Sigrid Beer: Pluspunkt Bildung September 2021

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freund*innen,

Schüler*innen und die Pädagog*innen freuen sich, dass sie sich in den Schulen wieder begegnen können. Gleichzeitig wird der Schulstart begleitet von viel Unsicherheit, hohen Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen, die teilweise kommunal ( Leverkusen) über Tage bei über 1000 in der Altersgruppe 5-9- Jahre lag. Mit Datum vom 11.9. meldet das Landesgesundheitszentrum NRW einen Durchschnittwert von knapp 300 in der Altersgruppe der 10-14 Jährigen. Der Blick auf einzelne Kommunen zeigt aber Werte um die 650, z.B. in Wuppertal oder wiederum Leverkusen. Nach letzter Erhebung des Ministeriums für Schule und Bildung (MSB) waren über 30.000 Schüler*innen in Quarantäne.

Die Schulministerin erklärt, den Schulbetrieb völlig unabhängig von Inzidenzen führen zu wollen. Da könnte mensch meinen, dass dafür für eine flächendeckende gute Vorbereitung der Schulen gesorgt wäre: z.B. Verbesserung der Unterrichtsbedingungen, Ausbau von Mentoringprogrammen, Verbesserung der Unterstützung für digital gestütztes Lernen, Ausstattung mit Luftfiltern…

Die Situation mit der hoch ansteckenden Delta-Variante und vielen Reiserückkehrenden war ja abzusehen. Stattdessen erleben wir einmal mehr, dass sich die Schulministerin die Lage schön redet und viele Verantwortliche sowie die Eltern und Schüler*innen haben den Eindruck, dass die Sommerferienwochen verstrichen sind, ohne dass sich grundlegende Verbesserungen eingestellt haben.

Zentral ist und bleibt der Impfschutz. Ein Lichtblick ist die Aussicht, dass Impfangebote für Kinder auch unter 12 Jahren im Herbst zu erwarten sind, die Infektionen derzeit relativ ungeschützt ausgesetzt sind.

Die Impfangebote für Jugendliche ab 12 Jahren wurden zunächst nur zögerlich angegangen und die Quote ist längst noch nicht ausreichend, um sorglos auf den Schulbetrieb schauen zu können.

Die Forschungen und Daten zu Long Covid bei Kindern lassen es eben nicht zu, die Gesundheitsrisiken der Multiorganerkrankung zu vernachlässigen, genauso wie die sozial- emotionalen, psychischen aber auch physischen Auswirkungen der Pandemie insgesamt auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt der Politik der Landesregierung? Das, was Eltern, Schüler*innen und Schulen erleben, lässt daran zweifeln.

Ihre/Eure Sigrid Beer

 

Inhalt:

  • Chaos beim Schulstart
  • Neue Quarantäneregeln – das Ende der Kontaktverfolgung
  • Testen und Impfen
  • Prävention: Lüften – Lüften – Lüften
  • Extra-Programme
  • Chancen der Digitalisierung für die Inklusion nutzen
  • Gutachterdienst zu Förderschulen
  • Rechtsanspruch auf Ganztag
  • Bildungschancen verbessern
  • Stabwechsel BAG Bildung
  • Neues Teammitglied: Kathrin Schaaff
  • Und zum guten Schluss mal eine andere Perspektive
  • Termine

 

Chaos beim Schulstart

Same procedure as last year

Schulministerin Gebauer vermittelt einmal mehr den Eindruck, dass die Ferienwochen nicht ausreichend genutzt wurden, um den Schulstart gut vorzubereiten Die Ankündigung, dass der Schülerausweis als Testnachweis gilt, wurde in der Praxis gleich zum Rohrkrepierer, den Ministerin Gebauer nach wenigen Tagen zurückziehen musste. Es sind nicht nur die unzureichenden Anstrengungen, um die Infektionsrisiken in Schulen wirksam zu minimieren.

Schulen bekommen wieder neue Aufgaben, ohne dass es Entlastungen gibt.

So wäre eine Schulleitungsassistenz, die bei den vielfältigen Koordinationsaufgaben und Umsetzung der „Extra-Programme“ oder Orga beim Testen unterstützt, dringend nötig. Entsprechend kritisch waren die Reaktionen aus den Schulen.

Bei der Schuljahres-Pressekonferenz stellte Ministerin Gebauer auch wieder die Eckdaten zum Schuljahr vor. Auffällig: Anders als zuvor wurden die Angaben zur Besetzungsquoten der Stellen weggelassen. Die enorme Zahl unbesetzter Stellen soll offenbar aus dem Fokus genommen werden. Das wird aber nicht gelingen.

