Sigrid Beer: Pluspunkt Bildung – Juni 2020

Newsletter

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freund*innen,
vor vier Wochen wurden die Schulen schrittweise wieder geöffnet, in vier Wochen beginnen die Sommerferien in NRW, in zehn Wochen startet das neue Schuljahr. Aber alles ist anders und viele Fragen werden aufgeworfen, auf die das Schulministerium keine Antwort hat und keinen Plan. Das empört zunehmend Lehrkräfte, Eltern und Schüler*innen gleichermaßen.
Das Fokussieren auf Prüfungen hat räumliche und personelle Ressourcen gebunden. Das waren aus unserer Sicht nicht die richtigen Prioritäten. Schüler*innen aus sozial benachteiligten Familien, die zu Hause oft nicht die nötige Lernunterstützung erhalten können, hätten dringend von einer Öffnung für Präsenzunterricht profitieren müssen, die jüngeren Schüler*innen, diejenigen, die im nächsten Jahr in die Prüfungen gehen.
Im weiteren Verlauf sahen sich die Schulen mit enorm kurzfristigen, z.T. widersprüchlichen oder unklaren Informationen konfrontiert. Ministerin Gebauer legte einen Zickzack-Kurs hin, bei dem es auch vorkam, dass die Schulmail vom Morgen am Abend schon wieder korrigiert werden musste, weil der Ministerpräsident sich gezwungen sah einzugreifen.
Mit den Sommerferien kommt wieder eine schulfreie Zeit auf die Familien zu. Auch diese Zeit wird von der Corona-Pandemie geprägt sein. Eltern haben Überstundenkontingente und Urlaubstage zur Überbrücken von Betreuungszeiten aufgebraucht. Kinder und Jugendliche brauchen in diesen Sommer mehr denn je Angebote, bei denen sie wieder in ein Miteinander kommen und Zugänge zu einem ganzheitlichen Bildungsangebot erhalten. Vorrangig sollen die Angebote Kindern aus benachteiligten und benachteiligenden Lebenslagen zugänglich gemacht werden. Dazu haben wir bereits im letzten Plenum einen Antrag vorgelegt.  Wir brauchen vielfältige Angebote für einen Bildungssommer. Dazu haben wir die Landesregierung aufgefordert und Ideen vorgelegt. Das Land muss die Kommunen, Schulen, Jugendverbände und freie Träger aus Jugendhilfe, Kultur und Sport hier unterstützen.
Auch das Schuljahr 2020/2021 wird kein „normales“ werden können. Es wird weiterhin eine Mischung aus Präsenz- (so viel wie möglich für alle Schüler*innen)  und Fernunterricht geben müssen. Die Schulen müssen darauf vorbereitet sein, dass es zumindest immer wieder regionale Infektionsgeschehen geben kann, die wie gerade in Göttingen auch zu Schulschließungen führen können.
Hier sind dringend Vorgaben des Landes  erforderlich. Das haben in so noch nicht dagewesener Protest-Einmütigkeit die Eltern- und Lehrerverbände, Schulleitungsvereinigung und Landesschüler*innenvertretung jüngst in klaren Worten eingefordert.
Schrittweise sollen Beschränkungen gelockert werden. Aber wir wissen auch, dass wir auch in Zukunft Hygiene- und Infektionsschutzregeln einhalten müssen, dass wir andere Formate und Formen finden müssen. Dass wir Schule neu denken müssen.
Ich danke allen, die in diesen schwierigen Zeiten mit ihrem Engagement, Kreativität und Mut zur Improvisation den Zugang zu Bildung aufrecht erhalten haben.
Ich wünsche uns einen erholsamen und kreativen Sommer mit guten Begegnungen und Überraschungen der schönen Art.
