Grüner Zukunftspakt NRW – nachhaltig & solidarisch aus der Krise

Kommunalinfo

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Liebe Freundinnen und Freunde,
im Landtag werden in einem verkürzten Verfahren derzeit der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung für das Jahr 2021 und die Mittelfristige Finanzplanung diskutiert. Als Grüne Landtagsfraktion stellen wir heute unsere Bewertung der Haushalts- und Finanzpolitik der Landesregierung und unsere Änderungsanträge zum Haushaltsplanentwurf der Landesregierung vor.
Seit ihrer Regierungsübernahme im Jahr 2017 konnte sich die Landesregierung Jahr für Jahr über steigende Steuereinnahmen in Milliardenhöhe freuen. Statt diese gezielt für nachhaltige Investitionen etwa in Infrastruktur und Klimaschutzmaßnahmen zu nutzen – wie es auch zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler*innen angesichts des immensen Investitionsstaus auf allen Ebenen fordern – wurde der Haushalt durch verpuffende Ausgaben wie fragwürdige Heimatprojekte und über 800 Stellen in der Ministerialbürokratie aufgebläht. Bundesweit hat eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft und des IMK Ende 2018 eine Investitionslücke von 450 Milliarden Euro bis 2030 berechnet. Auch im Jahr 2020 und mitten in der Corona-Pandemie sind sich Expert*innen einig: Das Land muss als Konjunkturmotor in der Pandemie-bedingten Rezession agieren und die Investitionstätigkeiten hochfahren. Die Regierung Laschet  macht erneut das Gegenteil. Pro Einwohner*in investiert NRW nur 400 Euro im Jahr 2020 und rangiert damit weit abgeschlagen hinter Ländern wie Baden-Württemberg und Sachsen (je 700 Euro) oder Bayern mit 900 Euro Investitionen pro Kopf und Jahr. Dieses Defizit setzt sich in den Haushaltsjahren 2021 und 2022 absehbar fort.
Nur 10,3 Prozent des Haushaltsvolumens will die Landesregierung laut Haushaltsentwurf im kommenden Jahr für Investitionen ausgeben – in der Mittelfristigen Finanzplanung sinkt diese Zahl sogar unter 10 Prozent. Das ist ein vollkommen falsches Signal.
Die Grüne Landtagsfraktion schlägt einen Grünen Zukunftspakt NRW vor, der nachhaltige Investitionen vorsieht und damit Konjunkturimpulse in Verbindung mit der Bewältigung der Klimakrise setzt. Mit den nachfolgend skizzierten Änderungsanträgen fordern wir im Haushaltsverfahren 2021 Investitionen in Radwege, in Schulinfrastruktur, in die Digitalisierung unserer Hochschulen, in Studierendenwohnheime, in eine klimaneutrale Landesverwaltung sowie in Klimaschutz in den nordrhein-westfälischen Kommunen

Schulgebäude und digitale Infrastruktur in Schulen

Investitionszuschüsse Studierendenwohnheime

Sanierung Studierendenwohnheime

Digitalisierung von Hochschulen, Unikliniken und Studierendenwerken

Sanierung von Hochschulen

Radwegebau an Landstraßen, Brücken und in Kommunen

Klimaneutrale Landesverwaltung

Kommunale Klimaschutzinvestitionen

 

Summe

250.000.000 Euro

5.800.000 Euro

250.000.000 Euro

250.000.000 Euro

72.900.000 Euro

44.460.500 Euro

100.000.000 Euro

250.000.000 Euro

 

