Kommunalinfo: CDU und FDP wollen den Naturschutz schwächen

Portrait Norwich Rüße

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Landtagsfraktionen von CDU und FDP haben überraschenderweise eine Gesetzesänderung zum Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) auf den Weg gebracht. Was für die CDU ein Bürokratieabbau und für die FDP eine Modernisierung des Naturschutzes in NRW ist, stellt für uns Grüne einen großen Rückschritt auf Kosten von Natur und Umwelt dar. Bezeichnenderweise wurde der Gesetzentwurf nicht von der zuständigen Umweltministerin bzw. der Landesregierung vorgelegt. Durch dieses Vorgehen fand keine Verbändeanhörung statt.
Es ist eigentlich gängige Praxis, dass Verbände sowie Fachkreise gemäß § 35 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (GGO) frühzeitig an der Vorbereitung der Gesetzesvorlagen beteiligt werden und dazu öffentlich Stellung nehmen können, wenn und soweit dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Verbände können somit schon im Anfangsstadium des Gesetzgebungsverfahrens ihre Positionen einbringen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Übernahme der Änderungswünsche der Verbände.

Die Gesetzesnovelle war am 17. Juni in der ersten Lesung im Plenum. Die Debatte wird am 4. Oktober im Rahmen einer Sachverständigen-Anhörung im Umweltausschuss fortgesetzt. Leider haben CDU und FDP unseren Vorschlag abgelehnt, die Naturschutzverbände bei der Benennung von Sachverständigen „vor die Klammer“ zu setzen. Damit wären sie von allen Fraktionen gemeinsam eingeladen gewesen. Das wäre ein wichtiges Signal an die Naturschutzverbände gewesen und die Fraktionen hätten dementsprechend mehr Sachverständige einladen und anhören können.

Über den weiteren Verlauf der Debatte halten wir Euch auf dem Laufenden.

Wichtige Änderungen auf einen Blick:

  • Artikel 1 Nr. 2, Änderung § 31 LNatSchG (Eingriffsregelung)
  • Artikel 1 Nr. 3, Änderung § 34 LNatSchG (Kompensationsverzeichnis)
  • Artikel 1 Nr. 4, Änderung § 75 LNatSchG (Widerspruchsrecht des Beirates)
  • Artikel 1 Nr. 1, Änderung § 2 Absatz 7 LNatSchG (Straßenbegleitgrün)

Kritisch sehen wir insbesondere die neuen Eingriffsregelungen. Verliererin bei dem Gesetzentwurf wird die Umwelt sein, weil der Ausgleich für einen Eingriff nach dem Willen von Schwarz-Gelb zukünftig grundsätzlich wieder nur noch als 1:1-Ausgleich stattfinden soll. Die Flächeninanspruchnahme für die Kompensation soll also pauschal nicht größer sein als diejenige für den Eingriff und erfolgt nicht mehr ausschließlich nach ökologischen Kriterien.
Darüber hinaus ist fraglich, inwieweit die Wiedereinführung des 1:1-Ausgleichs mit Blick auf die Bundeskompensationsverordnung überhaupt rechtlich zulässig ist. Denn diese enthält bereits ein entsprechendes, unmittelbar geltendes ausdrückliches Rücksichtnahmegebot, das die Berücksichtigung agrarstruktureller Belange bei der Entscheidung über Kompensationsmaßnahmen vorsieht. Fakt ist, dass der rechtlich erforderliche Kompensationsumfang nicht einfach nach Belieben reduziert werden kann.

CDU und FDP brüsten sich mit der Einführung eines Kompensationsverzeichnisses, das allerdings mit der rot-grünen Novelle des LNatSchG im Jahr 2016 längst auf den Weg gebracht worden war. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat dies aber bisher nicht umgesetzt. Das Verzeichnis ist wichtig, damit die Behörden vor Ort eine Übersicht haben und der Vollzug erleichtert wird. Daher begrüßen wir, dass endlich wieder Bewegung in die Sache kommt.

Einen Rückschritt bedeutet auch die von CDU und FDP geplante Änderung der Mitwirkungsrechte der Naturschutzbeiräte. Die Einführung einer 6-Wochen-Frist für die Beiratsbeteiligung lehnen wir ab, da sie die ehrenamtliche Arbeit der Beiräte erschwert und schwächt. Die Beiräte tagen in der Regel nur 3 bis 5 Mal im Jahr. Es ist fraglich, wie sie zukünftig innerhalb von 6 Wochen Stellung nehmen sollen. Die Mitwirkung der Vertreter*innen für die Belange von Natur und Landschaft wird so unterm Strich erschwert und zurückgefahren und dadurch Eingriffe in Landwirtschaft und Natur erleichtert. Mit der rot-grünen Novelle des LNatSchG 2016 waren die Mitwirkungsrechte erweitert worden. In einer gemeinsamen Pressemitteilung kritisierten auch die Naturschutzverbände BUND, LNU und NABU, dass CDU und FDP mit der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes die Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten der Naturschutzbeiräte auf Kreisebene schwächen.

