Schwarz-Gelb erwägt Abschaffung der Stichwahl 2020

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
wie in der vergangenen Woche bekannt wurde prüft die schwarz-gelbe Landesregierung offenbar die 2011 wieder eingeführte Stichwahl bei Oberbürgermeister- und Landratswahlen schon zum Jahr 2020 wieder abzuschaffen. Bei der CDU verwundert uns dieses Vorgehen nicht, da sich die Partei schon immer für eine Abschaffung ausgesprochen hat.  Die FDP vollzieht nun allerdings eine Kehrtwende: 2007 stimmte sie in der Regierung mit der CDU für die Abschaffung, 2011 mit SPD, uns Grünen und der LINKEN für die Wiedereinführung und jetzt offenbar wieder für die Abschaffung. Mit einem solchen Zickzack-Kurs schafft man keine verlässlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit vor Ort.
Gründe für die Wiedereinführung der Stichwahl 2011
Mit der Wiedereinführung der Stichwahl bei den Wahlen der Hauptverwaltungsbeamt*innen in den Städten, Gemeinden und Kreisen haben wir in unserer Regierungszeit sichergestellt, dass die gewählten Oberbürgermeister*innen und Landrät*innen tatsächlich auch wieder die Mehrheit der Bürger*innen vertreten. Das stärkt die Legitimation der Gewählten, das Gestaltungsrecht der Bürger*innen und im Übrigen auch die Rechte kleinerer Parteien in besonderer Weise. (Ober-)Bürgermeister*innen oder Landrät*innen mit Wahlergebnissen rund um die 30 Prozent, wie es bei der Kommunalwahl 2009 möglich war (die Wülfrather Bürgermeisterin wurde beispielsweise mit 27 Prozent ins Amt gewählt), sollten der Vergangenheit angehören.
Bei der OB- und Landratswahl im Jahr 2015 setzten sich in sechszehn Fällen Kandidat*innen in der Stichwahl durch, die im ersten Wahlgang nicht die Mehrheit auf sich vereinen konnten (manche OBs bzw. Landrät*innen machten von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Amtszeit um ein Jahr zu verkürzen, so dass hier nicht alle Wahlen berücksichtigt wurden). So erreichte der CDU-Amtsinhaber in Wuppertal zwar mit 37.014 Stimmen im ersten Wahlgang knapp 2.000 Stimmen mehr als sein SPD-Herausforderer. In der Stichwahl zwei Wochen später konnte der SPD-Kandidat allerdings 20.000 Stimmen dazu gewinnen, während der im ersten Wahlgang Erstplatzierte noch 700 Stimmen verlor. Die Wähler*innen haben hier also zwischen erstem und zweitem Wahlgang von ihrem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht und sich bewusst hinter einen anderen Kandidaten als im ersten Wahlgang versammelt. Damit wird deutlich, dass bei einer Abschaffung der Stichwahl in diesem Beispiel ein Kandidat gewonnen hätte, der nachweislich rund 60 Prozent der Wähler*innen nicht auf seiner Seite hatte. In den Fällen, in denen es eine Veränderung zwischen den beiden Wahlgängen gab, hat sich die Wahlbeteiligung übrigens im Vergleich meist nicht signifikant verändert.
Gründe für die geplante Abschaffung
Der Landesparteitag der NRW-CDU hat am 09.06.2018 beschlossen, die Stichwahl bei der Wahl der kommunalen Hauptverwaltungsbeamt*innen in NRW abzuschaffen. Die offiziellen Gründe, die hierfür ins Feld geführt werden, sind einerseits die niedrigere Wahlbeteiligung in den zweiten Wahlgängen und andererseits die bei der Durchführung der Stichwahl entstehenden Kosten. Bei einer Analyse der Ergebnisse der zurückliegenden OB- bzw. Landratswahlen fällt allerdings ein möglicher weiterer Grund ins Auge, der für die Union maßgebend sein könnte: Bei den o. g. sechszehn Fällen, in denen eine andere*r Kandidat*in im ersten Wahlgang vorne lag, geschah dies zehnmal zum Nachteil der CDU, fünfmal gewann die CDU in der Stichwahl. Das kann aber aus unserer Sicht nicht dazu führen, dass man diesen strukturellen Nachteil auszugleichen versucht, indem eine Schwächung der demokratischen Legitimation und der Gestaltungsmöglichkeit der Wähler*innen hingenommen wird.
Die Art und Weise, wie nun versucht wird, nicht einmal mehr zwei Jahre vor der kommenden Kommunalwahl die Spielregeln zu ändern, ist aus unserer Sicht ein Unding. Viele Kreisverbände beginnen jetzt bereits mit ihren strategischen Planungen für die OB- oder Landratswahl. Für uns GRÜNE macht es einen Unterschied, ob es einen oder zwei Wahlgänge gibt: Im zweiten Fall lohnt es sich, für den ersten Wahlgang mit eine*r eigenen Kandidat*in ins Rennen zu gehen, im ersten Fall wäre eine gemeinsame Kandidatur mit anderen Parteien zumindest überlegenswert. Die Landesregierung sorgt hier für Verunsicherung und schwächt die Planungssicherheit insbesondere kleinerer Parteien.
Wir sind gespannt, ob, wann und wie die Landesregierung einen entsprechenden Vorschlag vorlegt. Wir werden Euch weiterhin informieren, damit Ihr für eure Planungen auf dem aktuellsten Stand seid. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, die Kritik aus den Kommunen heraus zu artikulieren und entsprechende Resolutionen in die Räte bzw. Kreistage einzubringen.
Für Rückfragen steht Euch unser wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunalpolitik, Marc Schulz (marc.schulz@landtag.nrw.de, 0211 884 2862) gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Mehrdad Mostofizadeh

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