Praxisbeispiele für kommunale Handlungsmöglichkeiten in der Flüchtlingspolitik

Kommunalinfo

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
wir haben bereits in unserem vergangenen Kommunalinfo über die kommunalen Handlungsmöglichkeiten in der Flüchtlingspolitik informiert. Nach unserer gleichnamigen Veranstaltung am 29. März im Landtag in Düsseldorf wurde deutlich, dass weiteres Interesse an Praxisbeispielen besteht. Deshalb wollen wir im Folgenden ausführlicher auf die beiden Punkte ausländerrechtliche Beratungskommission und Bleiberechtsmöglichkeiten für langjährig Geduldete eingehen.

Ausländerrechtliche Beratungskommission

Mehrere Kommunen in NRW haben eine ausländerrechtliche Beratungskommission eingerichtet oder haben die Einrichtung einer solchen Kommission zumindest diskutiert. Die Erfahrungen mit diesem Gremium sind sehr unterschiedlich. Eine solche Beratungskommission, die sich ausländerrechtlicher Härtefälle im Dialog zwischen Institutionen der Flüchtlingshilfe und der Verwaltung annimmt, kann zu einem besseren Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten führen. Im besten Fall folgt daraus, dass Ausländerbehörde und Verbände sich bei schwierigen Fällen so früh miteinander in Verbindung setzen, dass Lösungen im Sinne der Geflüchteten gefunden werden können, bevor es zur Befassung als Härtefall in der Beratungskommission kommt.
Im Gespräch mit Uli Bangert (GRÜNE Fraktion im Kreistag Unna) und Herbert Goldmann MdL (Sprecher für den Petitionsausschuss der GRÜNEN Landtagsfraktion) wurde deutlich, dass es im Kreis Unna gelungen ist, ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten herzustellen. Zwei wichtige Voraussetzungen dafür waren klare Verfahrensgrundsätze und ein von allen Seiten anerkannter und respektierter Vorsitzender der ausländerrechtlichen Beratungskommission. (Das Beispiel anderer Kommunen zeigt aber auch, dass letzteres kein Garant für einen Erfolg dieses Gremiums sein muss.) Der Antrag aus Unna zur Einrichtung der Kommission inklusive der Verfahrensgrundsätze (ab Seite 4) befindet sich im Anhang.
Da mittlerweile viele Fälle miteinander besprochen werden, bevor es überhaupt zu einer Befassung in der Beratungskommission kommt, hat sich für die Mitglieder der ausländerrechtlichen Beratungskommission im Kreis Unna inzwischen ein anderes Betätigungsfeld ergeben. So findet alle zwei Monate eine „Fragestunde mit dem Ausländeramt“ statt, in der sowohl ehrenamtliche Helfer*innen als auch hauptamtlich Tätige durch den Dschungel der vielen Änderungen im Ausländerrecht geführt werden. Außerdem ist eine Art Ehrenamtsbörse entstanden.

Kölner Dringlichkeitsantrag zu „Bleiberechtsmöglichkeiten für langjährig Geduldete“

