Enquete-Kommission zur Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte legt Abschlussbericht vor

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
diese Woche wurde der Bericht der Enquete-Kommission zur Bewertung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in Nordrhein-Westfalen unter den Bedingungen der Schuldenbremse und des demografischen Wandels in der Dekade 2020 bis 2030 (Drucksache DS 16/9500) dem Landtag übergeben.
Wir GRÜNE haben zwei Jahre lang maßgeblich die Inhalte der von der CDU-Landtagsfraktion beantragten Enquete-Kommission bestimmt und eine ganze Reihe von Handlungsempfehlungen entwickelt. Sie sollen in den verschiedenen Politikbereichen zur Konsolidierung der Haushalte und zur Steigerung der Investitionen beitragen, unabhängig von tagespolitischen Mustern und mit klarer Zukunftsperspektive.
Mit dem folgenden Kommunalinfo möchten wir euch die wichtigsten Inhalte und Handlungsempfehlungen der Kommissionsarbeit vorstellen.
Die Enquete-Kommission wurde im Februar 2013 beantragt (Drucksache DS 16/2133), im Juli desselben Jahres hat sie ihre Arbeit aufgenommen. Ursprüngliches Ziel war es, die Herausforderungen – oder besser die Deckungslücken – zu benennen, welche durch demografische Veränderungen in der Dekade der Jahre 2020 bis 2030 für öffentliche Haushalte in NRW entstehen. Den Hintergrund hierfür bilden die in diesem Zeitraum vermehrt stattfindenden Pensionierungen von Beamtinnen und Beamten der sogenannten Babyboomer-Generation, also der Geburtenjahrgänge 1955 bis 1965. Die Schuldenbremse, also das Verbot der Neuverschuldung für den Landeshaushalt, welche ab 2020 wirkt, wurde dabei als schon erfolgreich umgesetzt angenommen. Und in der Tat ist die rot-grüne Landesregierung auf einem guten Weg, die Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 auf „Null“ zu reduzieren.
Bereits die Erarbeitung des Kommissionsprogramms hat jedoch gezeigt, dass eine selektive Projektion von Pensionsausgaben und potentiellen Ausgabenentwicklungen der Komplexität des Themas nicht gerecht wird. Die wirtschaftliche Entwicklung oder die Zuwanderung stellen zu große und schwer vorhersehbare Variablen dar, als dass sich reine Zahlenwerke methodisch seriös hochrechnen ließen. Deshalb haben wir den Fokus auf die notwendigen Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung, in der Bildungspolitik, der Gesundheits- und Pflegepolitik, bei Infrastruktur und Raumplanung sowie in der Finanzpolitik gelegt und dabei Wachstums- und Schrumpfungsprozesse aufgezeigt. Gleichzeitig haben wir auch ein differenziertes Bild der regionalen Entwicklungen entworfen; denn städtische wie ländliche Regionen in NRW werden sich zukünftig sehr unterschiedlich entwickeln.
Um dieser heterogenen Entwicklung gerecht zu werden, benötigen wir in den verschiedenen Politikfeldern unterschiedliche, der lokalen Situation angemessene Lösungsstrategien. Deshalb haben wir uns in der Enquete-Kommission dafür stark gemacht, die kommunalen Haushalte mit zu betrachten, soweit es die Datenlage zuließ.
In zahlreichen Anhörungen und Vorträgen durch externe Expertinnen und Experten sind in Zusammenarbeit mit unseren Sachverständigen zunächst eine weitreichende Analyse der Herausforderungen und in der Folge viele Handlungsempfehlungen entstanden. Diese werden wir in den kommenden Monaten prüfen und in unsere Plenararbeit einbringen.
Exemplarisch für die Bandbreite der Handlungsempfehlungen, sollen hier drei Bereiche stichwortartig dargestellt werden, welche uns besonders wichtig erscheinen.

Demografiefestigkeit der (kommunalen) Finanzen stärken:
  • Einrichtung eines Sondervermögens zur Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur (Anlagemöglichkeit für Pensionsrückstellungen)
  • Einführung eines Kinderansatzes im kommunalen Finanzausgleich, welcher die Finanzbedarfe von Kindern im Alter von null bis zu sechs Jahren umfasst
  • Investive Zweckzuweisungen zur Bewältigung kommunaler Remanenzkostenprobleme (damit der Um- und Rückbau von Infrastrukturen möglich wird)
  • Erweiterung von Gesetzfolgeabschätzung um den Bestandteil „Demografischer Wandel“
Landesentwicklungsplanung und Infrastrukturausstattung zukunftsfähig gestalten:
  • Stärkung der Ordnungsfunktion von Landes- und Regionalplanung: Neuaufstellung des Zentrale-Orte-Konzepts, Abgrenzung von zentralörtlichen Versorgungsbereichen, Einführung funktionaler Kriterien zu Bewertung    raumbedeutsamer Siedlungsbereiche
  • Nachhaltige Stärkung der Infrastruktur durch raumordnerische Zielvereinbarungen, bedarfsgerechte Entwicklung der technischen und sozialen Infrastruktur, Neuausrichtung von Infrastrukturförderprogrammen
Stärkung von Zuwanderung und Migration auf den Arbeitsmärkten:
  • Schnellere Bewertung ausländischer Berufsabschlüsse und Schaffung des Anspruchs auf Anpassungsqualifizierung
  • Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für ausländische Studierende und Flüchtlinge
  • Ausbau des kommunalen interkulturellen Angebots
  • Verbesserung der sprachlichen Qualifizierung, Bindung junger Migranten durch Qualifizierungsangebote von Firmen

Bei den Schlagwörtern handelt es sich in erster Linie um konsensuale Ziele, welche noch mit konkreten Strategien verknüpft werden müssen. Im Anhang findet ihr zudem eine Präsentation mit den wichtigsten Inhalten des Enquete-Berichtes.
Gerne kommen wir aber auch zu euch und diskutieren die Ergebnisse der Enquete-Kommission und die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die kommunalen Haushalte mit euch gemeinsam.
Für Fragen stehen euch unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Oliver Niermann (0211-8842514, oliver.niermann@landtag.nrw.de) oder unsere MitarbeiterInnen Wibke Stange (0211-8842737, wiebke.stange@landtag.nrw.de) und David Schichel (0211-884 2869, david.schichel@landtag.nrw.de) zur Verfügung.
Mit herzlichen Grüßen
Martin-Sebastian Abel und Jutta Velte