen Inhalte und Forderungen der umfangreichen Untersuchung gibt: http://www.manuela-grochowiak-schmieding.de/studie-einiger-regelungsbedarf-fur-horgeschadigte/

Bewertung des geplanten GroKo-Koalitionsvertrag aus sozialpolitischer Sicht (Zusammenstellung):

Aus dem Papier des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen:
Zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern bietet der Koalitionsvertrag nichts Tragfähiges. Die dringend zu lösenden Probleme werden in eine Kommission abgeschoben – ob diese zu einem Ergebnis kommt, ist ernsthaft anzuzweifeln. Die Kommunen werden mit einem Bundesteilhabegesetz ruhig gestellt, das auch erst 2018 kommt, während kein Wort zum Länderfinanzausgleich oder zum Solidarpakt verloren wird. (S. 5)
Arme Kinder – werden zurückgelassen: 2,5 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armut. Diese Kinder und ihre Familien kommen im Koalitionsvertrag nicht vor. Es gibt keine Erhöhung des Kinderregelsatzes, keine Verbesserung des Kinderzuschlags, des Unterhaltsvorschussgesetzes oder des Bildungs- und Teilhabepaketes, keine wirksame Unterstützung für alle armutsgefährdete Alleinerziehende und ihre Kinder und auch keine Erhöhung des BAföG. Wer in Deutschlands Zukunft investieren will, muss mehr tun. (S. 6)
Der Bundes-Behindertenbeauftragte, Herr Hüppe, betont, dass noch nie so viel zu Inklusion, Eingliederungsgesetz in einem KOA-Vertrag gestanden habe.
Kobinet-Nachrichten (Aktuelle Nachrichten und Informationen für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten) bestätigt dies, merkt aber kritisch an, ein Koalitionsvertrag sei eine Zusammenstellung von Absichtserklärungen und Prüfaufträgen für die nächsten vier Jahre und noch kein Gesetz. Kobinet bedauert, dass nichts von einem Wegfall der Anrechnung von Eingliederungsleistungen auf Einkommen und Vermögen drin steht.
Markus Kurth MdB und Corinna Rüffer MdB kommentieren: Der Vertrag zeugt nicht von Vision und Tatendrang, sondern sei lediglich ein Nachweis dafür, dass jemand die richtigen Vokabeln gelernt habe.

Zusammenfassung weiterer Bewertungen:
  • Zu Armut lässt ein Absatz in der Präambel erkennen, dass der Zusammenhang zwischen geringen Löhnen und Altersarmut erkannt wurde. Die Menschen sollen sich auf die sozialen Sicherungssysteme verlassen können.
  • Die steigende Beteiligung Älterer am Erwerbsleben wird als Erfolgsgeschichte betrachtet und dient als Begründung für die Einführung einer Lebensleistungsrente.
    Finanzierung wird nicht erläutert.
  • Langjährig Beschäftigte sollen ohne Abschlag zwei Jahre früher in Rente gehen können. Dies sind künftige RentnerInnen, die 45 Beitragsjahre erreicht haben und deshalb schon mit 63 Rente erhalten sollen. Allerdings erfüllen zwar mehr als ein Drittel der Männer diese Voraussetzung, jedoch nur fünf Prozent der Frauen, da sie aufgrund von Familienphasen i.d.R. geringere Beschäftigungszeiten aufweisen als Männer.
  • Mütterrente: Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geborenen wurden, erhalten einen zusätzlichen Entgeltpunkt bei der Berechnung ihrer Rente. (Kritik: Finanzierung aus den Rentenbeiträgen und dadurch Belastung der Rentenkassen, hier wäre eine steuerfinanzierte Lösung notwendig)
  • Der Zusammenhang zwischen Bildung und Berufschancen wird in einigen Absätzen gewürdigt. So soll allen Kindern und Jugendlichen der Zugang zu kultureller Bildung ermöglicht werden. Hier wird auf das Programm „Kultur macht stark“ verwiesen, dessen Förderrichtlinie zur Antragsberechtigung (Erstzuwendungsempfänger sind bundesweit tätige Verbände und bundesländerübergreifend tätige Initiativen mit Kompetenzen und Erfahrungen in der außerschulischen Bildung) auch als Ausschlusskriterium für kleine Vorortinitiativen gewertet werden kann.
  • Projekte zu Aus- und Weiterbildung werden angekündigt.
  • Ein Girokonto für alle und kostenfreie Energieberatung „runden das soziale Angebot ab“.
  • Zur Grundsicherung heißt es: Die Verstetigung von Förderleistungen soll verbessert werden durch „wirksame“ Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln von einem Haushaltsjahr ins nächste in der Grundsicherung und junge Menschen, deren Eltern seit Jahren von Grundsicherung leben, sollen gezielt Unterstützung bekommen. Wie das erfolgen soll, was dies bedeutet, wird nicht erklärt.
  • Im Jahr 2014 erfolgt Übernahme letzte Stufe der Grundsicherung im Alter durch den Bund und damit eine Entlastung der Kommunen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro –Regelung aus 2011
  • Zu guter Letzt ist noch von Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus die Rede, wobei deutlich wird, dass eine Förderung an eine Eigenbeteiligung der Länder gebunden ist. Leistungen des Wohngeldes sollen über Mietpreisbindung verbessert werden
  • Zur bundesfinanzierten Schulsozialarbeit und zum Bildungs- und Teilhabegesetzt (BuT) kein Wort!
Inklusion, Eingliederungshilfe:

Positiv:

  • Diesen Themen wird erstmals erkennbarer Raum gegeben.
  • Begriffe zu Teilhabe, Barrierefreiheit finden sich in den verschiedensten Fachbereichen: Präambel, Verkehr, Soziales, Gesundheit/Pflege, Finanzen, Wohnen/Quartier, Kultur, Medien und Sport.
  • Es gibt ein eigenes Kapitel „Menschen mit und ohne Behinderung“.
  • Auch der Wille, die Eingliederungshilfe reformieren zu wollen und ein modernes Teilhaberecht zu entwickeln, ist gut.
  • Insbesondere der Hinweis, dass Menschen mit Behinderung aus dem bisherigen Fürsorgesystem herausgeführt werden sollen, folgt einer unserer wichtigen Forderungen.
  • Das Bekenntnis, dass Leistungen nicht mehr auf Institutionen zentriert, sondern auf Personen zentriert erbracht werden sollen.
  • Der Wille, Schnittstellen der verschiedenen Sozialgesetzbücher zueinander sowie diejenigen zum Bundesausbildungsförderungsgesetz besser miteinander zu verzahnen
  • Bundesteilhabegesetzes im Umfang von fünf Milliarden jährlich (Eine Milliarde Euro pro Jahr würden für NRW ca. 200 Millionen Euro pro Jahr, und damit – ganz grob gerechnet – pro Landschaftsverband ca. 100 Millionen Euro pro Jahr bedeuten, die Höhe entspricht in etwa der Höhe der jährlichen Kostensteigerung).
  • Unklar bleibt, ab welchem Jahr diese Milliarde fließen soll und auf welchem Wege.
  • Wichtig: finanzielle Priorität für die laufende Legislaturperiode, die nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt steht!!!

Negativ:

  • Es fehlt der Hinweis, ob die Reform des Pflegebegriffs in irgendeiner Art und Weise mit der der Eingliederungshilfe harmonisiert wird. Unklar bleibt, was mit dem  § 43a SGB XI passiert (Deckelung der Leistungen für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen bei 256 € pro Monat);
  • fehlende Aussage zu Anrechnung von Eingliederungsleistung auf Einkommen/Vermögen; 
  • ebenso fehlt eine Aussage zur Abschaffung des Kostenvorbehalts(§ 13 SGB XII);  
  • keine Aussagen zur Zeitschiene Leistungsgesetz;
  • Zeitpunkt unklar, ab wann eine Milliarde kommt („Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes beginnen wir..“);
  • beim „Budget für Arbeit“ lediglich bisher gemachte Erfahrungen einzubeziehen, bleibt hinter den Forderungen aller Beteiligten außer den WfbM zurück.

Weiterführende Lektüre: Bewertung des Koalitionsvertrags durch die Grüne Bundestagsfraktion, Markus Kurth MdB: http://markus-kurth.de/Aktuelles-Details.10+M52b9a369e16.0.html

GEPA NRW*:

*[Gesetz zur Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen]
Das GEPA soll eine Grundlage bieten für die Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur und für einen Paradigmenwechsel weg von traditionellen Großeinrichtungen hin zu umfassenden Wohn- und Versorgungsarrangements in den Wohnquartieren. Also zu einer umfassenden Versorgungssicherheit dort wo die Menschen leben und wohnen und dort wo sie bleiben wollen. Es bietet dabei auch eine Grundlage zur Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe der Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarfs sowie deren Angehörigen. Die klaren Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention hinsichtlich des Anspruchs auf Selbstbestimmung – unabhängig vom Alter und vom Unterstützungsbedarf – sind besonders zu berücksichtigen.
Geplant war zunächst, dass das neue GEPA zum 1. Januar 2014 in Kraft tritt. Dieser Zeitplan ist jedoch nicht mehr zu halten, da die Durchführungsverordnung zum APG NRW (DVO APG) die u.a. die Refinanzierung der Investitionskosten für stationäre Einrichtungen regelt, sich noch in der Bearbeitung und Beratung befindet. Ursprünglich war beabsichtigt, den Entwurf einer solchen Verordnung im Zusammenhang mit der Beratung des GEPA NRW dem Landtag zuzuleiten. Die Verbändeanhörung zu einem ersten Entwurf einer Durchführungsverordnung zum APG NRW (DVO APG) hat jedoch fachliche Fragestellungen ergeben, die zunächst noch zu klären sind. http://www.mgepa.nrw.de/ministerium/presse/pressemitteilungsarchiv/pm2013/pm20130625a/index.php Hierzu auch ausführlicher ein Kommunalinfo von Arif Ünal MdL, das in Kürze erscheinen wird.
Und noch in eigener Sache: Am 2. November 2013 exakt bin ich bereits ein Jahr lang Abgeordnete des Landtags MdL. Grund für eine kleine Bilanz. Hier die entsprechende Pressemitteilung:

Ein Grund zum Feiern? – Ein Jahr MdL

Grüner Gepflogenheit entsprechend, haben im letzten Jahr Schulministerin Löhrmann und Umweltminister Remmel ihre Landtagsmandate niedergelegt. So rückte Manuela Grochowiak-Schmieding zum 2. November 2012 als Abgeordnete in den nordrhein-westfälischen Landtag nach. Als Lipperin vertritt sie dort die Interessen von OWL. In der grünen Landtagsfraktion ist sie mit großem Engagement, insbesondere für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigung, Sprecherin für Sozialpolitik.
„Im Rückblick war es für mich persönlich ein Jahr großer Veränderungen.“ so Manuela Grochowiak-Schmieding. „Die Umstellung auf Parlamentsbetrieb und die häufige Abwesenheit von Zuhause sind schon eine Herausforderung. Auch für meine Familie.“
Das Büro im Landtag ist eingerichtet, 23 Ordner, etliche Stehsammler, Tisch und Fensterbank haben sich im Laufe eines Jahres bereits mit Papier angefüllt, Hunderte von eMails wurden beantwortet, etliche Gespräche geführt, Termine wahrgenommen, Veranstaltungen und Gesprächsrunden organisiert, Plenar-, Ausschuss- und Arbeitskreissitzungen absolviert. Eine eigene Internetpräsenz ist online – und auf facebook ist die Abgeordnete auch präsent.
„Besonders gern schaue ich zurück auf die Großveranstaltung ‚Eine für alle – für ein inklusives Gemeinwesen‘ vom 12. April diesen Jahres, bei der über zweihundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern in fünf Fachforen intensiv über die barrierefreie Gestaltung unserer Gesellschaft diskutiert haben. Auch an einer Ausschussreise habe ich schon teilgenommen, bei der ich viel über die Inklusions- und Arbeitsmarktpolitik in der Schweiz und in Italien/Tirol erfahren habe.“
Vor kurzem wurde Grochowiak-Schmieding als stellvertretendes Mitglied in die Verfassungskommission des Landtags berufen, die in den nächsten Wochen ihre Arbeit aufnehmen wird.
Aufgaben der nächsten Monate werden konkrete Schritte zur Weiterentwicklung der Gesellschaft hin zu uneingeschränkter Teilhabe für alle – Stichwort Inklusion – und Justierung der Maßnahmen gegen Armut sein. Vor Ort wird die Abgeordnete Bürgersprechstunden einrichten, wozu im nächsten Jahr rechtzeitig eingeladen werden soll. Denn die Vernetzung mit Akteuren und Betroffenen sowie das direkte Gespräch mit den Menschen geben wichtige Impulse und liegen ihr sehr am Herzen.
Ich verbleibe mit den den besten Grüßen und Wünschen für die bevorstehenden Feiertage und das kommende Jahr – auf weiterhin gute Zusammenarbeit!
Manuela Grochowiak-Schmieding

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