Aktuelle Infos für NRW, u.a. die kommunalen/regionalen Fallzahlen sind jetzt auf diesen Websites einsehbar:
https://www.land.nrw/corona
https://www.mags.nrw/coronavirus (auch in verschiedenen Sprachen und in einfacher Sprache)
Hotline: 0211-9119 1001
Ihre/Eure
Sigid Beer

So weit war der Newsletter bis heute früh fertig. Dann kam die Schulmail Nr. 23 mit der Ankündigung u.a. Normalbetrieb für die Grundschulen ab 15.6.20.
Erste Reaktionen dazu:
https://www.gew-nrw.de/presse/pressemitteilungen-2020/detail-pressemitteilungen-2020/news/oeffnung-der-grundschulen-ist-gefaehrliche-symbolpolitik.html
http://vbe-nrw.de/downloads/Pressemitteilungen/PM_45_2020_Schulplane_der_Landesregierung.pdf
https://gruene-fraktion-nrw.de.178-20-102-49.modulbuero.kundencloudserver.de/presse/service/pressemitteilungen/pmdetail/nachricht/beer-ministerin-wird-immer-mehr-zur-belastung-fuer-die-schulen.html
Wir haben für den Schulausschuss eine Aktuelle Stunde beantragt und werden ausführlich berichten.
Inhalt:

  • Corona: Das Hin und Her der Ministerin – und immer noch kein Plan
  • Breite Empörung über Kurs und Kommunikation des Ministeriums
  • Dringende Resolution: Jetzt den Fokus auf das neue Schuljahr richten!
  • Bildungssicherungsgesetz setzte falsche Prioritäten
  • Bildung sichern – Gesundheit schützen
  • Bildungssommer 2020
  • Digitalisierung und Corona
  • Schulverpflegung
  • Vollzeitschulische Ausbildungsgänge
  • Fernunterricht statt Homeschooling
  • Lohnausfall für angestellte Lehrkräfte
  • 15. Schulrechtsänderungsgesetz
  • Fach Wirtschaft in der Sekundarstufe I
  • Zukunftsplan Grundschule
  • Politische Bildung ist systemrelevant für die Demokratie – mehr denn je
  • Weiterbildung weiterentwickeln

Corona: Das Hin- und Her der Ministerin – und immer noch kein Plan
Die Frage, wie es mit Schule in der Coronazeit weitergeht, beschäftigt Lehrkräfte und Eltern, Schulleitungen und Schulträger und natürlich auch die Schülerinnen und Schüler. Uns haben viele Fragen erreicht, die wir gesammelt an das Ministerium weitergeleitet haben. Die Antworten sind leider vielfach erschreckend oberflächlich.
Zwar hat das Ministerium mit dem Instrument der Schulmails, die neuerdings nicht nur alle Schulleitungen, sondern auch Schulträger erreichen, ein Medium der direkten Information. Aber sie macht in chaotisierender Weise davon Gebrauch. Wenn am Samstagabend eine Mail kommt mit den konkreten Regeln für den Montag, ärgern sich nicht nur die Schulleitungen. Wenn in der Schulmail am Morgen der Fahrplan der Schulöffnung aufgezeigt wird, der Ministerpräsident das mittags kritisiert und die Mail am Abend alles wieder einkassiert, dann fragen sich viele, welches Chaos im Ministerium herrscht. Zudem gibt es immer wieder widersprüchliche Angaben in der öffentlichen Darstellung. Ob es um freiwilligen oder verpflichtenden Präsenzunterricht zur Vorbereitung auf die Prüfungen für Schüler*innen des 10 Jahrgangs geht oder um den Einsatz von Lehrkräften mit besonderen Erkrankungsrisiken. Als sich Gerüchte mehrten, dass das Ministerium plant, diese Lehrkräfte doch zum Präsenzdienst zu verpflichten, hat die Ministerin auf grüne Nachfrage im Plenum des Landtags am 29.04. dies ausdrücklich verneint. Wenige Tage später erfolgte ein Erlass, dass diese Lehrkräfte an mündlichen Prüfungen teilnehmen müssen. Die Teilnahme an mündlichen Prüfungen wäre ja kein Präsenzunterricht, so die Ministerin auf Nachfrage im Schulausschuss. Dabei wurde auf der Homepage des Schulministerium bis zum 27.5.20 ausgeführt, dass Prüfungen explizit dazu zählen. Die Ministerin verwies auch darauf, dass viele Lehrkäfte „ihre“ Schüler*innen gerne in die Prüfungen begleiten würden. Das ist auch wünschenswert und gut so. Und vor allem kein Problem, das ging freiwillig schon immer. Das Problem ist die intransparente Entscheidungsfindung und das abrupte Umsteuern.
