Liebe Freundinnen und Freunde,
immer wieder erschüttern Missstände in der Schlachtbranche die Öffentlichkeit. Wir nehmen die Fälle zum Anlass, euch zu informieren und aufzuzeigen, dass unsere Forderung nach wirksamen Kontrollen v. a. an tierschutzsensiblen Stellen leider nicht an Aktualität eingebüßt hat.
Im Juli deckten Recherchen einer Tierschutzorganisation die ungeheure Tierquälerei in einer Viehsammelstelle in Werne im Kreis Unna auf. Mitarbeitende der Firma haben nicht transportfähige Tiere brutal misshandelt und trotz allem zur Schlachtung transportiert. Das Politik-Magazin FAKT hat die Vorwürfe aufgegriffen und dazu berichtet (Sendung vom 27.07.21 und Sendung vom 17.08.21).
Was in Werne passierte, ist kein Einzelfall, sondern die Folge eines völlig verkorksten und fehlgelaufenen Systems der Intensivtierhaltung. Der enorme Preisdruck im gesamten Tierhaltungsbereich führt dazu, dass das Tierwohl zugunsten wirtschaftlicher Interessen vernachlässigt wird. Zu oft „lohnt“ sich die Behandlung erkrankter Tiere unter finanziellen Gesichtspunkten nicht. Stattdessen werden die Tiere zur Schlachtung verkauft, obwohl sie häufig nicht transportfähig sind und dies eindeutig tierschutzwidrig ist.
Das zuständige NRW-Umweltministerium hat bereits angekündigt, in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (AULNV) am 25. August 2021 einen Bericht zum aktuellen Fall vorzulegen. Der Bericht sollte zeitnah in der Parlamentsdatenbank unter dem Stichwort „Tierschutz“ abzurufen sein. Wir werden in der Sitzung kritisch nachfragen, wie die Landesregierung beabsichtigt, sowohl in diesem konkreten Fall für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen als auch in Zukunft solche Missstände zu verhindern. Die Sitzung könnt ihr hier ab 16.30 Uhr live mitverfolgen.
Im Kreistag Unna hat die GRÜNE Fraktion die wiederholten Verstöße gegen den Tierschutz auf die Tagesordnung gesetzt, um auch hier die Aufklärung voranzubringen und notwendige Konsequenzen zu diskutieren. Auch der GRÜNE Ortsverband Werne kritisiert in einer Stellungnahme das Versagen der Kontrollmechanismen. Der Schlachtbetrieb Mecke mit Fleischereifilialen in Werne und Lünen, zu dem die Viehsammelstelle gehört, ist nach einer behördlichen Verfügung des Kreises Unna inzwischen geschlossen. Dem Inhaber des Unternehmens wurde der Umgang mit Tieren untersagt.
Dass es im Bereich der Schlachtbranche systemisch bedingte Missstände gibt, die regelmäßig zu Tierschutzverstößen führen, zeigt die Tatsache, dass die Geschehnisse in Werne bereits der zweite große öffentlich gewordene Tierschutzskandal in NRW in diesem Jahr sind. Im März führten die Recherchen derselben Tierschutzorganisation dazu, dass Verstöße in einem Schlachtbetrieb in Selm im Kreis Unna öffentlich wurden. Im Mai-Newsletter hatten wir dazu bereits informiert. In dem Schlachtbetrieb wurden illegale Schächtungen von Schafen und Rindern durchgeführt, die mit erheblichem Leiden für die Tiere verbunden waren. Bereits in der Vergangenheit gab es in dem Betrieb fehlende Dokumentationen, Tiere ohne Ohrmarken und Hinweise auf ein mögliches illegales Schächten sowie Schwarzschlachtungen ohne behördliche Genehmigung. Mangels Beweisen konnte der Schlachthofbetreiber aber nie belangt werden.
Im Ausschuss hatten wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und dazu eine Berichtsanfrage gestellt. Auch die GRÜNEN Ortsverbände Selm und Unna haben u. a. in einer gemeinsamen Stellungnahme die Aufklärung der Tierschutzverstöße gefordert und die GRÜNE Fraktion im Kreistag hat einen Fragenkatalog dazu vorgelegt.
