Kommunalinfo zum Cannabisgesetz

Portrait Dagmar Hanses
Portrait Dennis Sonne

Der Bundestag hat die regulierte Freigabe von Cannabis beschlossen. Dafür haben wir GRÜNE uns seit Langem eingesetzt. Hiermit möchten wir, Dagmar Hanses (Sprecherin für Jugendpolitik und Rechtspolitik) und Dennis Sonne (Mitglied im Gesundheitsausschuss), Euch einen Überblick über das Konsumcannabisgesetz und die Situation in NRW geben und Euch über das weitere Verfahren informieren.

 

Worum geht es im Konsumcannabisgesetz?
Mit dem Gesetz legalisiert die Bundestagsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP den Konsum und Besitz von Cannabis für Erwachsene. Dadurch soll der Gesundheits- und Jugendschutz verbessert, der Schwarzmarkt zurückgedrängt und die Kriminalisierung von Konsument*innen beendet werden. Wir GRÜNE stehen dafür ein, die Bevormundung informierter Erwachsener zu beenden und gleichzeitig Kinder und Jugendliche zu schützen.

Im Konsumcannabisgesetz wird zunächst der Anbau in nichtkommerziellen Anbauvereinigungen (Clubs) und im Eigenanbau geregelt. Für medizinisches Cannabis gibt es ebenfalls Erleichterungen.

Bisher stellt der Besitz von Cannabis auch in geringen Mengen eine Straftat dar. In NRW kann aktuell bei einer „geringen Menge“ von zehn Gramm von einem Strafverfahren abgesehen werden. Das liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaften und Gerichte. Künftig dürfen erwachsene Menschen bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen (davon 25 Gramm in der Öffentlichkeit). Bis zu drei Pflanzen dürfen sie im Eigenanbau anbauen. Außerdem sollen nichtkommerzielle Anbauvereinigungen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen.

 

Gesundheits-, Jugend- und Verbraucherschutz ist wesentlicher Bestandteil
Der Konsum von Cannabis kann die Entwicklung des Gehirns negativ beeinflussen. Kinder und Jugendliche müssen deshalb besonders geschützt werden. Mit der legalen Abgabe an Erwachsene können zugleich präventive Regelungen zum Schutz von Minderjährigen getroffen werden. Kriminelle Dealer*innen verkaufen Cannabis sogar an Kinder und Jugendliche. Zudem verbreiten sie auch verunreinigte Cannabinoide. Daher ist unter anderem die Eindämmung des Schwarzmarkts wichtig.

Zum Kinder- und Jugendschutz gehört, dass ausschließlich erwachsene Personen Mitglieder in einer Anbauvereinigung werden und diese betreten dürfen. Die Abgabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche bleibt weiterhin strafbar. Anbauvereinigungen, die Cannabis an Jugendliche abgeben, verlieren ihre Erlaubnis. Anbauvereinigungen dürfen nur mit einem Mindestabstand von 100 Metern zu Kitas, Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen errichtet werden. In Sichtweite solcher Einrichtungen ist der Konsum verboten.

Es gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.

Durch die legale, nichtkommerzielle Abgabe in den Clubs fallen finanzielle Anreize und Mechanismen des Schwarzmarktes weg: Das Cannabis kann frei von Streckmitteln, Verunreinigungen und gefährlichen synthetischen Cannabinoiden angeboten werden. Für Erwachsene unter 21 Jahren gelten abgesenkte THC-Grenzen und Abgabemengen. So wird die Gesundheit der Konsument*innen geschützt.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wird vermehrt Präventionsangebote anbieten.

 

Ziel: Entkriminalisierung
Wenn die Besitzgrenzen von 25 Gramm im öffentlichen Raum oder 50 Gramm in der Wohnung geringfügig überschritten werden, wird dies nur noch als Ordnungswidrigkeit gewertet. Bei diesen geringfügigen Überschreitungen handelt es sich um maximal 30 Gramm im öffentlichen Raum und 60 Gramm in der Wohnung.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes geht auch ein rückwirkender Straferlass einher. Noch nicht oder noch nicht vollständig vollstreckte Strafen im Zusammenhang mit Cannabisdelikten dürfen dann nicht mehr vollzogen werden.

