In der vergangenen Woche hat die Landesregierung einen Änderungsentwurf zum Landesentwicklungsplan beschlossen. Damit werden wichtige Veränderungen auf den Weg gebracht, die in Nordrhein-Westfalen für eine nachhaltigere Flächenentwicklung sorgen werden. In dieser Kommunalinfo gebe ich Euch einen ersten Überblick über das anstehende Verfahren und die wichtigsten Änderungen im LEP.
Was ist eigentlich der Landesentwicklungsplan (LEP)?
Der Landesentwicklungsplan ist das zentrale Instrument der Raumordnung in Nordrhein-Westfalen. Es geht darum, die Nutzung der begrenzten Fläche in unserem Bundesland zu steuern und die verschiedenen Anforderungen an unseren Raum (z.B. Natur, Landwirtschaft, Wohnen, Verkehr, Erneuerbare Energien, etc.) in Abwägung zu bringen. Der LEP besteht aus verbindlichen Zielen sowie unverbindlichen Grundsätzen, die in der nachfolgenden Regionalplanung sowie der kommunalen Bauleitplanung berücksichtigt werden müssen.
Warum wird der LEP geändert?
Im Koalitionsvertrag haben wir einige wesentliche Änderungen vereinbart, die in zwei aufeinanderfolgenden Änderungsverfahren am LEP umgesetzt werden. Das erste dieser beiden Änderungsverfahren (zum Ausbau der Erneuerbaren Energien) ist bereits abgeschlossen. Nun folgt die zweite, thematisch deutlich umfassendere Änderung des LEP, um alle weiteren vereinbarten Ziele aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen.
Hinzu kam im vergangenen Jahr ein weitreichendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW, mit dem viele Punkte einer LEP-Änderung der schwarz-gelben Vorgängerregierung aus dem Jahr 2019 für unwirksam erklärt wurden. Durch das Urteil wurde vielen in Bearbeitung befindlichen kommunalen Bauleitplanverfahren die rechtliche Grundlage entzogen. Insofern musste das LEP-Änderungsverfahren auch auf die veränderten Rahmenbedingungen durch das OVG-Urteil reagieren.
5 Hektar-Grundsatz wirkt hohem Flächenverbrauch entgegen
Zukünftig sollen in Nordrhein-Westfalen maximal 5 Hektar Fläche und perspektivisch auch weniger pro Tag für Siedlungs- und Verkehrszwecke verbraucht werden. Damit wird eine möglichst sparsame Flächenentwicklung verfolgt, um den wertvollen Freiraum, die Natur und landwirtschaftliche Nutzfläche zu erhalten. Perspektivisch soll die Flächeninanspruchnahme weiter gesenkt werden, Ziel ist eine vollständige Flächenkreislaufwirtschaft (netto Null).
Damit dieser „5 Hektar-Grundsatz“ (6.1-2) auch eine spürbare Wirkung entfaltet, soll er auf Ebene der Regionalplanung konkretisiert, Umsetzungsstrategien entwickelt und seitens des Landes evaluiert werden. Als konkrete Maßnahmen für die Senkung des Flächenverbrauchs kommen z.B. effizientere Siedlungsdichten, mehrgeschossiges Bauen oder effektive Strategien zur Nachnutzung von Leerstand oder alter Einfamilienhäuser in Betracht.
Sparsamer Umgang mit endlichen Ressourcen
Im neuen LEP wird ein Degressionspfad für Sand und Kies als verbindliches Ziel (9.2-4) festgeschrieben. Damit wird sichergestellt, dass nicht mehr Rohstoffe abgebaut werden als wirklich benötigt werden. Die Inanspruchnahme unserer Landschaft für den Rohstoffabbau wird so zukünftig deutlich gesenkt. In die Bedarfsermittlung für die Abgrabungsflächen (BSAB) fließen zukünftig zwei Komponenten ein: Ein Abgrabungsmonitoring des Geologischen Dienstes (9.2-2), das als Datengrundlage für den jetzigen und prognostizierten Rohstoffabbau dient, und ein noch zu entwickelndes Rohstoffmonitoring. Dieses soll den zukünftigen Sand- und Kiesbedarf sowie das wachsende Potenzial von Sekundärrohstoffen aus Recycling und rohstoffsparenden Bauweisen erfassen. Aus dem Monitoring wird dann ein Degressionsfaktor abgeleitet, der künftig von der Regionalplanung bei der Ausweisung von Abgrabungsbereichen verpflichtend zu berücksichtigen ist.
Mehr Schutz für landwirtschaftliche Flächen
In den LEP wird ein neuer Grundsatz (7.5-3) aufgenommen, mit dem erstmals ein Planzeichen für „Landwirtschaftliche Kernräume“ eingeführt wird. Diese landwirtschaftlichen Kernräume sind Bereiche, die sich durch besonders hohe landwirtschaftliche Ertragskraft und Bodenfruchtbarkeit, besonders günstige Agrar- und Betriebsstrukturen oder eine Konzentration von besonders hochwertigen spezialisierten landwirtschaftlichen Nutzungen und Sonderkulturen auszeichnen. Sie sind auf Ebene der Regionalplanung auszuweisen (z.B. anhand eines Fachbeitrags der Landwirtschaftskammer) und sollen von anderen Nutzungen, die der Landwirtschaft entgegenstehen, freigehalten werden.
