Ehrenamtskommission legt Abschlussbericht vor – politisches Ehrenamt soll gestärkt werden!

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
für uns GRÜNE ist das kommunale Ehrenamt eine wichtige, unverzichtbare Säule der Demokratie. Angesichts gestiegener Aufgabenbelastung, komplexer gewordener Themen sowie politischer „Nachwuchssorgen“ durch die Gefahr der Überalterung sollte das Amt unserer Meinung nach attraktiver ausgestaltet und so gestärkt werden.
Deshalb hat sich in den vergangenen zwei Jahren eine vom Kommunalausschuss des Landtags eingesetzte Kommission mit den Rahmenbedingungen zur Verbesserung des kommunalen Ehrenamtes beschäftigt. Grüne Mitglieder dieses Gremium waren Volker Wilke für die GAR NRW sowie ich als Vertreter unserer Landtagsfraktion.
Die Ehrenamtskommission hat nach längeren, intensiven Beratungen – auch unter Einbeziehung der Expertise des Innenministeriums, der kommunalen Spitzenverbände sowie der kommunalpolitischen Vereinigungen der im Landtag vertretenen Parteien – eine Reihe von Empfehlungen beschlossen. Der Abschlussbericht ist hier abrufbar. In einem gemeinsamen Antrag mit SPD, CDU und FDP haben wir nun die Landesregierung aufgefordert, die Vorschläge zügig auf den Weg zu bringen.
Die wichtigsten Ergebnisse im Einzelnen:
Verdienstausfall für ehrenamtliche Kommunalpolitiker
Ausgangslage:
Ausgangspunkt waren die nach wie vor häufig auftretenden Probleme zwischen ArbeitgeberInnen und MandatsträgerInnen hinsichtlich Umfang und Auslegung der Freistellungsregeln bei mandatsbedingten Arbeitsausfällen. Dies trifft sowohl auf private als auch auf öffentliche ArbeitgeberInnen zu und gilt zudem gleichermaßen für feste als auch für flexible Arbeitszeiten. Verschärfend ist der Aspekt, wonach ArbeitgeberInnen grundsätzlich nicht zur Zahlung des Gehalts für Ausfallzeiten verpflichtet werden können.
Zur Kompensation der damit einhergehenden Verdienstausfälle greifen die Kommunen auf Regel- und Höchststundensätze zurück, die häufig die Realität nicht abbilden. So bewegt sich der pauschale Regelstundensatz landesweit zwischen 5,11 Euro (Rhein-Sieg-Kreis) und 15,50 Euro (Kreis Euskirchen). Das heißt, er liegt damit in einigen Kommunen deutlich unter dem derzeit gültigen Mindestlohn von 8,50 Euro. Ebenso lassen sich gravierende Unterschiede bei den Höchstbeträgen festmachen. Diese bewegen sich in einer Bandbreite zwischen 15 Euro in Herne und 35 Euro in Bielefeld. Als Durchschnittswert wurde in den kreisfreien Städten eine Maximalgrenze von 21,90 Euro und in den Kreistagen von 23,04 Euro ermittelt.
Dadurch müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig entweder größere Einkommensverluste für das kommunale Mandat hinnehmen oder aber ihrE ArbeitgeberIn finanziert das Ehrenamt mit, wenn der Ersatzanspruch auf Verdienstausfall abgetreten wurde und das volle Gehalt weiter ausgezahlt wird.
Arbeitszeitmodelle verändern sich. Zu beobachten ist ein starker Trend von festen zu flexibleren Regelungen. Demgegenüber orientieren sich die bisherigen Freistellungsregelungen an einem festen Arbeitszeitmodell mit der Konsequenz, dass die vorherrschenden Gleitzeitmodelle nur unzureichend abgebildet werden. Dies kann dazu führen, dass mandatsbedingte Ausfallzeiten ausschließlich in der Gleitzeitphase anfallen, sodass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Möglichkeiten den Beginn und das Ende ihrer Arbeitszeit selbst zu bestimmen faktisch benachteiligt werden. Hier schafft die derzeitige Regelung, wonach bis zu 50 Prozent der in der Gleitzeitphase anfallenden Ausfallzeiten über die Freistellungsregelungen ersetzt werden, nur bedingt Abhilfe.
