Kommunalinfo: Eine Pflegekammer für NRW – zentrale Informationen für Pflegefachkräfte

Mehrdad Mostofizadeh

Liebe Leserinnen und Leser,

im Juni 2020 wurde die gesetzliche Grundlage zur Errichtung einer Pflegekammer geschaffen („Gesetz zur Errichtung der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen“, durch das insbesondere das Heilberufsgesetz angepasst wird). Wir haben dem zugestimmt, um den Pflegefachkräften eine starke Interessenvertretung zu ermöglichen und so dazu beizutragen, dass sich die beruflichen Rahmenbedingungen langfristig verbessern. Die Pflegekammer ist im komplexen Gesundheitssystem nur ein Baustein bei allen notwendigen Veränderungen. Nur im Dialog mit den Gewerkschaften, Arbeitgeber*innen, Verbänden und anderen Akteur*innen können grundlegende Verbesserungen stattfinden. Aber ohne eine starke Pflegekammer wird weiter ÜBER statt MIT den Pflegefachkräften als gleichberechtigte Verhandlungspartner entschieden.

Die Debatte darüber, ob eine Pflegekammer eingeführt werden sollte oder nicht, wird schon seit über 20 Jahren geführt. Der GRÜNEN-Fraktion ist mit ihrer Einführung daran gelegen, dass gute Voraussetzungen für ihren Start geschaffen werden und sie erfolgreich arbeiten wird.

Nun hat der Errichtungsausschuss, der die Arbeit der Pflegekammer und insbesondere die ersten Wahlen vorbereitet, die zukünftigen Mitglieder kontaktiert und sie zur Registrierung aufgefordert. Dadurch haben manche Pflegekräfte zum ersten Mal Kontakt mit der Pflegekammer. Es besteht ein hoher Informationsbedarf bei den Pflegekräften, der in manchen Fällen zu Unverständnis gegenüber der Pflegekammer führt. Wir erhalten diesbezüglich recht viele Zuschriften – vielleicht geht es Euch auch so. Mit diesem Kommunalinfo möchten wir Informationen und Hintergrundmaterial zur Beantwortung solcher Zuschriften und für das Gespräch mit Pflegefachkräften an die Hand geben. Dafür haben wir unserer Fraktion gegenüber häufig genannte Stichworte aufgegriffen und einige Erklärungen zusammengefasst.

Für Rückfragen stehen Euch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Soziales, Gesundheit, Pflege und Alter, Cornelia Schröder (cornelia.schroeder@landtag.nrw.de, 0211/884 2878), unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Arbeitsmarktpolitik, Freya Kuhn (freya.kuhn@landtag.nrw.de, 0211/884 2276) und ich gerne zur Verfügung.

Datenschutz

Im Heilberufsgesetz ist festgelegt, dass Pflegefachpersonen, so wie die Berufsangehörigen anderer verkammerter Berufe, sich bei der zuständigen Kammer anmelden müssen (§ 2 Absatz 2). In der Errichtungsphase der Pflegekammer haben die Arbeitgeber*innen die Pflicht, den Errichtungsausschuss über Berufsangehörige zu informieren (§ 117), da es in Deutschland kein Register der Pflegefachpersonen gibt.

Es gibt also eine gesetzliche Grundlage für die Weitergabe der Daten an den Errichtungsausschuss. Der Errichtungsausschuss hat sich an datenschutzrechtliche Vorgaben zu halten.

Pflichtmitgliedschaft

Eine Kammer ergibt nur Sinn bei einer Mitgliedschaft aller Berufsangehöriger. Mit der Einführung der Pflegekammer wird auch die Mitgliedschaft aller Pflegefachkräfte notwendig.

Eine Besonderheit der Pflegekammer ist die Möglichkeit, Auszubildenden und Pflegehilfskräften eine freiwillige Mitgliedschaft zu ermöglichen. Damit erhalten diese berufsrelevante Informationen und ähnliches. Sie unterliegen aber nicht dem Kammerrecht.

Pflichtbeitrag

Der Errichtungsausschuss hat am 21. September 2021 eine Empfehlung für einen maximalen monatlichen Beitrag von fünf Euro frühestens ab September 2022 ausgesprochen. Er empfiehlt außerdem, die Beitragshöhe bei Teilzeit entsprechend anzupassen, Härtefallregelungen zu treffen und Rentner*innen beitragsfrei zu stellen. Die von den Pflegefachpersonen gewählte Kammerversammlung wird über die Beitragssatzung entscheiden.