Neue Quarantäneregeln – das Ende der Kontaktverfolgung

Ab sofort ist die Kontaktverfolgung eingestellt. In den Schulen werden keine Sitz- und Kontaktkonstellationen festgehalten. Nur noch infizierte Kinder sollen in die Isolation. Zusätzliche Testung gibt es aber erst ab dem 20.9.21. Infektionsrisiken werden sehenden Auges in Kauf genommen. Besonders für die sogenannten Schattenfamilien, mit hoch vulnerablen Familienmitgliedern, eine Besorgnis auslösende Situation angesichts der enorm hohen Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen. Ein alleiniger Blick auf die Hospitalisierung und Intensivbehandlung greift auf den Hintergrund von LongCovid viel zu kurz.

Wenn Kinder kurz nach Schulbeginn in Quarantäne geschickt werden, ist das hart. Weil sie nach sechs Wochen Ferien wieder zwei Wochen von ihren Freund*innen getrennt sind, weil Familien von jetzt auf gleich Betreuung organisieren müssen und die Lehrkraft damit konfrontiert werden, die Lerngruppe in Präsenz und ggf. Kinder in Quarantäne unterrichtlich zu versorgen.

Sollten zu Beginn des Schuljahres schon nur die Sitznachbarn des infizierten Kindes in Quarantäne geschickt werden, wurde dabei bereits außer Acht gelassen dass sich Kinder in der OGS, gemischten Lerngruppen, beim Sport oder in der Mensa begegnen.

Wir haben eine zügige Möglichkeit des Freitestens nach 5 Tagen befürwortet.

Mit der aktuellen Regelung, nur noch infizierte Kinder zu isolieren und die Kontakte nicht zu berücksichtigen, weicht das Land auch von den in der Gesundheitsministerkonferenz Regeln ab  ,obwohl sie vorher noch für einheitliche Regeln geworben hatte. Wenn die  Beratungen dann nicht das gewünschte Ergebnis bringen, macht man doch, was man will. So wird Vertrauen in Politik nicht gestärkt, wenn es eigentlich nur darum geht, in der Koalition Konflikte zu vermeiden.

Sollen einfach Infektionsrisiken klein gerechnet werden? Was bedeutet es, wenn bei Kinder in Lerngruppen nacheinander in häusliche Isolierung müssen aufgrund von Ansteckungen.

Was bedeutet das für die unterrichtliche Versorgung? Wie ist die Vernetzung mit Jugendhilfe und Schulbegleitung aufgestellt, zumal zu befürchten ist, was bislang schon in der Pandemie registriert werden musste: Auch bei Infektionen und notwendigen Quarantänen gibt es die Ungleichheit zu Lasten der Schüler*innen in schwierigen sozialen Lebenslagen.

Prävention: Lüften – Lüften – Lüften

Ja, natürlich muss auch mit Luftfilteranlagen weiter gelüftet werden, um CO2 und Luftfeuchtigkeit nach draußen zu transportieren. Luftfilteranlagen tragen aber effektiv zur Aerosolreduzierung bei!

Es wird immer wieder deutlich, dass weder Kommunalministerin noch Schulministerin den Schutz durch Luftfilter wirklich ernst nehmen und auch kommunal herrscht oft noch Skepsis.

Das Positionspapier der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Aerosolforschung mit der aktuellen Einschätzung von Juli 2021 bleibt unberücksichtigt und der Förderansatz  bleibt weiterhin auf zu wenige Räume begrenzt. Die Gesellschaft für Aerosolforschung hat in ihrem Positionspapier schon im April eine umfängliche Erläuterung vorgelegt, die Handlungsoptionen deutlich macht.

Kleine Anmerkung am Rande: Die Förderrichtlinie des Landes wurde wieder zu spät nach dem Schulstart vorgelegt.

Extra-Programme

Schon im Sommer 2020 hatten wir gefordert, in den Schulen die Rahmenbedingungen zu verbessern und Unterstützungsprogramme aufzulegen. Bund und Land haben in diesem Sommer reagiert und Mittel für Programme zu Verfügung gestellt . Da gibt es nun „Extra-Personal,-Geld, -Zeit, -Blick“. Aber wieder einmal hat das Land lange Zeit gebraucht, um die Bundesmittel weiterzuleiten bzw. Förderrichtlinien zu erlassen. Es wird geraume Zeit brauchen, bis die Ressourcen tatsächlich in den Schulen angekommen sind.

Außerdem fehlen weiterhin Mentoringprogramme wie z. B. Balu und Du oder Rock your Life, obwohl deren Wirkung und Erfolg  jüngst nochmals nachgewiesen wurde.

Chancen der Digitalisierung für die Inklusion nutzen

Es ist in der Corona-Pandemie deutlich geworden, welche Chancen die Digitalisierung auch für den inklusiven Schulunterricht bietet. Diese Chancen nutzt die Landesregierung aber so gut wie gar nicht. Wir haben deshalb eine staatliche Online-Schule („Webschool“) beantragt, damit Kinder und Jugendliche, die mit dem regulären Präsenzschulbetrieb aus vielfältigen physischen wie psycho-sozialen Krankheitsgründen Schwierigkeiten haben, auch langfristig am Schulunterricht teilhaben können. Diese Webschool soll die bereits bestehenden Möglichkeiten des Fernunterrichts aufgreifen und um neue Aspekte erweitern. Sie soll ein staatliches Regelangebot der so genannten Schule für Kranke werden und neben deren schon bestehenden Unterrichtsstandorten auch grundsätzlich webbasiert arbeiten. Dabei soll eine enge Kooperation zwischen der Webschool und den Stammschulen der Kinder und Jugendlichen bestehen, durch die die Schulen entlastet werden.

