Die Zahlen sind alarmierend: 2024 wurden in NRW so viele rechtsextreme Straftaten angezeigt wie noch nie seit Einführung des Erfassungssystems für politisch motivierte Straftaten im Jahr 2001. Uns Grünen ist es klar, aber es muss ein Ruck durch die gesamte Gesellschaft gehen: Unsere Demokratie ist in Gefahr. Statistisch wurden 2024 pro Tag 15 rechtsextreme Straftaten angezeigt. Es sind unsere Nachbar*innen, Kolleg*innen und Schulfreund*innen, die hier angegriffen werden. Mit dieser Kommunalinfo wollen wir Euch über die aktuellen Zahlen informieren, die wir beim Innenministerium abgefragt haben.
Woher stammen die Zahlen?
Als Grüne Landtagsfraktion fragen wir seit 2011 jährlich die Details zur politisch motivierten Kriminalität Rechts (PMK-Rechts) beim Innenministerium ab. Das erlaubt uns eine Auswertung über einen sehr langen Zeitraum und auch eine ortsgenaue Erfassung. Hier findet Ihr eine Übersicht der Zahlen zu politisch rechts motivierten Straftaten sowie einigen Phänomen der Hasskriminalität sowie hier eine Übersicht mit den ortsspezifischen Zahlen – jeweils mit Vergleichszahlen der vergangenen Jahre.
Was sind landesweit die zentralen Ergebnisse?
Mit 5.641 Straftaten gab es 2024 den Höchststand rechtsextrem motivierter Straftaten in NRW. Im Jahr 2023 wurden 3.549 Straftaten erfasst. Das ist eine Zunahme von 59 Prozent. Besonders besorgniserregend ist der erneute massive Anstieg antisemitischer Straftaten um 27 Prozent (von 547 Straftaten in 2024 auf 695 in 2024), islamfeindlicher Straftaten um 26 Prozent (von 269 auf 338) und queerfeindlicher Straftaten um 68 Prozent (von 121 auf 203). Flüchtlingsfeindliche Straftaten sind von 258 auf 279 (8 Prozent) gestiegen. 2024 wurden 30 antiziganistische Straftaten erfasst, 2023 waren es 22 gewesen (36 Prozent).
Was ist der Hintergrund des dramatischen Anstiegs?
Rechtsextreme fühlen sich offensichtlich bestärkt durch die Wahlergebnisse der verfassungsfeindlichen, rassistischen AfD und greifen gezielt Minderheiten an. Wir wissen und sagen es seit Jahren: Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für unsere Demokratie – und er ist eine wachsende Gefahr. Wir haben eine gefährliche Diskursverschiebung und aus Worten werden Taten. Unsere Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer und Dorothea Deppermann, unsere Sprecherin für Verfassungsschutz, haben eine Pressemitteilung zum aktuellen Lagebild und unseren erfragten Zahlen veröffentlicht. Darin beschreiben sie auch wie die rechtsextreme Szene durch soziale Medien und persönliche „Events“ eine Community aufbaut, dabei immer subtiler vorgeht und mit neuen Formaten den Anschluss an die gesellschaftliche Mitte herzustellen versucht.
Welche Gegenmaßnahmen ergreifen wir?
Neben der konsequenten Strafverfolgung sind wir als gesamte Gesellschaft gefragt überall und jederzeit gegen rechtsextreme und menschenverachtende Hetze vorzugehen. Alle Demokrat*innen sind gefordert, diesem Menschenhass und diesen Angriffen entgegenzutreten. Einen unschätzbaren Beitrag leistet die Beratungsstruktur gegen Rechtsextremismus von Mobiler Beratung, Opferberatung und zivilgesellschaftlicher Aussteigerberatung, die sowohl in konkreten Fällen Menschen unterstützen als auch wichtige Ansprechpartner*innen für Behörden und Institutionen sind. Diese Arbeit werden wir weiter unterstützen. Als schwarz-grüne Koalition werden wir zur Stärkung der politischen Bildung die Landeszentrale inhaltlich besser aufstellen und selbstständiger machen. Vergangene Woche haben vier weitere Meldestellen ihre Arbeit aufgenommen. DINA (Dokumentations- und Informationsstelle Antiziganismus NRW), MEDAR (Melde- und Informationsstelle antimuslimischer Rassismus), MIQ (Melde- und Informationsstelle Queerfeindlichkeit NRW) sowie MIRa (Melde- und Informationsstelle anti-Schwarzer, antiasiatischer und weitere Formen von Rassismus) werden gemeinsam mit den Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) rassistische, antiziganistische, antimuslimische und queerfeindliche Diskriminierung sichtbarer machen. Denn nicht alle Fälle werden angezeigt und wir wollen, dass auch Fälle von Diskriminierung unterhalb der Strafbarkeitsgrenze dokumentiert werden. Die Erkenntnisse der Meldestellen werden auch bei der Weiterentwicklung von Gegenstrategien enorm wichtig sein.
Die Kurzauswertung der Anfragen zu politisch rechts motivierten und menschenverachtenden Straftaten:
Politisch rechts motivierte Kriminalität (PMK-Rechts) 2024
Anstieg von 3.549 Straftaten in 2023 auf 5.641 in 2024
Gewalttaten gestiegen (2023: 116, 2024: 154)
Die meisten Gewalttaten sind Körperverletzungsdelikte: 145 von 154 (94%)
Anstieg der Hasskriminalität von 1.432 auf 2.049 (43%)
Starke Zunahme an Straftaten gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbolik von 499 auf 1.611 (223%)
Antisemitische Straftaten 2024
Anstieg von 547 in 2023 auf 695 im Jahr 2024 (27%)
Etwa 50% der Straftaten werden der PMK Rechts zugeordnet. 22% der Straftaten werden der PMK ausländische Ideologie sowie 14% der PMK religiöse Ideologie zugeordnet. In den vorherigen Jahren waren die antisemitischen Straftaten immer zum größten Teil der PMK Rechts zugeordnet.
Es gab 16 Gewaltdelikte. 2,3% aller antisemitischen Straftaten sind Gewalttaten.
Islamfeindliche Straftaten 2024
Anstieg von 269 in 2023 auf 338 in 2024 (26%)
Die meisten Straftaten werden der PMK Rechts zugeordnet (80%)
Es gab 14 Gewaltdelikte. 4% aller islamfeindlichen Straftaten sind Gewalttaten.
Flüchtlingsfeindliche Straftaten 2024
Anstieg von 258 in 2023 auf 279 in 2024 (8%)
Die meisten Straftaten werden der PMK Rechts zugeordnet (91%).
Es gab 26 Gewalttaten. 9% aller flüchtlingsfeindlichen Straftaten sind Gewalttaten.
Antiziganistische Straftaten 2024
Anstieg von 22 in 2023 auf 30 in 2024 (36%)
Die meisten Straftaten wurden der PMK Rechts zugeordnet.
Queerfeindliche Straftaten 2024
Anstieg von 121 auf 203 in 2024 (68%)