Vollumfrage statt repräsentativer Befragung

Vor dem Gesetzgebungsprozess zur Errichtung der Pflegekammer wurde eine repräsentative Umfrage durchgeführt, ob eine Pflegekammer eingeführt werden soll.

Nach den Methoden der empirischen Sozialforschung wurden bei der Auswahl der Befragten verschiedene Merkmale wie Berufsgruppe, Leitungsverantwortung, Umfang der Berufstätigkeit, Geschlecht, Alter und die Art der Einrichtung (Krankenhaus, stationäre Pflegeeinrichtung, ambulanter Pflegedienst) berücksichtigt, in der die Beschäftigten tätig sind.

Mit einer „Vollbefragung“, an der nach Erfahrung mit anderen Umfragen nur ein kleiner Teil aller Betroffenen teilnehmen würde, würde diese Repräsentativität nicht erreicht werden.

Pflegekammer ist nicht Tarifpartnerin

Die Pflegekammer ist keine Tarifpartnerin und hat damit keinen direkten Einfluss auf Gehalt, Arbeitszeiten und ähnliches. Das auszuhandeln ist und bleibt Rolle der Tarifpartner*innen – Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände spielen also weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege.

Die Pflegekammer ist ein Baustein, um politisch mitzubestimmen und dadurch die Rahmenbedingungen in der Pflegebranche insgesamt zu verbessern. Eine Kammer muss bei Gesetzen, die ihre Berufsangehörigen betreffen, einbezogen werden. Ohne die Kammer kommt es auf den guten Willen einzelner Fraktionen oder Abgeordneter an, ob Vertreter*innen aus der Pflege einbezogen werden.

Gewerkschaft als Interessenvertretung

Es gibt verschiedene Formen der Interessenvertretung und natürlich vertreten die Gewerkschaften ebenfalls die Interessen ihrer Mitglieder und zwar vor allem in Fragen des Tarifrechts. Aber auch sie können – auch in Zusammenarbeit mit Betriebsräten – die Bedingungen der Arbeitnehmer*innen zum Beispiel für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch die Überwachung von unrechtmäßigen Arbeitszeitverstößen und vielem mehr zum Thema machen. Allerdings sind längst nicht alle Pflegefachkräfte gewerkschaftlich organisiert.

Gewerkschaften können nur in den Einrichtungen Tarifverträge aushandeln, in denen sie ein Mandat haben. In anderen berufsorganisatorischen Fragen sind sie nicht Gesprächspartnerin. Gerade deswegen bietet sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Kammern an.

Arbeitgeber*innen

In manchen Zuschriften heißt es, die Arbeitgeber*innen könnten in erster Linie die Rahmenbedingungen verbessern und müssten in die Pflicht genommen werden.

Es ist richtig: Die Arbeitgeber*innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Deshalb fordern wir auf Bundesebene unter anderem ein Instrument zur Personalbemessung in der stationären Pflege, das sich am tatsächlichen Pflegebedarf der Patient*innen ausrichtet.

Das spricht allerdings nicht gegen die Errichtung einer Pflegekammer. Wenn Pflegefachkräfte über die Situation in der Pflege mitbestimmen wollen, müssen sie sich organisieren.

Beschwerdemöglichkeit

In einigen Zuschriften wird darauf verwiesen, dass sich pflegende Angehörige und Pflegebedürftige bei der Pflegekammer über die Pflegefachkraft beschweren können und diese damit eher zur Interessenvertretung der Erstgenannten wird.

In der Pflegekammer sind aber nur Pflegefachkräfte und nicht pflegende Angehörige oder Pflegebedürftige vertreten. Wenn demnach Fachkräfte Beschwerden nachgehen, kann von ihnen erwartet werden, dass sie die Kompetenz besitzen, die Pflegesituation fachlich und fair zu bewerten.

Fortbildungen

Die Pflegekammer hat den gesetzlichen Auftrag, den Kompetenzerhalt von Pflegefachkräften sicherzustellen. Das bedeutet, dass die Pflege selbst bestimmt, welche Fortbildungen für sie wichtig sind – und dass die Pflegefachkräfte einen Fortbildungsanspruch erhalten. Damit soll die Qualität der Pflege nachhaltig gesichert werden.

Die Kammer kann niemanden zwingen, Fortbildungen auf eigene Kosten in der Freizeit zu absolvieren. Sie könnte aber helfen, die Bereitschaft der Arbeitgeber zu erhöhen, Fortbildungskosten zu übernehmen oder eigene Fort- und Weiterbildungen durchzuführen.

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