Eine staatliche Webschool schließt eine bestehende Lücke im Schulsystem. Als Individualschule ermöglicht sie eine gleichberechtigte Teilhabe am Unterricht. Die Nutzung von neuen Ansätzen im Bereich digitalgestützter Bildung zur schulischen Inklusion verknüpft nicht nur zwei wesentliche Aspekte der Digitalisierung, sondern entwickelt sie konzeptionell weiter. So unterstützen wir die betroffenen Schülerinnen und Schüler bestmöglich und tragen zu einer gelungenen Inklusion bei.

Gutachterdienst zu Förderschulen

Die AfD hatte sich wohl ein anderes Ergebnis erhofft, als sie den Gutachterdienst des Landtags beauftragte, zu prüfen, ob die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen bindende Rechtsnorm ist. Ein inklusives Schulsystem ist der AFD ein Dorn im Auge und widerspricht ihrem Menschenbild.  Der Gutachterdienst bestätigt, dass die Konvention den Aufbau eines inklusiven Schulsystems fordert und in dem Prozess wird es unausweichlich zu einem Abbau von Förderschulen kommen.

Rechtsanspruch auf Ganztag

In allerletzter Sekunde wurde doch noch ein Durchbruch beim Rechtanspruch auf Ganztag und der Finanzierung im Bundestag und Bundesrat geschafft. Das Ergebnis: Ab 2026 haben Kinder in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz. Hier das Ergebnis aus dem Vermittlungsausschuss. Es wird dazu von Bundseite ausgeführt:

„Der Rechtsanspruch soll im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt werden und sieht einen Betreuungsumfang von acht Stunden an allen fünf Werktagen vor. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der Rechtsanspruch soll – bis auf maximal vier Wochen – auch in den Ferien gelten. Hier können die Länder eine entsprechende Schließzeit regeln. Bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs wird der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme ebenso Rechnung getragen wie der Vielfalt der Angebote vor Ort. Erfüllt werden kann der Rechtsanspruch sowohl in Horten als auch in offenen und gebundenen Ganztagsschulen.“

Nun muss der Ausbau mit entsprechenden Qualitätsstandards ,vorangetrieben und dafür gesorgt werden, dass die Kommunen nicht auf Kostenbergen sitzenbleiben.

Bildungschancen verbessern

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat u.a. ein Rechtsgutachten vorgelegt, mit welchen gesetzlichen Regelungen der Bildungsbenachteiligung begegnet werden kann. Eine lesenswerte Lektüre, die Grundlage auch für mögliche Kooperationsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern sein kann. Zwei weitere aktuelle Papiere sind als Lektüre empfehlenswert: Neue Lernkultur

für alle Schulen! Impulse für ein zukunftsfähiges Bildungswesen und Blindflug beenden

und stark aus der Krise kommen. Bildungschancen für Benachteiligte jetzt sichern! .

Stabwechsel BAG Bildung

In der BAG Bildung stand die Neuwahl des Sprecher*innen-Teams an. Sehr gern war ich mehr als vier Jahre als Sprecherin tätig. Jetzt stand aber für mich an, den Übergang in ein neues Sprecher*innenteam und eine Staffelübergabzu gestalten. Deswegen werde ich nun noch als stellvertretende Sprecherin mitarbeiten. Als Sprecher*innen gewählt wurden Ulrike Rüger und Hans-Jürgen Kuhn. Als weiterer Stellvertreter ist Tino Gassmann mit an Bord. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit im neuen Team.

Neues Teammitglied im Landtag: Kathrin Schaaff

Mein Team hat sich vergrößert. Ich freue mich Verstärkung durch Dr. Kathrin Schaaff bekommen zu haben, die sich hier vorstellt:

„Mein Name ist Kathrin Schaaff und ich bin seit kurzem Teil von Sigrid Beers Team. Schon seit Oktober 2018 arbeite ich für die Grüne Landtagsfraktion in Düsseldorf für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nun unterstütze ich zusätzlich Sigrid Beer bei der Bearbeitung schulpolitischer Themen. Ich übernehme dabei die Bereiche Digitalisierung, Inklusion und Integration. Bei Fragen zu diesen Themen bin ich erreichbar unter kathrin.schaaff@landtag.nrw.de oder 0211 / 884 4190.“

Und zum guten Schluss mal eine andere Perspektive:

https://jugend-und-bildung.de/aktuelles/karikaturen-von-michael-hueter/