Weitere Nachteile müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Wahrnehmung eines kommunalpolitischen Mandates mit körperlich besonders belastenden Arbeitszeiten wie zum Beispiel bei Nachtdiensten oder Tätigkeiten in Wechselschichten hinnehmen.
Die kommunalpolitischen Vereinigungen erklärten zudem, dass Verbesserungen im Bereich der Schichtarbeit dringend erforderlich seien. Für die hiermit verbundenen Problemstellungen sei bisher noch kein praktikabler Lösungsansatz gefunden worden. Beispielsweise könnten für Mandatsträgerinnen und Mandatsträger erhebliche Nachteile auftreten, wenn sich unmittelbar an eine mehrstündige Sitzung eine Spät- oder Nachtschicht anschließt beziehungsweise wenn es hier zu zeitlichen Überschneidungen kommt.
Familie, Beruf und Ehrenamt lassen sich unter diesen Bedingungen nur schwer miteinander vereinbaren.
Empfehlungen der Kommission:
Die Kommission hat sich einstimmig für eine landeseinheitliche Regelung ausgesprochen. Hiernach soll der Höchstsatz je Stunde des nachgewiesenen Verdienstausfalls 80,00 Euro unter Einbeziehung der Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungen (bisher nicht der Fall) betragen. Dies entspricht dem Richtwert der zu erstattenden Verwaltungsgebühren für LandesmitarbeiterInnen des höheren Dienstes gemäß Gebührengesetz NRW. Als Mindestsatz wurde der derzeit gültige Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zugrunde gelegt.
Nach Auffassung der Kommission wird damit der Verdienstausfall von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern in angemessener Weise berücksichtigt.
Darüber hinaus regt die Arbeitsgruppe eine Prüfung an, inwiefern die Einbeziehung von OrtsvorsteherInnen, Vorsitzenden der Bezirksausschüsse sowie von stellvertretenden BürgermeisterInnen und BezirksvorsteherInnen in die Freistellungs- und Verdienstausfallregelungen der Gemeindeordnung optimiert werden kann.
Gleichzeitig soll über eine wissenschaftliche Untersuchung überprüft werden, inwieweit der bisher auf Gleitzeitmodelle beschränkte Nachteilsausgleich auf weitere Arbeitszeitmodelle und Berufsgruppen ausgeweitet werden kann.
Aufwandsentschädigungen
Mehrheitlich hat sich die Kommission dafür ausgesprochen, die Aufwandsentschädigung einmalig zum 01.01.2016 spürbar anzuheben. Auf einen konkreten Betrag konnte sich die Kommission aber nicht verständigen. Zwischenzeitlich wurde zwischen den Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP eine Anhebung um zehn Prozent vereinbart. Ein entsprechender Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales (MIK) wird mit Wirkung zum 01.01.2016 vorbereitet.
Gleichzeitig soll eine zusätzliche Aufwandsentschädigung für die Ausschussvorsitzenden eingeführt werden.
Außerdem definierte die Kommission mehrheitlich neu, wann eine Fraktion eine „große Fraktion“ ist und empfiehlt, die Mindestgröße von bisher zehn auf zukünftig acht Ratsmitglieder abzusenken. Vorteil: Damit kann einE Vize-FraktionsvorsitzendeR gewählt werden und so ebenfalls eine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten.
Außerdem soll die Höhe der Aufwandsentschädigung für die Mitglieder der Regionalräte an die Aufwandsentschädigungshöhe der Mitglieder in den Landschaftsverbänden sowie im RVR angepasst werden.
Steuerfreibeträge für Aufwandsentschädigungen
Gemäß § 18, Absatz 1, Nr. 3 Einkommenssteuergesetz (EStG) sind Einkünfte aus Aufwandsentschädigungen grundsätzlich zu versteuern. Hiervon ausgenommen sind „Betriebsausgaben“ (vergleiche § 3, Nr. 12, Satz 2 EStG), die als Steuerfreibetrag gemäß MIK-Erlass vom 8. November 2013 (s. Anhang) pauschaliert worden sind.