 

Mögliche Verschiebung zur Entlastung der Justiz
Der rückwirkende Straferlass bedeutet einen hohen Prüfaufwand für Gerichte und Staatsanwaltschaften in den Bundesländern. Seit Herbst vergangenen Jahres haben alle Justizminister*innen der Länder auf diese Problematik hingewiesen. NRW ist nicht nur als bevölkerungsreichstes Land besonders betroffen, sondern auch durch die Grenzlage zu den Niederlanden. In der Grenzregion, zum Beispiel in den Landgerichtsbezirken Kleve und Aachen, wurden in der Vergangenheit überproportional häufig Besitz und Handel angezeigt.

Das geplante Inkrafttreten zum 1. April 2024 stellt die Justiz NRW vor die Herausforderung, dass es keine „Vollstreckung von Unschuldigen“ (§ 345 StGB) und keine „Strafvereitelung“ (§ 285 StGB) geben darf. Daher muss die Prüfung dieser Fälle zum Tag des Inkrafttretens abgeschlossen sein. Alleine in NRW müssen dafür mehrere zehntausend Fälle geprüft werden. Das kann die Justiz in der Kürze der Zeit nicht leisten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die SPD-Bundestagsfraktion haben auf frühzeitige Warnungen auch aus NRW leider nicht reagiert. NRW-Justizminister Benjamin Limbach setzt sich deshalb im Vorfeld der Bundesratsentscheidung für eine Verschiebung des Inkrafttretens ein, damit die Justizbehörden mehr Zeit für den rückwirkenden Straferlass erhalten. Das Gesetz würde nach seinem Vorschlag erst am 1. Oktober in Kraft treten. Die Kritik bezieht sich dabei ausdrücklich nur auf den Zeitplan – das Gesetz befürwortet auch er.

Langfristig wird das neue Gesetz aber Polizei und Justiz deutlich entlasten: 64 Prozent (45.133 Delikte) der Verstöße gegen das „Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln“ standen im Jahr 2022 in Nordrhein-Westfalen in Zusammenhang mit Cannabis (vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen 2022). Ein großer Teil dieser Delikte wird in Zukunft keine Straftat mehr sein.

Bloßer Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr kann künftig nicht mehr zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) führen. Die Regelungen werden damit jenen bei Alkohol angeglichen. Das Bundesverkehrsministerium muss bis Ende März 2024 einen angemessenen THC-Grenzwert für das Führen eines Fahrzeuges festlegen. THC (Tetrahydrocannabinol) ist der Bestandteil des Cannabis, der die berauschende Wirkung auslöst.

 

Wie geht es weiter?
Am 6. März wird das Gesetz in den Fachausschüssen des Bundesrates und am 22. März im Plenum des Bundesrates beraten. Legt er keinen Einspruch ein, wird es anschließend in zwei Stufen in Kraft treten: Die Regelungen zur Entkriminalisierung und zum Eigenanbau sollen ab April gelten. Die Regelungen zu den Anbauvereinigungen sollen im Juli 2024 in Kraft treten. Sollten die Länder sich dem Vorschlag vieler Landesjustizminister*innen anschließen und sich im Vermittlungsausschuss mit Ländern und Bundestag auf eine Verschiebung einigen, würde das Gesetz später in Kraft treten, voraussichtlich im Oktober 2024.

In jedem Fall ist es unser Interesse, dass der bayrische Antrag zur Anrufung des Vermittlungsausschusses des Bundesrates, der das Gesetz vollständig verhindern möchte, keine Mehrheit findet.

Gleichzeitig bereitet die Bundesregierung einen weiteren Gesetzentwurf vor. Darin geht es um räumlich und zeitlich begrenzte wissenschaftliche Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften. Mehrere Kommunen aus NRW haben bereits ihr Interesse an solchen Modellprojekten bekundet. Dieser Gesetzentwurf muss insbesondere auf die Vereinbarkeit mit EU-Recht geprüft werden.

Wir GRÜNE haben uns seit Jahren für die kontrollierte Abgabe von Cannabis eingesetzt. Denn die bisherige Verbotspolitik ist gescheitert. Nun muss es darum gehen, eine moderne Politik zu gestalten, die Entkriminalisierung mit Gesundheits-, Jugend- und Verbraucherschutz verbindet. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass dieser Gesetzgebungsprozess erfolgreich zu Ende gebracht wird und eine gute Umsetzung in NRW gelingt.

 

Weiterführende Infos der GRÜNEN Bundestagsfraktion zum Gesetzentwurf

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