Der gesamte Vorgang produziert Verunsicherung, ständiges Umplanen, Frust vor Ort.
Es heißt ausdrücklich „Prüfung first“, allerdings werden extrem kurzfristig die Termine für die Externenprüfungen gecancelt und auf Ende der Sommerferien/Anfang des neuen Schuljahrs verschoben. Nach heftigen Protesten, wird eine halbherzige Möglichkeit mit zusätzlichen Hürden eröffnet, die Prüfungen doch wie geplant vor den Sommerferien abzuschließen.
Bei allen Vorgängen wird deutlich, es scheint nichts vom Ende hergedacht. Dabei wurde die Frage nach Konzepten früh gestellt.
Für den nächsten Schulausausschuss haben wir weitere Berichtsanfragen gestellt, um Aufschluss zu verschiedenen Sachverhalten vom Ministerium zu bekommen. Da geht es um die Konsequenzen aus dem Beschluss des Landessozialgerichtes (s.u. Digitalisierung und Corona), die Planungen des Ministeriums zu angekündigten Angeboten im Sommer (s.u. Bildungssommer), zur Zukunft der Schullandheime, zur Frage wie viele Lehrkräfte nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden können und warum erfolgreiche  Lehramtsabsolvent*innen keine Stelle erhalten, da doch Lehrkräfte fehlen.
Breite Empörung über Kurs und Kommunikation des Ministeriums
Dass Lehrer- und Elternverbände sich kritisch äußern ist normal. Aber die Empörung quer durch alle Verbände hat es so noch nicht gegeben. Bei allem Verständnis, dass Corona auch für das Ministerium eine Herausforderung ist, reißt der Geduldsfaden. So fordert die Elternschaft der integrierten Schulformen (LEiS), dass „das Ministerium endlich seine Führungsrolle wahrnimmt“. Die Landeselternschaft der Gymnasien beschwert sich in einem Offenen Brief an Ministerin Gebauer, dass ihren Ankündigungen „eines umfassenden Unterrichts- und Förderangebots“ in den Sommerferien bislang nichts Konkretes gefolgt ist: „Auf Grundlage unserer Erfahrungen, dass die Vorbereitungen an der „Front“ sehr komplex und umfangreich sind und vieler Abstimmungen bedürfen, sind wir Eltern aufgebracht über das Fehlen zentraler Konzepte und Vorgaben auf Basis verschiedener Szenarien. Corona ist nicht mehr überraschend.“ Sie beschweren sich auch über die Beratungsresistenz des Ministeriums: „Uns ist zudem völlig unverständlich, dass Sie nicht die Expertise der Schulleiter, IT-Verantwortlichen, Schulträger etc. in Ihre Entscheidungsfindung planend miteinbeziehen.“
Dringende Resolution: Jetzt den Fokus auf das neue Schuljahr richten!
Über die Presse erfahren die Schulen, dass die Ministerin offenbar plötzlich doch über eine weitere Öffnung von Schulen noch vor den Ferien nachdenkt.
In einer gemeinsamen Resolution haben Landesschüler*innenvertretung, Schulleitungs-, Lehrer- und Elternverbände angemahnt, angesichts der bevorstehenden Sommerferien den Fokus auf das neue Schuljahr zu richten: „Grundsätzlich gilt: Die Wiederaufnahme des sogenannten Normalbetriebs in den Schulen ist mehr als erstrebenswert. Dafür muss schon jetzt der Fokus auf das kommende Schuljahr gerichtet werden, müssen tragfähige und gangbare Pläne entwickelt werden, die einen guten Start in einen hoffentlich kontinuierlichen Schulbetrieb ermöglichen. Diese Planung ist eindeutig zu priorisieren gegenüber einer erneuten kurzfristigen Umplanung des jetzigen Schulbetriebs.