Was Ihr vor Ort tun könnt:

Nehmt Kontakt mit den Naturschutzbeiräten auf und diskutiert die Auswirkungen der Gesetzesnovelle. Haltet uns dazu gerne auf dem Laufenden.

Die Gesetzesnovelle sieht auch eine Änderung in § 2 zum Straßenbegleitgrün vor. So soll es zukünftig insektenfreundliches Grün entlang der Landesstraßen und auch auf Lärmschutzanlagen geben. Zudem wird den Kommunen empfohlen, auch mit den kommunalen Straßen so zu verfahren. Das klingt erstmal gut.
Leider ist der Änderungsvorschlag von Schwarz-Gelb ambitionslos und bewirkt tatsächlich nichts gegen den Artenschwund. Statt konkreter Maßnahmen handelt es sich vor allem um Absichtserklärungen und Empfehlungen. Mit unserem Antrag „Insektenschutz jetzt! – Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt entlang der Straßen in Nordrhein-Westfalen“, den wir im April eingebracht haben, schlagen wir konkrete Maßnahmen vor. Dazu gehören beispielsweise   die Auflage eines Sonderprogramms, das zum Ziel hat, die biologische Vielfalt im Straßengrün entlang von Kreis-, Bundes- und Landesstraßen deutlich zu steigern und die Bereitstellung von mindestens 3 Millionen Euro über 3 Jahre für Planung und Umsetzung der Maßnahmen.

In NRW verlieren wir täglich im Durchschnitt 21,9 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe bewirtschaften heute ungefähr eine Größe von 60 bis 70 Hektar. Das zeigt, ein solcher täglicher Flächenverbrauch entspräche einem kompletten Verlust der Nutzfläche eines solchen Betriebes alle dreieinhalb Tage. Fruchtbare Böden sowie schützenswerte Tier- und Pflanzenarten gehen verloren.

Positiv ist, dass der Handlungsbedarf angesichts des dramatischen Verlustes an landwirtschaftlichen Flächen in dem Gesetzentwurf der beiden Fraktionen ausdrücklich bestätigt wird. Mit der Novelle des Landesnaturschutzgesetzes stoppen CDU und FDP die Flächenverluste der Landwirtschaft jedoch nicht nachhaltig. Die Flächenpolitik der regierungstragenden Fraktionen setzt eben nicht am Landesentwicklungsplan mit der von der Landesregierung gewollten und ausgelösten dramatischen Steigerung des Flächenverbrauchs für Siedlungsbereiche, Verkehr und Gewerbeflächen an.

Dass die Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen als Ursache für den Verlust an landwirtschaftlicher Fläche herhalten müssen und als „Flächenverbrauch“ diffamiert werden, obwohl dieser ganz andere Ursachen hat, zeigt, wie egal Schwarz-Gelb der Natur- und Artenschutz und regionale Landwirtschaft eigentlich sind.

Wir fordern, den Flächenverlust zu begrenzen, damit die Kompensation gar nicht erst ausgelöst werden muss. Um den Verlust landwirtschaftlicher Flächen wirksam zu stoppen, haben wir den Antrag „Acker, Wiesen und Natur erhalten, Lebensgrundlagen schützen – Flächenfraß endlich beenden!“ eingebracht. Grün- und Ackerland werden bislang unzutreffend als “Frei“-Flächen begriffen und sind bei Bauvorhaben reine Verfügungsmasse. Wir fordern daher ein Planzeichen, eine Bedarfsberechnung und die (Wieder-)Verankerung einer Höchstgrenze für den Flächenverbrauch als Ziel der Landesplanung im Landesentwicklungsplan. Der Flächenverbrauch in NRW muss bis zum Jahr 2025 schrittweise auf maximal fünf Hektar pro Tag und bis 2035 auf null gesenkt werden, um u.a. landwirtschaftliche Flächen zur Nahrungsmittelerzeugung zu erhalten.

Bei Rückfragen oder Anmerkungen stehen Euch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Umweltpolitik, Sonja Fasbender (sonja.fasbender@landtag.nrw.de; 0163 884 2826) und ich gerne zur Verfügung.

Beste Grüße

Norwich Rüße

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