Hilfsfonds für Bürg*innen von syrischen Geflüchteten muss jetzt kommen

Kommunalifo

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben in den vergangenen Jahren Geflüchteten in größter Not geholfen und sich zum Teil sogar bereit erklärt, mit ihrem Einkommen und Vermögen zu bürgen, um im Rahmen des Landesaufnahmeprogramms syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine sichere Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Dazu haben sie eine Verpflichtungserklärung abgegeben und gingen immer davon aus, dass ihre Bürgschaften nur solange gültig sind, bis die Anerkennung als Flüchtling vorliegt und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II gezahlt werden.
Nach den beiden für NRW relevanten diesjährigen Urteilen zu Erstattungsforderungen der Jobcenter an Flüchtlingsbürg*innen haben die Geltungsdauer von Verpflichtungserklärungen und die Folgen erneut große politische Bedeutung erfahren. Wir rechnen nun mit weiteren Rückforderungen der Jobcenter an die Verpflichtungsgeber*innen, auch wenn deren Verwandte, für die sie gebürgt haben, ihre Anerkennung als Flüchtling bereits erhalten haben.
Uns GRÜNEN ist es ein besonderes Anliegen, dass diejenigen, die sich in schwierigen Zeiten aus humanitärer Überzeugung engagiert haben, mit dieser Verantwortung nicht alleine gelassen werden. Die Politik muss jetzt sicherstellen, dass sie für dieses Engagement nicht bestraft werden. Es wäre ein fatales Zeichen, wenn gerade diese Menschen auf hohen Kosten, die bis zur Bedrohung der eigenen wirtschaftlichen Existenz führen können, sitzen gelassen würden. Die Landesregierung muss jetzt prüfen, wie sie in diesen Härtefällen unbürokratisch Hilfe leisten kann, und wir GRÜNE fordern dazu die Einrichtung eines Hilfsfonds.
Mit diesem Kommunalinfo wollen wir Sie und Euch über den aktuellen Sachstand hinsichtlich dieser Problematik informieren.

Zum Hintergrund

Landesaufnahmeanordnung NRW vom 26.09.2013

– Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 26.09.2013
– Rechtliche Grundlage: § 23 Abs. 1 AufenthG
– Unterstützung durch Familienangehörige oder Dritte entsprechend einer Verpflichtungserklärung für die Kosten zum Lebensunterhalt für syrische Geflüchtete (ausgenommen: Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung)
– Zunächst auf 1.000 Personen begrenzt
– Änderung vom 03.02.2014: Keine Begrenzung mehr
– Änderung vom 18.02.2014: Beendigung des Interessenbekundungsverfahrens mit Ablauf des 28.02.2014 (Visaantrag bis 30.09.2014)
Davon unabhängig sind Aufnahmeprogramme des Bundes und Resettlement-Programme. Hier eine Übersicht über die verschiedenen Programme.
Nach Auskunft des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) vom 7. Dezember 2017 sind 2.593 Visa auf Grundlage der Landesaufnahmeanordnung erteilt worden. Ob alle 2.593 Personen tatsächlich eingereist sind, ist nicht bekannt.

Problematik: Wann endet die Verpflichtung der Bürg*innen?

Das damalige Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) sowie ein Teil der Rechtsprechung vertraten die Ansicht, dass durch eine Anerkennung der Geflüchteten im Rahmen eines Asylverfahrens die Haftung der Verpflichtungsgeber*innen endet.

§ 68 AufenthG

–  Alte Fassung (vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 06.08.2016): Laut allgemeinen Verwaltungsvorschriften endete die Geltungsdauer einer entsprechenden Verpflichtungserklärung mit der Beendigung des Aufenthalts oder mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Zweck. Und genau darum, was ein anderer Zweck ist, drehte sich der Streit zwischen Bundes- und Landesregierung.
–  Geltende Fassung seit dem 06.08.2016: Die Geltungsdauer beträgt drei Jahre ab Einreise für Verpflichtungserklärungen, die vor dem 06.08.2016 abgegeben wurden, und fünf Jahre für solche, die nach diesem Datum abgegeben wurden – unabhängig von einer Asylentscheidung.
–  26.01.2017: Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass mit der Anerkennung als Flüchtling kein Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck erteilt wird und die Verpflichtungserklärung deshalb weiter gilt.
–  08.12.2017: Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass Verpflichtungsgeber*innen zwar auch nach der Anerkennung der geflüchteten Person für die Lebenskosten aufkommen müssen, nicht jedoch für die Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung, da diese in der Landesaufnahmeanordnung eindeutig ausgenommen worden waren.

Erlasse und Initiativen

–  24.04.2015: Erlass des MIK, mit dem die Ausländerbehörden auf die entgegenstehende Rechtsauffassung des Bundes aufmerksam gemacht wurden, damit sie entsprechend Auskunft an Verpflichtungsgeber*innen geben.
–  16.06.2015: rot-grüner Antrag „Rechtssicherheit bei Verpflichtungserklärung schaffen – Engagement anerkennen“ (Drucksache 16/8986)
–  2016: Gesetzgebungsverfahren zum Integrationsgesetz des Bundes: Vorschläge aus NRW im Bundesrat zu einer Änderung im Sinne der Rechtsaufassung des MIK. Diese wurden abgelehnt.
–  13.03.2017: In diesem Erlass weist das MIK auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hin.
In Niedersachsen und Hessen ist die Situation ähnlich.

Rückforderungen durch die Sozialleistungsträger

Die Sozialleistungsträger – in diesem Fall meist die Jobcenter – sind angehalten, die Verpflichtungsgeber*innen zur Erstattung der Kosten für den Lebensunterhalt aufzufordern.
Die Jobcenter können nur dann eine Ermessensentscheidung treffen und von einer Rückforderung (teilweise oder ganz) absehen, wenn Ausnahmefälle vorliegen. Dazu gehört z.B., dass die finanzielle Situation der Verpflichtungsgeber*innen nicht ausreichend geprüft worden ist oder dass die Begleichung der Kosten zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
Trifft das Jobcenter eine Entscheidung zulasten der Verpflichtungsgeber*innen, bleibt diesen noch die Klage.

Grüne Forderung nach einem Hilfsfonds

Vor diesem Hintergrund werden wir einen Änderungsantrag in Höhe von fünf Millionen Euro für die Einrichtung eines Hilfsfonds für Härtefälle in die Haushaltsberatungen einbringen.
Parallel dazu fordern wir die Landesregierung in einem Antrag auf, schnellstmöglich ein Konzept zu erarbeiten, wie eine funktionsfähige Struktur für einen Hilfsfonds geschaffen werden kann. Einen entsprechenden Antrag werden wir im Januar auf die Tagesordnung des Plenums setzen. Den betroffenen Verpflichtungsgeber*innen muss zügig und unbürokratisch geholfen werden.
Im neuen Jahr werden wir Sie und Euch über das Thema auf dem Laufenden halten und uns weiter für die Bürg*innen einsetzen.
Ich wünsche Ihnen und Euch schöne und erholsame Weihnachtstage und einen guten Start ins neue Jahr.
Herzliche Grüße
Berivan Aymaz

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