Siedlungsentwicklung im Freiraum
Die von der schwarz-gelben Vorgängerregierung 2019 eingeführten Festlegungen zur Siedlungsentwicklung im Freiraum (Ziele 2.3 und 2.4) waren zentrale Punkte, die durch das OVG-Urteil aufgehoben wurden. Seitdem gelten wieder die Regelungen des „alten“ rot-grünen LEPs von 2017, die für Kommunen, Betriebe, Freizeiteinrichtungen etc. deutlich weniger Entwicklungsmöglichkeiten im Freiraum vorsehen.
Die Landesregierung stand daher vor der Herausforderung in ihrem Änderungsentwurf die Anforderungen des Gerichts, die Anliegen von Kommunen, die sich auf das Planungsrecht von 2019 verlassen hatten und nun teils vor großen Herausforderungen stehen, sowie die verschiedenen Perspektiven der Koalitionspartner miteinander in Einklang zu bringen.
Im Ergebnis sieht der Entwurf nun vor, dass im regionalplanerisch festgelegten Freiraum in bestimmten Fällen auch weiterhin eine Siedlungsentwicklung mittels Bauleitplanung zulässig ist, jedoch unter deutlich eingeschränkten Bedingungen. Zulässig wäre damit u.a. die Entwicklung einer kleineren Baufläche von i.d.R. weniger als 5 Hektar, wenn diese unmittelbar an den bestehenden Siedlungsraum anschließt, oder die Erweiterung eines bestehenden Betriebsstandorts um etwa die Hälfte seiner Fläche. Weitere Ausnahmen gibt es zum Beispiel für kommunale Feuerwehrgerätehäuser und andere Einrichtungen des Brand- und Katastrophenschutzes. Für kleine Ortsteile mit weniger als 2000 Einwohner*innen ist auch zukünftig eine bedarfsgerechte Entwicklung möglich, wenn sie an die vorhandene Siedlungsstruktur und Infrastruktur angepasst ist. Die frühere Ausnahme für die Errichtung von Tiermastanlagen im Außenbereich wird nicht wieder hergestellt.
Vorfahrt für den ÖPNV und Radverkehr
Der bestehende Grundsatz zur Integration von Siedlungs- und Verkehrsentwicklung (8.1-1) wird so erweitert, dass in den zentralörtlichen Siedlungsbereichen der ÖPNV zukünftig vorrangig gegenüber dem motorisierten Individualverkehr (MIV) entwickelt werden soll. Außerdem wird ein neuer Grundsatz (8.1-13) eingefügt, durch den das landesweite Radvorrangnetz und Radschnellverbindungen, beides wird gerade aufgestellt, planerisch gesichert werden sollen. Entsprechende zukünftig im Bedarfsplan vorgesehene Trassen und solche für das Radvorrangnetz sollen sowohl bei der Regionalplanung als auch bei der kommunalen Bauleitplanung von entgegenstehenden Nutzungen freigehalten werden.
Wald- und Naturschutz
Die Regelungen für Schutz und Inanspruchnahme von Bereichen zum Schutz der Natur (BSN) sowie regionalplanerischen Waldbereichen werden neu gefasst und Ausnahmen für Eingriffe in die Schutzgebiete restriktiver definiert. Dies geschieht vor dem Hintergrund von zwei Urteilen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2022, durch welche der Schutz von BSN und Waldbereichen als Ziel nicht mehr möglich war (BVerwG 4 A 16.20; BVerwG 4 A 15.20).
Die nun vorliegende LEP-Änderung stellt die Vorgaben zum Waldschutz jetzt anders auf und fügt einen neuen Grundsatz (7.3-2) zur regionalplanerischen Festlegung von Waldbereichen ein, wobei auch Gebiete einbezogen werden können, die erst noch als Wald entwickelt werden sollen. Neu ist außerdem die verbindliche Festlegung, dass sowohl Waldbereiche (Ziel 7.3-3) als auch Bereiche für den Schutz der Natur (Ziel 7.2-3) nur in wenigen Ausnahmefällen für andere Nutzungen in Anspruch genommen werden dürfen – insbesondere für spezielle Verkehrs- und Leitungstrassen, die nicht anders geführt werden können, oder in Waldbereichen in bestimmten Fällen auch Betriebserweiterungen.
Viele weitere Änderungen
Der LEP-Änderungsentwurf ist ein komplexes, über 100 Seiten umfassendes Dokument. Weitere Veränderungen betreffen beispielsweise den Hochwasserschutz, die Wasserstoffinfrastruktur, Wiedernutzung von Brachflächen, die Solarenergie und viele weitere Themen. Mehr dazu findet Ihr hier im Entwurf, zudem gibt es vom NRW-Wirtschaftsministerium ein FAQ.
Wie geht es weiter?
Der am vergangenen Freitag veröffentlichte Entwurf der Landesregierung geht ab dem 3. April in ein Beteiligungsverfahren, die sogenannte Offenlage. Bis zum 30. Juni haben alle Interessierten die Möglichkeit, Stellungnahmen zum Entwurf abzugeben. Je nach Umfang der dann folgenden Überarbeitung des Planentwurfs, kann es auch noch eine zweite Offenlage geben. Die finale Fassung der Änderung des Landesentwicklungsplans wird abschließend mit Zustimmung des Landtags beschlossen. Unser Ziel ist, das Verfahren im Jahr 2026 abzuschließen.