Situation von Geflüchteten in NRW in Corona-Zeiten – aktuelle Regelungen

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Corona-Krise trifft alle gesellschaftlichen Bereiche mit voller Wucht. Das schlägt sich auch auf unser Asylsystem und natürlich auch auf die Unterbringung von Geflüchteten nieder. Obwohl die Lage sehr dynamisch ist, möchten wir Euch auf den neuesten Stand zu den aktuellen Erlassen bringen, die das NRW-Flüchtlingsministerium innerhalb weniger Tage veröffentlicht hat:
16.03.2020 Haftanträge nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) – Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Coronavirus

  • Die Ausländerbehörden sollen überprüfen, ob die Rückführbarkeit von Personen, die sich in der Bürener Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Haft befinden, innerhalb des vorgesehenen Haftzeitraums im Rahmen des Haftantrags weiter Bestand hat.
  • Der Besucherverkehr in der UfA Büren wurde eingeschränkt.
  • Die Aufnahme in die UfA Büren durch die Ausländerbehörden erfolgt nur noch bei:
    • rechtskräftig verurteilten Straftätern
    • Gefährdern
    • Personen, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht
    • Personen, die aus sonstigen Gründen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen.
  • In allen Fällen muss die Rückführbarkeit innerhalb des Haftzeitraums im Haftantrag dargelegt werden.
  • Diese Maßnahmen gelten zunächst bis zum 19. April 2020.

Nach und nach sinkt aus dem erstgenannten Grund die Zahl der Untergebrachten, Stand Dienstag sind noch 13 Personen inhaftiert.
19.03.2020: Steuerung des Asylsystems und der Wohnsitzzuweisung nach §12a AufenthG – Aussetzung der Zuweisung von Geflüchteten in die Kommunen

  • Die Zuweisung von Geflüchteten auf die Kommunen aus den Landesunterkünften nach §§ 2, 3 Flüchtlingsaufnahmegesetz sowie §12a Aufenthaltsgesetz wird bis zum 19. April 2020 ausgesetzt. Die Betroffenen bleiben zunächst in den Landesunterbringungseinrichtungen. Die Kommunen werden jedoch nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufnahme von Geflüchteten befreit.
  • Die Bearbeitung von Anträgen auf Aufhebung der Wohnsitzauflage wird ausgesetzt.
  • Unerlaubt eingereiste Ausländer*innen nach §15a AufenthG bleiben zunächst in der betroffenen Kommune und werden nicht in Landesunterbringungseinrichtungen eingewiesen.
  • Die Kommunen sollen sich auf die Wiederaufnahme der Verteilungsverfahren nach der Aussetzungsfrist vorbereiten.

20.03.2020: Ausstellung bzw. Verlängerung von Aufenthaltsdokumenten unter den Bedingungen der Corona-Pandemie

  • Empfehlung, eine Verlängerung von Visa zu gewährleisten, soweit die Betroffenen glaubhaft vortragen, wegen der Folgen der Corona-Krise nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren zu können.
  • Die Verlängerung von Aufenthaltstiteln soll ebenfalls angewandt werden. Sollte keine Verlängerung möglich sein, kann nach §25 (4) Satz 2 AufenthG eine Verlängerung erfolgen (Verlassen des Bundesgebiets würde eine außergewöhnliche Härte bedeuten).
  • Auch für Duldungen kann eine Verlängerung nach §60a Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG erwirkt werden.
  • Zur Reduzierung von Kontakten kann auf persönliche Vorsprachen verzichtet werden.
  • Sollte eine Ausländerbehörde nicht mehr arbeitsfähig sein, kann als Ultima Ratio an die betroffenen Ausländer*innen eine formlose Bescheinigung ausgehändigt werden, die eine Bestätigung enthält, dass der Aufenthalt und ggf. eine Beschäftigung weiterhin als erlaubt, gestattet oder geduldet gilt.

Mittlerweile hat auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mittgeteilt, keine Anhörungen mehr durchzuführen. Das BAMF wird angesichts der aktuell erschwerten Bedingungen, Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesamts einzulegen, bis auf Weiteres keine negativen Bescheide zustellen. Dublin-Bescheide sind davon ausgenommen. Die Zustellung positiver Entscheidungen wird auch weiterhin erfolgen, um die dadurch entstehenden Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II nicht zu verzögern.
Abschiebungsflüge sind zwar nicht generell ausgesetzt, aber massiv eingeschränkt. Vereinzelt werden Sammelabschiebungen aber, wie bspw. nach Pakistan, abgesagt.
Für aktuell vorliegende Petitionen zu Bleiberecht und Abschiebung gibt es zurzeit meist einen Aufschub, da persönliche Vorsprachen bei den Ausländerbehörden meist nicht möglich und Abschiebungen kaum planbar sind. Das gibt im Einzelfall die Chance, die gewonnene Zeit zu nutzen, um die persönlichen Bleiberechtsvoraussetzungen zu verbessern.
Auf Landesebene versuchen wir darüber hinaus, auf die besondere Lage von Geflüchteten hinzuweisen. So haben wir in unserem Sozialpapier „In der Krise niemanden zurücklassen – Vulnerable Gruppen in der Krise schützen!  Soziale Infrastruktur sichern und unterstützen!“ Vorschläge gemacht, wie die Situation von besonders schutzbedürftigen Gruppen stabilisiert werden kann. Dazu gehört insbesondere auch, Geflüchtete in den Landesunterkünften zu schützen, indem unter anderem

  • die Belegung entzerrt wird und gesundheitlich gefährdete Geflüchtete in besonderen Unterbringungsmöglichkeiten geschützt werden
  • Hygiene- und Desinfektionsmittel verfügbar sind und die Sanitärbereiche entsprechend erweitert werden.
  • unabhängige Beratungsleistungen in den Unterkünften weiter ermöglicht werden.
  • in den Unterkünften aktuelle Informationen in den Sprachen der Hauptherkunftsländer angeboten werden.

Alle vorgeschlagenen Maßnahmen findet Ihr in unserem Sozialpapier (Autor*innen: Josefine Paul, Mehrdad Mostofizadeh, Berivan Aymaz).
Um uns ein genaues Bild von der Situation in den Landesunterkünften zu machen, haben wir zudem eine Abfrage bei den sozialen Trägern gestartet. Es darf nicht passieren, dass die Landeseinrichtungen in diesen Zeiten völlig abgeschottet von sozialer Beratung und zivilgesellschaftlicher Unterstützung zurückbleiben. Hier haken wir nach.
Für weitere Fragen steht Euch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Freya Kuhn (freya.kuhn@landtag.nrw.de, Tel. 0211/884 -2276) gerne zur Verfügung.