Kommunalinfo: Ein nachhaltiges Finanzwesen für NRW

Liebe Leserinnen und Leser,

zum Ende der laufenden Legislaturperiode möchten wir Euch über eine Initiative informieren, an der wir in den letzten Monaten intensiv gearbeitet haben: Ein nachhaltiges Finanzwesen für NRW oder auch Sustainable Finance. Denn die Nachhaltigkeitsleitlinien der öffentlichen Finanzinstitute in NRW sind unzureichend. Wir fordern, Anlagestrategien und Kreditvergabe an den Klimaschutzzielen zu orientieren.

Die Bedeutung von Sustainable Finance

Sustainable Finance meint Maßnahmen, die dafür sorgen, Investitionen aus klimaschädlichen Branchen bzw. Unternehmen mit klimaschädlichen Wirtschaftsmodellen abzuziehen (sog. „divestment“) und sie gezielt in nachhaltige Wirtschaftszweige umzulenken. So können mehr Investitionen in nachhaltige Geschäftsmodelle, klimafreundliche Infrastruktur und Erneuerbare Energien fließen. Die nötigen Investitionen in Milliardenhöhe sind jedoch von öffentlichen Haushalten alleine nicht zu stemmen. Ein Schwerpunkt von Sustainable Finance ist daher die Mobilisierung privaten Kapitals für Klimaschutzinvestitionen.

Außerdem geht es um eine klare Kennzeichnung nachhaltiger Investitions- und Anlagemöglichkeiten. Denn häufig gehen Anleger*innen auch unbewusst hohe finanzielle Risiken ein, wenn sie beispielsweise in Unternehmen investieren, die nicht nachhaltig wirtschaften. So könnte ein Unternehmen, dass sich beispielsweise auf Kohleförderung spezialisiert hat, rapide an Wert verlieren, wenn ein Kohleausstieg beschlossen wird. Immer mehr Finanzinstitute greifen deshalb auf die sogenannten ESG-Kriterien zurück, die Nachhaltigkeitsrisiken in den Bereichen Ökologie (Environment), soziale und nachhaltige Unternehmensführung (Governance) darstellen. Trotzdem bestehen mangels einheitlicher Standards immer noch Möglichkeiten, durch undurchsichtige und uneinheitliche Anwendung der ESG-Kriterien Greenwashing zu betreiben, wodurch ohne Wissen der Anleger*innen weiterhin enorme Summen in klimaschädliche Branchen und Projekte fließen.

Was können wir in NRW tun?

Aus all diesen Gründen möchten wir das öffentliche Finanzwesen in NRW – in erster Linie die NRW.Bank, den Pensionsfonds des Landes und die Sparkassen – an einheitlichen und ambitionierten Standards ausrichten. Der Pensionsfonds des Landes schließt beispielsweise noch immer keine Investitionen in Kohleverstromung aus. Die Landesregierung verschläft damit eine wichtige Entwicklung im Finanzsektor und die öffentlichen Finanzinstitute drohen von den privaten abgehängt zu werden. Mit einem Antrag haben wir die Landesregierung daher aufgefordert, die Geschäftspolitik der öffentlichen Finanzinstitute am Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten, d.h. an den Klimaschutzzielen der internationalen, der Bundes- und der Landesebene.

Ein Meilenstein für ein nachhaltiges Finanzwesen ist die Taxonomieverordnung der EU. Sie dient als Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzprodukte. Daran sollte sich auch das Land orientieren. Im finalen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Taxonomie sind allerdings die Bedingungen für fossiles Gas gelockert worden. Unbenommen ist jedoch die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten, selbst strengere Anforderungen für grüne Anlageprodukte zu definieren. So muss zum Beispiel klar sein: Öffentliche Investitionen sollen nicht länger in die Atomenergiebranche fließen dürfen.

Um die Bedarfe der betroffenen Finanzinstitute angemessen zu berücksichtigen, haben wir uns über mehrere Wochen hinweg mit Stakeholdern aus dem öffentlichen und privaten Finanzwesen in NRW ausgetauscht, u.a. mit der NRW.Bank und den Sparkassenverbänden. Dabei wurde deutlich: (Öffentlichen) Finanzinstitute spielen eine entscheidende Rolle für die ökologische Transformation der Wirtschaft, indem sie die benötigten Investitionsmittel bereitstellen und absichern. Wir müssen daher die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Institute bei der Finanzierung zu unterstützen und sie gleichzeitig nicht mit zu viel Bürokratie zu überfrachten, wenn es um Nachhaltigkeitsprüfungen geht.

Auch die Belange der Kommunen wollen wir berücksichtigen. Es darf keinesfalls dazu kommen, dass ein Kreditrating durch die Hintertür für Kommunalfinanzierung eingeführt wird, indem die Banken die Nachhaltigkeitskonzepte der Kommunen bewerten und dementsprechend unterschiedliche Kreditkonditionen vergeben. Trotzdem wäre es sinnvoll, Investitionen in nachhaltige kommunale Projekte an konkrete Konzepte zu koppeln. Monitorings könnten sicherstellen, dass die so finanzierten Projekte tatsächlich eine nachhaltige Wirkung entfalten, was Vertrauen bei Investor*innen schafft und Greenwashing verhindert.

All das haben wir in unserem Antrag in den Landtag eingebracht und die Landesregierung aufgefordert schnellstmöglich zu prüfen, wie ein nachhaltiges öffentliches Finanzwesen am besten ausgestaltet werden kann – unter Berücksichtigung der Belange der Anleger*innen, der Finanzinstitute, der Wirtschaft und der Kommunen. Leider konnten CDU und FDP sich nicht einmal dazu durchringen, auch nur diesen Prüfaufträgen zuzustimmen und haben den Antrag abgelehnt.

Bezeichnend ist auch die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von uns zu den Anlagepraktiken beim Pensionsfonds des Landes. Dort gibt das Finanzministerium ganz unumwunden zu, in Anlageformen mit Braunkohle-Verstromung zu investieren. Finanzminister Lienenkämper sieht keine Notwendigkeit, fossile Energieträger aus dem Portfolio auszuschließen und rechtfertigt die Investitionen mit dem Verweis auf Kohleverstromung als  „Brückentechnologie“ bis 2038. Das ist nicht nur ein klimapolitischer, sondern auch ein finanzpolitischer Irrweg, denn diese Investitionen werden mit einem Kohleausstieg bis 2030 massiv an Wert einbüßen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist es völlig widersinnig, jetzt noch öffentliche Investitionen in fossile Energieträger zu lenken.

Bei Fragen zum Thema Sustainable Finance stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Europa- und Eine-Welt-Politik Rebecca Joest (rebecca.joest@landtag.nrw.de) und unser wissenschaftlicher Mitarbeit für Haushalts- und Finanzpolitik Robert Engell (robert.engell@landtag.nrw.de) zur Verfügung.

Mehr zum Thema

Haushalt & Finanzen