Die Schulen haben unter erheblichen Schwierigkeiten und mit viel Kreativität und Professionalität transparente und für Schülerinnen und Schüler sowie Eltern nachvollziehbare Pläne bis zu den Sommerferien erstellt, die aus einem Mix von Präsenzunterricht und dem Lernen aus Distanz bestehen. Feste Lerngruppen wurden eingerichtet, die Präsenztermine verbindlich kommuniziert.
Eine kurzfristige Umplanung würde zum jetzigen Zeitpunkt durch die entstehende Unruhe und Unsicherheit in den Schulen das schulische Lernen und Lehren eher behindern als befördern. Es würde notwendige und bereits abgesprochene Planungsprozesse in den Schulen für das kommende Schuljahr gefährden.“
Zum Schluss fordern sie, dass nun auch die politischen Verantwortlichen die Lernfähigkeit unter Beweis stellen, wie sie die Schulen in den letzten Wochen gezeigt haben.
Bildungssicherungsgesetz setzte falsche Prioritäten
Die Osterferien sind normalerweise auch im Landtag sitzungsfrei. Doch angesichts der dramatischen Lage wurden in zahlreichen Sitzungen die parlamentarischen Voraussetzungen geschaffen, damit auf die Krise reagiert werden kann: Die Feststellung einer „epidemischen Lage von landesweiter Tragweite“, Gesetzesänderungen und Ausnahmeregelungen wurden beschlossen. Für den Schulbereich war es das Bildungssicherungsgesetz und temporär angepasste Ausbildungs- und Prüfungsordnungen.
Der Fokus wurde allein auf die Durchführung von Prüfungen gelegt. Zwangsläufig wurde damit der Präsenzunterricht gerade für die jüngeren Jahrgängen der weiterführenden Schulen zurückgedrängt. Mit der einseitigen Konzentration auf Prüfungen wurden räumliche, personelle und Zeitressourcen gebunden. Die Schüler*innen, die keine Prüfungen machten, mussten erst einmal außen vor bleiben, unabhängig von der familiären und sozialen Lage.
Die schon bestehenden Bildungsungerechtigkeiten werden in der Corona-Zeit massiv verschärft. Dabei war klar, dass es große Unterschiede gibt, welche Lernumgebungen Kinder und Jugendliche zu Hause haben und dass sie sehr unterschiedlich den Anforderungen an Fernunterricht gewachsen sind. Gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien hätten dringend einen prioritären Zugang zum Präsenzunterricht bedurft.
Die Situation in den Familien mit Betreuungsbedarfen gerade der kleinen Kinder, Eltern selbst im Home Office und einer sehr uneinheitlichen Ausgestaltung des Fernunterricht haben zu sehr unterschiedlichen Lernbedingungen geführt.
Das überausgroße Engagement vieler Kolleg*innen ist zu betonen. Und gerade Lehrkräfte, die neben der Betreuung ihrer Klassen im Fernunterricht auch noch den Präsenzunterricht geschultert haben, sind besonders zu erwähnen. Allen gebührt unser Dank. Es ist aber auch richtig festzustellen, dass die Lernangebote im Fernunterricht sich in ihrer Qualität auch wahrnehmbar unterschieden haben.
In der Corona-Krise wurde deutlich, wie schnell sich bestehende Benachteiligungen verschärfen: Abhängigkeit des Bildungserfolgs von Herkunft, Bildungsstand und Geldbeutel der Familie.  Kinder im Gemeinsamen Lernen und in Förderschulen werden lange „nicht gesehen“, die Schulassistenzfrage in den Familien bleibt quälend lange ungeklärt und hängt u. U. wieder davon ab, wo man wohnt. Geflüchtete Kinder und Jugendliche haben es zusätzlich schwerer , Anschluss zu halten, Frauen werden wieder in überkommene Rollenmuster gedrängt.