1.223.160.500 Euro

Zur Kompensation dieser Mittel schlagen wir eine Entnahme aus dem Corona-Rettungsschirm in gleicher Höhe vor.
Mit dem Grünen Zukunftspakt NRW würden die Investitionen pro Kopf im Jahr 2021 um 70 Euro steigen – das ist nur ein Anfang, aber ein sofort umsetzbarer und notwendiger Schritt in die richtige Richtung.
Fehlende Solidarität mit Kommunen in der Corona-Pandemie
Die Kommunen tragen eine besondere Last in der Corona-Krise und verdienen eine besondere Solidarität. Auch vor dem Hintergrund der ungelösten Altschuldenproblematik müssen Bund und Land sicherstellen, dass der Schuldenberg der Kommunen nicht weiter anwächst. Die eingebrochenen Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen wurden im Jahr 2020 von Bund und Ländern kompensiert. Im Jahr 2021 werden die Kommunen im Regen stehen gelassen. In einem Haushaltsänderungsantrag fordern wir die Kompensation von 1,73 Mrd. Euro Gewerbesteuermindereinnahmen der Kommunen durch das Land.
Der Corona-Rettungsschirm ist dafür gedacht, sämtliche Folgen der Pandemie abzumildern. Während das Land seine eigenen Steuereinnahmeverluste vollständig aus dem Rettungsschirm kompensiert, werden entsprechende echte Zuschüsse den Kommunen vorenthalten. Stattdessen bietet das Land den Kommunen zusätzliche Zuweisungen nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) faktisch als Darlehen an – das bedeutet knapp eine Milliarde Euro zusätzlicher Schulden für die Kommunen, die sie über zukünftige GFGs zurückzahlen müssen. Wir fordern die Landesregierung auf, das GFG ohne Rückzahlungsverpflichtungen an die Kommunen auszugestalten und die kommunalen Schulden nicht vorsätzlich in die Höhe zu treiben. Im Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes werden Schlüsselzuweisungen abgesenkt und Pauschalen angehoben. Im Ergebnis werden mehr Mittel unabhängig von der Finanzkraft der Kommunen bereitgestellt. Das Prinzip heißt demnach: Gießkanne statt zielgerichteter Zuweisungen und dieses Prinzip hat einen Verlierer: Finanzschwache Kommunen. Das bedeutet ein Weniger statt ein Mehr an Solidarität mitten in der Pandemie. Dies auch noch als Fortschritt zu verkaufen, ist kaum mehr nachvollziehbar und muss sich dringend ändern.
Auch bei der Versorgung Geflüchteter lässt die Regierung Laschet die Kommunen im Stich. Seit zwei Jahren belegt des Lenkgutachten, das im Auftrag der Landesregierung die tatsächlichen Kosten der Kommunen für die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen erhoben hat, eine strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen. Eine längst versprochene Anpassung bleibt aus. Auch das Versprechen, Geduldete über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus bei den Landeszuweisungen zu berücksichtigen, wird von der Landesregierung gebrochen. So entsteht eine Lücke von rund 850 Millionen Euro zu Lasten der Kommunen.
Schattenhaushaltswirtschaft beenden – mit der Pandemie leben lernen
Seit Beginn der Pandemie reagiert die Landesregierung auf die finanziellen Herausforderungen im Notfall-Modus. Das Kabinett beschließt Dienstagnachmittags Sofortmaßnahmen, die der Finanzausschuss Mittwochs oder Donnerstags genehmigen soll. Dieses Verfahren ist für viele Maßnahmen nicht mehr angemessen. Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben und die finanziellen Folgen auch langfristig in den Blick nehmen.

  • Beispiel: Kita-Helfer*innen: In den Kitas gibt es eine erhebliche Entlastung durch Kita-Helfer*innen, die Nachfrage vor Ort ist groß. Doch die Finanzierung aus dem Corona-Rettungsschirm endet formal mit Ablauf des Jahres – der Bedarf nicht.
  • Beispiel Impfstrategie: Die Corona-Impfung der Bevölkerung wird eine erhebliche finanzielle Herausforderung. Im Haushaltsentwurf ist diese Herausforderung nicht abgebildet, obwohl die Planungen im Fachministerium schon weit fortgeschritten sind.
  • Beispiel Lüftungssituation in den Schulen: Drei Tage nach Ende der Herbstferien sollte der Finanzausschuss hierfür Mittel aus dem Corona-Rettungsschirm freigeben – ohne Strategie und ohne Förderrichtlinie der Landesregierung. Der Herbst ist kein überraschendes Ereignis, auf das wir kurzfristig in den Schulen reagieren müssen.

Es fehlt der Landesregierung an einer langfristigen Strategie – auch bei der Finanzplanung – in der Corona-Pandemie. Weder im Haushalt, noch im Wirtschaftsplan des Corona-Rettungsschirms werden vorsorgende Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Folgen dargestellt. Wir fordern einen Richtungswechsel ein. Unsere Haushaltsänderungsanträge sind ein erster Schritt hin zu einer transparenten Finanzplanung.
Bei Rückfragen könnt Ihr Euch sehr gerne an unseren wissenschaftlichen Mitarbeiter für Haushalts- und Finanzpolitik, Robert Engell (robert.engell@landtag.nrw.de) wenden.

Mehr zum Thema

Haushalt & Finanzen