In ihrem dem Landtag vorgelegten Bericht führt die Landesregierung aus, dass nach Zugang des Beweis-Videomaterials der Tierschutzorganisation umgehend behördliche Maßnahmen ergriffen worden seien. Die Schächtungen hätten mutmaßlich außerhalb der regulären Schlachtzeiten stattgefunden. Dies stellte auch der Kreis Unna so dar. Ein Beitrag des ARD-Magazins FAKT zeigt jedoch, dass Schächtungen auch bis in den späten Vormittag hinein stattfanden. Zudem zeigt es Rinderköpfe ohne Bolzenschuss-Einschusslöcher, welche auf eine vor der Schlachtung korrekt vorgenommene Betäubung hinweisen würden, mit amtlichem Freigabe-Stempel.
Beide Fälle zeigen, dass es an entscheidenden, tierschutzsensiblen Stellen im System an wirksamen Kontrollen mangelt. Auch das zuständige Ministerium als Aufsichtsbehörde ist seiner Verpflichtung nicht nachgekommen. Neben effektiven Kontrollen durch ausreichend personell ausgestattete Veterinärämter ist auch die Videoüberwachung ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Tierschutzsituation an nordrhein-westfälischen Schlachthöfen. Im Landtag haben wir daher in unserem Antrag „Tierschutz an Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen verbessern!“ u.a. die Einführung von kamerabasierten Überwachungssystemen in Schlachthöfen gefordert. Die Regierungsfraktionen CDU und FDP lehnten ihn jedoch ab (s. Details zum Verfahren). Unser Antrag „Tierschutz ernstnehmen – CO2-Betäubung bei Schlachtschweinen endlich beenden!“, in dem wir die Prüfung eines Verbots der tierschutzfachlich fragwürdigen CO2-Betäubung fordern, befindet sich noch im Verfahren.
Was Ihr vor Ort tun könnt:
In den Räten und Kreistagen könnt ihr Anfragen zu den von den zuständigen Veterinärbehörden durchgeführten Kontrollen stellen. So könnt Ihr Euch einen Eindruck von der Kontrollsituation vor Ort verschaffen und gleichzeitig auch auf das Thema aufmerksam machen. Unsere Große Anfrage zum Tierschutz hatte deutlich vor Augen geführt, dass die Kontrolldichte vielerorts schwankend und insgesamt zu niedrig ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Zahl der Veterinär*innen immer noch zu niedrig ist. Es ist daher ratsam, auch den aktuellen Personalstand vor Ort abzufragen und eine Erhöhung zu prüfen.
Wenn Ihr selbst von Missständen in Schlacht- oder Haltungsbetrieben erfahrt, gebt uns Bescheid und nehmt mit Tierschutzvereinen Kontakt auf.
Die Nachfrage nach Produkten, die unter Einhaltung von Tierschutzstandards produziert wurden, hat einen erheblichen Einfluss auf das Angebot. Sprecht in Supermärkten an den Fleischtheken die Mitarbeiter*innen an und erkundigt Euch nach den Haltungs- und Schlachtbedingungen. Je mehr das Thema in der Folge an die relevanten Akteur*innen in den Unternehmen herangetragen wird, desto mehr Druck wird erzeugt, auf die Nachfragen entsprechend zu reagieren. Bei kleineren, lokalen Schlachtereien und Metzgereien, zu denen ein persönlicher Kontakt besteht, ist die Herkunft oftmals einfacher nachzuvollziehen. Auch hier lohnt es sich nachzufragen.
Im Landtag werden wir uns auch weiterhin für eine nachhaltige Verbesserung der Tierschutzsituation in NRW einsetzen und die Aufklärung auch des jüngsten Tierschutzskandals vorantreiben.
Bei Rückfragen oder Anmerkungen stehen Euch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Tierschutzpolitik, Sonja Fasbender (sonja.fasbender@landtag.nrw.de; 0163 884 2826) und ich gerne zur Verfügung.