Die Bildungsungerechtigkeit wurde durch Corona verschärft, die Regierung hat keine Gegenstrategien entwickelt..
Bildung sichern – Gesundheit schützen
Die Frage, wie es mit Schule weitergeht, hat den Schulausschuss und das Plenum des Landtags in den letzten Wochen sehr beschäftigt. Wir haben in einem ausführlichen Entschließungsantrag dargelegt, was jetzt getan werden muss. So muss gewährleistet sein, dass spätestens zum neuen Schuljahr alle Schüler*innen verlässlich in der Kombination von Präsenz- und Fernunterricht auf der Grundlage klarer Vorgaben und Konzepte verbindlich unterrichtet werden. Dabei sollen die möglichst langen Präsenzphasen in stabilen, kleineren Lerngruppen zu verlässlichen Zeiten stattfinden. Und das Land NRW muss für die Schulen rechtzeitige und verlässliche Planungsgrundlagen schaffen, um unter den Bedingungen des Gesundheitsschutzes allen Schüler*innen möglichst viel Lernzeit in den Schulen und erweiterten Lernräumen zu gewährleisten. Testkapazitäten sind ebenso auszubauen wie Fortbildungsangebote für Fernunterricht. Mehr Räume, Zeit und Personal:  Aktivitäten der Landesregierung, um das sicherzustellen, sind bis heute nicht zu vernehmen.
Bildungssommer 2020
Auch die Sommerferien werden dieses Jahr anders als geplant. Hierzu haben wir einen Antrag in die plenare Debatte eingebracht. Wir wollen, dass die Landesregierung jetzt ein attraktives Ferienprogramm für die Mädchen und Jungen in NRW fördert. Wegen der Corona-Krise wird es für längere Zeit keinen regulären Unterricht für die Schüler*innen in NRW geben. Je nach Modell und Kapazitäten der Schulen  werden die Kinder und Jugendlichen nur tageweise wieder Präsenzunterricht erhalten. Viele Bildungsexpert*innen stellen zu Recht fest, dass – wie schon ausgeführt-,die Pandemie Bildungsungerechtigkeiten verschärft. Geplante Urlaubsreisen fallen aus, Eltern haben Überstundenkontingente und Urlaubstage zur Überbrücken von Betreuungszeiten aufgebraucht.
Diesem Antrag haben übrigens nur wir GRÜNE im Plenum zugestimmt. Da sich die Ministerin an dem Tag aber grundsätzlich wolkig äußerte, dass es Überlegungen gäbe, den  Akteur*innen aber die Zeit davon läuft, haben wir eine Berichtsanfrage für den Schulausschuss gestellt. Wir wollen, dass die Ministerin Tacheles redet, ob es tatsächliche Planungen seitens der Landesregierung gibt, Aktivitäten im Sommer zu unterstützen. Zahlreiche Kommunen haben schon das Streichen von Ferienprogrammen aus Finanzgründen beschlossen. Es reicht eben nicht, lediglich die Coronaschutzverordnung zu verändern.
Digitalisierung und Corona
Corona hat in vielen Bereichen einen Digitalisierungsschub gebracht. Das betrifft auch den Schulbereich. Einige Schulen waren schon vor der Pandemie auf einem guten Weg mit ausreichender Ausstattung und erprobten pädagogischen Konzepten. Andere waren noch in der Entwicklung oder warteten überhaupt auf ein belastbares WLAN. Die Schulen und Schulträger haben nun viel im Schnelldurchgang auf den Weg gebracht, viele Lehrkräfte haben Medien und Wege erstmals genutzt und sich auch gegenseitig unterstützt.