Der Antrag „Bleiberechtsmöglichkeiten für langjährig Geduldete“ wurde am 9. Januar 2017 im Kölner Hauptausschuss von allen demokratischen Ratsfraktionen mit Ausnahme der FDP beschlossen. Darin wird die Verwaltung aufgefordert, „alle Initiativen zu fördern, die darauf hinwirken, für langjährig geduldete Menschen in Köln eine sichere Aufenthaltsperspektive zu schaffen“.
Der Kölner Antrag zeigt, dass die Ausländerbehörde trotz steigenden Drucks durch die Bundespolitik einen gesetzlich verankerten Spielraum hat. Ein auf dem Kölner Antrag basierender Musterantrag ist im Anhang beigefügt.
Auf diese gesetzlichen Regelungen, die den Ausländerbehörden Spielraum geben, einen weiteren Aufenthalt aufgrund humanitärer Aspekte oder erbrachter Integration zu ermöglichen, wollen wir noch einmal hinweisen. In NRW existieren dazu mehrere Erlasse des Innenministeriums: Anwendungshinweise zu § 25a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden),
·       Hinweise zur Prüfung eines Bleiberechts nach § 25b Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration für langjährig geduldete Personen), enthalten im Erlass 121-39.13.01-1-16-132(2604) vom 21. Juni 2016,
·       Anwendungshinweise zu den Anforderungen an ein Aufenthaltsrecht aus § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (Erlass 15-39.07.17-1-12-023(2603) vom 2. Juli 2012) und
·       Regelungen im Zusammenhang mit § 60a Abs. 2 Satz 4ff. Aufenthaltsgesetz zum Anspruch auf Duldung zum Zweck der Ausbildung (Erlass 122-39.06.13-2-230(2602) vom 21. Dezember 2016).
Der Kölner Antrag hatte auch deshalb Erfolg, weil er Teil einer Bleiberechtskampagne ist, die 2016 von Rom e.V., dem Kölner Flüchtlingsrat und dem Runden Tisch für Integration ins Leben gerufen wurde. Nach Gesprächen mit den Ratsfraktionen und der Oberbürgermeisterin wurde Ende 2016 eine Großanzeige im Kölner Stadt-Anzeiger in Form eines offenen Briefes an die Kölner Politik geschaltet. Der offene Brief wurde durch eine Online-Petition ergänzt. Der Antrag wurde im Januar 2017 beschlossen. Eine Beschlussfassung zu diesem Zeitpunkt war für das Bündnis wichtig, da der Druck auf die Kölner CDU durch die Abschiebepolitik der Bundes-CDU immer stärker stieg. Außerdem sollte die Kölner Ausländerbehörde, die seit Januar nur eine kommissarische Leitung hatte, und deren potentielle*r Nachfolger*in frühzeitig durch den Beschluss gebunden werden. Der nächste Schritt des Bündnisses ist die Entwicklung eines Kriterienkatalogs, nach dem die Ausländerbehörde alle Fälle bearbeiten soll, die potenziell ein Bleiberecht bekommen können. Das Kölner Bündnis möchte dies ergänzen durch eine aufsuchende, unabhängige Flüchtlingsberatung, um langjährig Geduldete zu motivieren, selbst Bleiberechtsanträge zu stellen.
Es gibt also durchaus Handlungsmöglichkeiten für die Kommunen im Sinne der Geflüchteten zu handeln – trotz tatsächlich steigendem Abschiebedrucks. Als letzter Ausweg bleiben dann noch die Härtefallkommission des Landes und der Petitionsausschuss des Landtags.

Härtefallkommission des Landes Nordrhein-Westfalen

Martin Strätling vom Caritasverband Paderborn e.V. und Mitglied der Härtefallkommission (HFK) stellte deren Arbeit vor. Die HFK kann darum ersuchen, dass einer ausreisepflichtigen Person abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 a Aufenthaltsgesetz erteilt wird. Die zuständige Ausländerbehörde ist aber nicht gezwungen, dem Ersuchen zu folgen.
Für Antragsteller*innen ist wichtig, dass es nicht um eine juristische Darstellung geht, sondern darum, dass die Mitglieder der Kommission ein möglichst lebendiges Bild des Falles erhalten. Übrigens kann auch die Ausländerbehörde einen Antrag bei der Kommission stellen.

Petitionsausschuss des Landes NRW

Im Gegensatz zur HFK befasst sich der Petitionsausschuss des Landtags mit unterschiedlichen Themenfeldern. Petitionen zu ausländerrechtlichen Fragen machen inzwischen etwa 13 Prozent der eingegangenen Petitionen aus. An den Petitionsausschuss kann sich jede*r wenden – unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Eine Petition muss schriftlich eingereicht werden (das ist auch online möglich), eine Formvorschrift gibt es nicht. Es ergibt keinen Sinn, sich gleichzeitig an die Härtefallkommission und den Petitionsausschuss zu wenden. Wenn ein Antrag bei der HFK keinen Erfolg hatte, kann man sein Anliegen aber immer noch an den Petitionsausschuss richten. Im Unterschied zur HFK bietet der Petitionsausschuss die Möglichkeit eines persönlichen Kontaktes, wenn zum Beispiel Anhörungstermine durchgeführt werden, bei denen die Möglichkeit besteht, das Anliegen am „Runden Tisch“ zu erläutern. Auch für den Petitionsausschuss gilt, dass eine Entscheidung für die Ausländerbehörde nicht bindend ist. Weitere Informationen zu Petitionen gibt es auch in unserer Broschüre.
Wir hoffen, dass es Ihnen und Euch gelingt, den kommunalen Handlungsspielraum im Sinne der Geflüchteten bestmöglich zu nutzen und bieten dabei Unterstützung an. Bei Fragen stehen wir und sowie unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Cornelia Schröder (cornelia.schroeder@landtag.nrw.de; 0211/884-2276) zur Verfügung.
Mit Grünen Grüßen 
Herbert Goldmann                     Jutta Velte