Auf Seiten des Schulministeriums wurden die Hausaufgaben allerdings nicht erledigt. Die Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Ausstattung der Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten treten seit langem auf der Stelle. Lehrkräfte, die ihre privaten Geräte nutzen (müssen!), sehen sich dem Vorwurf des Verstoßes gegen den Datenschutz ausgesetzt. Einige Schulleitungen untersagen die Nutzung eines Videokonferenztools, um nicht gegen Datenschutzauflagen zu verstoßen. Andere machen es einfach, weil das Ministerium keine Antworten liefert,  die Schüler*innen aber so gut wie möglich beschult werden müssen.
Erschreckend ist auch die offensichtlich lange Sprachlosigkeit zwischen dem Schulministerium und der zuständigen Landesdatenschutzbehörde (LDI) in der Pandemiesituation.
An Logineo sind nicht einmal 20% der Schulen angebunden. Schulen und Schulträger haben sich längst auf dem Markt für Lernmanagementsysteme umgesehen und für Produkte entschieden , die viele Tools mitbringen. Ein Videokonferenztool und Messangerdienst sollte endlich vom Schulministerium zur Verfügung gestellt werden. Das haben wir frühzeitig thematisiert und auch noch einmal in einem Entschließungsantrag dargelegt. Eine Fortbildungsoffensive ist zudem unabdingbar, Coachingprogramme für Schüler*innen untereinander wie auch für Tutorials und Tutorenprogramme für Lehrkräfte. Lehramtsstudierende im Praxissemester sollten hier unterstützen.
Für den Fernunterricht muss für Chancengleichheit gesorgt werden. Dazu gehört Zugang zu Endgeräten und Infrastruktur wie Drucker, Scanner und WLAN zuhause, bzw. im heimischen Umfeld. Das Landessozialgericht hat jüngst entschieden, dass der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an dem pandemiebedingten Schulunterricht im Regelbedarf nicht berücksichtigt ist und einen „anzuerkennenden unabweisbaren, laufenden Mehrbedarf darstellt“.
Schulverpflegung
Die Corona-Pandemie  hat nicht nur den regulären Schulbetrieb für Wochen außer Kraft gesetzt, auch die Schulmensen blieben geschlossen. Mensavereine und Anbieter mussten Kurzarbeit anmelden und kamen in eine schwierige wirtschaftliche Situation.
Die Versorgung der Schüler*innen gerade aus benachteiligten Familien war nicht gewährleistet. Schulen und Kommunen haben sehr pragmatisch reagiert und oft eine Versorgung mit Verpflegung für bedürftige Kinder organisiert.
Für die Schulverpflegung stellen sich auch zum neuen Schuljahr komplexe Fragen, abhängig von den konkret angedachten Konzepten, u.a. in Bezug auf den Ganztag. Die Landesregierung hat dazu bislang keine Antworten gegeben. Die Mensavereine und anderen Anbieter werden noch auf absehbare Zeit mit Mehrbelastungen zu rechnen haben. Dazu gehören Auflagen der Hygienevorschriften, ggf. sogar auch die notwendige und wünschenswerte Versorgung der Schülerinnen und Schüler zu Hause. Das Sozialministerium hat am 2. Juni per Erlass klargestellt, dass die Ausgabe von Essensgutscheinen kein Ersatz für die Schulverpflegung für sozial benachteiligte Kinder darstellt, sondern falls nicht in der Schule gegessen werden kann, den Kindern das warme Essen nach Hause gebracht werden muss.
Ich habe hierzu zwei Kleine Anfragen an die Landesregierung gestellt zu Vorgaben und Unterstützung.
Vollzeitschulische Ausbildungsgänge
Es ist leider zu erwarten, dass sich die wirtschaftlich schwierige Situation, in der sich viele Betriebe wegen Corona befinden, auch auf die berufliche Ausbildung niederschlägt. Die Zahl der Ausbildungsplätze könnte sich deutlich verringern. Deshalb ist es wichtig, das Angebot an vollzeitschulischen Bildungsgängen bedarfsgerecht an Berufskollegs vorzuhalten und für die notwendigen Stellen zu sorgen. Ich habe hierzu eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt.
Fernunterricht statt Homeschooling
Viel wird im Moment von Homeschooling gesprochen. Das legt eine falsche Fährte. Die Homeschoolingbewegung misstraut der öffentlichen, ja sogar der privaten Schule. Homeschooling-Eltern widersprechen der Schulpflicht oftmals aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen und wollen ihre Kinder ausschließlich selbst unterrichten. Im Gegensatz dazu verantwortet der Staat den Fernunterricht und ist deshalb auch für die Qualität und Bildungsgerechtigkeit verantwortlich.
Lohnausfall für angestellte Lehrkräfte
Etwa 30 % der Beschäftigten im Schulbereich gehören zu einer Risikogruppe oder sind in Quarantäne. Bisher konnten die Landesbeschäftigten davon ausgehen, dass damit keine finanziellen Beeinträchtigungen verbunden sind. Für beamtete Landesbeschäftigte trifft das auch zu. Aber bei Angestellten ist nach sechs Wochen Schluss. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW hat mitgeteilt, dass es bis zu sechs Wochen die Lohnfortzahlung tätigt. Danach müssen die Beschäftigten bei den örtlichen Behörden für soziales Entschädigungsrecht einen Antrag stellen, um wenigstens eine Entschädigung in Höhe des Krankengeldes erhalten zu können. Das empfinden angestellte Landesbeschäftigte, darunter viele Lehrkräfte als massive Zurücksetzung und Benachteiligung. Ich habe deshalb eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet.
15. Schulrechtsänderungsgesetz
Beim Schulgesetz hatten sich einige kleinere Änderungsbedarfe ergeben, die die Landesregierung in einem 15. Schulrechtsänderungsgesetz dem Parlament vorgelegt hat. In der Sachverständigenanhörung gab es dazu einige Kritik. Sowohl an dem, was geändert werden soll, aber ebenso, was nicht aufgenommen wurde. So plante die Landesregierung mit dem Gesetz eine Ermächtigung für sich selbst, die Schulaufsicht neu zu regeln. Das widerspricht dem laufenden Dialogprozess zur Reform der Schulaufsicht und wäre auch nicht verfassungskonform, da es einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Regierung hat das dann zurückgenommen. Ebenso war vorgesehen, die Studienkollegs in NRW sofort zu schließen. Sie dienen der schulischen Vorbereitung von Studierenden aus anderen Ländern. Der Wert der Einrichtungen wurde von der Koalition nicht bestritten, aber die Finanzierung aus dem Schuletat sollte entfallen. Aber man kann nicht erst die Struktur zerschlagen und dann eine alternative Finanzierung suchen. Die Koalition musste sich einem breiten Druck beugen und hat per Änderungsantrag zumindest eine Übergangsfrist bis 2025 verankert. Hart blieben Koalition und Landesregierung bei weiteren Kritikpunkten: Erweiterte Möglichkeiten für Schulen, Bildungsgänge an den Schulen anzubieten, damit Abschulungen verhindert werden können, z.B. das Angebot des Hauptschulbildungsgang an Realschulen (§132c). Auch der Schulversuch Primus wurde nicht abgesichert entgegen der Empfehlung der wissenschaftlichen Gutachter*innen und vorliegenden Evaluationen des Schulversuchs. Wir haben unsere Kritik in einem Entschließungsantrag eingebracht, der auch Gegenstand der Anhörung war. Unsere Kritik spiegelt sich auch in den schriftlichen Stellungnahmen wider.
Fach Wirtschaft in der Sekundarstufe I
Die FDP spricht gerne davon, dass sie weltbeste Bildung für NRW will. Ein zentrales Projekt ist die Verankerung des Fachs Wirtschaft an allen Schulen. Dabei geht sie wie auch die CDU von einem rückwärtsgewandten Wirtschaftsverständnis aus. Das wurde schon bei der Anhörung zur Verankerung des Fachs Wirtschaft im Gymnasium im Zusammenhang mit der Umstellung auf G9 deutlich. Nun standen die Anpassungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Sek-I zur Debatte. Auch hier wurde Kritik von Seiten der Sachverständigen in der Anhörung laut. Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Schulen im Moment stehen, wurde gefordert, zumindest die Umsetzung um ein Schuljahr zu verschieben, worauf sich CDU und FDP aber nicht einließen. Schaut man sich die Stundentafeln der Schulformen an, so wird deutlich, dass das Gymnasium für die Vermittlung des gleichen Stoffs deutlich mehr Stundenkontingente erhält als die anderen Schulformen. Das ist sachlich und fachlich nicht gerechtfertigt und verfestigt strukturell unterschiedliche Ausgangslagen für die SEK II.  Bewusste Steuerung oder wieder einmal gedankenlose Fahrlässigkeit?
Zukunftsplan Grundschule
Mit dem Koalitionsvertrag hat die Koalition lauttönend einen Masterplan Grundschule angekündigt. Das war´s. Seit 2017 haben wir zig Ankündigungen, jetzt komme der Masterplan aber wirklich, u. a. regelmäßig immer vor Weihnachten. 
Wir hatten deshalb einen Zukunftsplan Grundschule vorgelegt, mit den Maßnahmen, die aus unserer Sicht nötig sind. Natürlich gehört auch die überfällige Anpassung der Besoldung der Grundschullehrkräfte dazu. In den schriftlichen Stellungnahmen und der Anhörung  gab es dazu viel Zustimmung. Aber letztlich wurde der Antrag von der Koalition abgelehnt. Aber anders als bislang gibt es aktuell nicht mal mehr einen neuen Termin, zu dem der Masterplan vorliegen soll. Es scheint, als hätten sich die Schulpolitiker*innen der Koalition schon damit abgefunden, dass sie in der Koalition und besonders beim Finanzminister nicht mehr besonders viel für die Grundschulen rausholen können.
Politische Bildung ist systemrelevant für die Demokratie – mehr denn je
„Mit der Corona-Pandemie droht auch die Demokratie in eine Krise zu geraten. An den Demonstrationen gegen die Einschränkungen nehmen neben Bürger*innen mit berechtigten Sorgen um ihre Existenz auch Verschwörungsphantasten, Antisemit*innen, Reichsbürger und Rechtsextremist*innen teil. Mehr noch: Rechtsextremist*innen versuchen, diese Demonstrationen zu instrumentalisieren und damit in der gesellschaftlichen Mitte anzudocken.“ So heißt es in einer Petition. Und weiter:  „Doch viele Veranstaltungen der politischen Bildung fallen Corona-bedingt aus, öffentliche Räume für direkte Kommunikation fehlen. Die Folgen bedrohen unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Heimvolkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen stehen vor dem wirtschaftlichen Aus; kommunale Volkshochschulen können nur noch eingeschränkt politische Bildung anbieten. Viele politische Bildner*innen sind freiberuflich tätig, etliche von ihnen haben keine Einkünfte mehr.
Wir, Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen, appellieren daher an alle Verantwortlichen im Bund, den Ländern und Kommunen, bei den Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen die politische Bildung zu sichern. Nur so kann sie auch weiterhin aktiv und kreativ gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Demokratieverachtung arbeiten.“
Die Initiator*innen freuen sich über weitere Unterstützung!
Weiterbildung weiterentwickeln
Am 22.05.2020 wurde im zuständigen Wissenschaftsausschuss die Weiterbildungskonferenz des Landtags unter Beteiligung der kommunalen und freien Träger der gemeinwohlorientierte Weiterbildung ausgewertet. Deren Gesprächskreis hat eine ausführliche Zusammenfassung erstellt, die auch Beratungsgrundlage im Ausschuss war und aufzeigt, worauf bei der Novellierung des Weiterbildungsgesetzes Wert gelegt werden muss.
Und zum guten Schluss:
…wünsche ich uns allen, dass das Coronavirus auch Urlaub macht. Ganz für sich allein.

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