In einer Gemeinde/Stadt mit

Monatlich

Jährlich

bis 20.000 Einwohner

104,00 €

1.248,00 €

20.001 bis 50.000 Einwohnern

166,00 €

1.992,00 €

50.001 bis 150.000 Einwohnern

204,00 €

2.448,00 €

150.001 bis 450.000 Einwohnern

256,00 €

3.072,00 €

mehr als 450.000 Einwohnern

306,00 €

3.672,00 €

Tabelle: Steuerfreibeträge für einfache Mitglieder in Gemeindevertretungen und Stadträten
Insoweit kommen Anhebungen der Aufwandsentschädigungen nicht 1:1 den MandatsträgerInnen zugute; die Finanzbehörden partizipieren vielmehr indirekt mit. Gleichzeitig werden Einkünfte aus Aufwandsentschädigungen bei der Bemessung von Unterhalts-, SGB II- und anderen Transferleistungen als zusätzliche Einnahmen angerechnet. Eine Änderung dieser nachteiligen Anrechnungen durch eine rein landesgesetzliche Regelung ist nicht möglich, da hierfür unmittelbar der Bund zuständig ist.
Die Kommission hat sich daher einvernehmlich für eine Bundesratsinitiative zur Anhebung der Steuerfreibeträge für Aufwandsentschädigungen ausgesprochen. Eine solche Initiative ist allerdings nur dann erfolgreich, wenn sie möglichst breit von den Bundesländern getragen wird. Entsprechende Gespräche werden demnächst geführt.
Gruppenstatus von Ratsmitgliedern
Derzeit erhält eine Gruppe von Ratsmitgliedern ohne Fraktionsstatus zwei Drittel der Zuwendungen, die die kleinste Fraktion erhält oder erhalten würde (vergleiche § 56, Nr. 3, Satz 3 ff. GO NRW). Die entsprechende Änderung der Gemeindeordnung erfolgte durch die schwarz-gelbe Landesregierung am 9. Oktober 2007 auf Wunsch der FDP. Bis dahin galt ein Anteil von 50 Prozent der Zuwendungen der kleinsten Fraktion.
Nach Auffassung der Kommissionsmitglieder von SPD, CDU und GRÜNEN soll der Mindestabstand zwischen Fraktionen auf der einen und Gruppen bzw. Einzelmandatsträgern auf der anderen Seite vergrößert werden. Eine genaue Abstandsgröße wurde im Rahmen der Ehrenamtskommission aber nicht vereinbart.  
Ausstattung von Fraktionsgeschäftsstellen
Fraktionen haben durch das Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1994 einen gesetzlichen Anspruch auf finanzielle Zuwendungen gegenüber ihren Kommunen.
Die Ausstattung von Fraktionsgeschäftsstellen ist in den Gemeinden höchst unterschiedlich geregelt. Teilweise erhalten Fraktionen 30 Mal so hohe Zuwendungen wie Fraktionen in vergleichbaren Gemeinden. Beispielsweise werden der dreiköpfigen Ratsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Nümbrecht im Oberbergischen Kreis (16.598 Einwohner) 150 Euro jährlich für Fraktionsaufwendungen zur Verfügung gestellt. Demgegenüber erhält die gleich große GRÜNE Ratsfraktion in Weilerswist, Kreis Euskirchen (15.824 Einwohner) jährliche Zuwendungen in Höhe von 11.680 Euro. 
Dies führt zu der Situation, dass insbesondere in kleineren Gemeinden RatsvertreterInnen einen nicht unerheblichen Teil ihrer persönlichen Aufwandsentschädigungen zur Finanzierung einer Fraktionsgeschäftsstelle bereitstellen.
Die Kommission war sich einig, dass Fraktionsgeschäftsstellen zur Sicherstellung eines Mindestmaßes an professioneller Begleitung besser personell und mit Sachmitteln ausgestattet werden müssen.
Von einer Mindestregelung über Geldbeiträge beispielsweise in Abhängigkeit zu einer Staffelung nach Einwohnergrößen haben wir Abstand genommen, um keine Abwärtsspirale in einzelnen Gemeinden in Richtung Mindestregelung auszulösen. Stattdessen wurde der jahrzehntealte Ministeriumserlass in Zusammenarbeit mit den kommunalpolitischen Vereinigungen überarbeitet. Eine Neuregelung des Erlasses wird in Kürze in Kraft treten. Hiervon werden vor allem Fraktionen in kleineren Kommunen profitieren, in denen bislang keine angemessene Grundausstattung an Sach- und Geldmitteln existiert.
Gegenstand des Erlasses zur Bestimmung des Bedarfes von Fraktionsgeschäftsstellen (siehe Anhang) sind folgende Regelungen:

Mindestausstattung von Fraktionsgeschäftsstellen:

  • Anmietung von Räumen für die Fraktionsarbeit/Fraktionsgeschäftsstelle und zur Durchführung von Fraktions- und Arbeitskreissitzungen
  • Aufwendungen für die laufende Fraktionsarbeit wie die Anschaffung von Büromöbeln und IT-Ausstattung und wiederkehrende Kosten wie Bürobedarf, Porto, Kosten für die Internetnutzung und Telekommunikation sowie Wartung der Technik und Ausstattung
  • Beschaffung einer Grundausstattung an Print- und Onlinemedien, sofern auf die verwaltungsseitige Bibliothek nicht zurückgegriffen werden kann.
  • Mitgliedschaften in kommunalpolitischen Vereinigungen und/oder Inanspruchnahme externer Beratungsleistungsleistungen

Erweiterte Mindestausstattung:

  • Hauptamtliches Personal für den Geschäftsstellenbetrieb und Fachkräfte für einzelne Sachgebiete. Der Umfang des vorzuhaltenden Fachpersonals ist vor Ort in Abhängigkeit zur Fraktionsgröße, der Gemeindegröße und der damit einhergehenden Aufgaben zu klären.
  • Öffentlichkeitsarbeit insbesondere durch Presseerklärungen, Pressekonferenzen einschließlich Bewirtung, eigene Publikationen, Internetauftritt und soziale Medien.

Weitere zulässige Verwendungszwecke:

  • Fortbildung der Fraktionsmitglieder und der -mitarbeiterInnen durch eigene Tagungen oder durch Teilnahme an Kongressen, Vorträgen und Seminaren fachlicher Art
  • Ein Bedarf für Anschaffungs- und Betriebskosten von Fahrzeugen wird nur in Großstädten, großflächigen Gemeinden und Kreisen gesehen.
  • Auswärtige Fraktionssitzungen aus besonderen Anlässen, z.B. zur Vorbereitung von Haushaltsberatungen, sind grundsätzlich zulässig. Erforderliche Reisekosten der Fraktionsmitglieder sind von der Körperschaft zu erstatten.
  • Aufwendungen zur Hinzuziehung von Sachverständigen und ReferentInnen sowie die Bewirtung von Gästen
  • Ebenso sind Veranstaltungen außerhalb von Fraktionssitzungen – insbesondere von Informationsveranstaltungen – zulässig, sofern ein Bezug zur Fraktionsarbeit besteht
  • Darüber hinaus können Reisen der Fraktion oder einzelner Mitglieder im Auftrag der Fraktion, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Ratsentscheidungen stehen, über die Fraktionszuwendungen abgerechnet werden.

Die Umsetzung des Erlasses ist vor Ort zu regeln, hierzu bedarf es entsprechender Gespräche zwischen den einzelnen Fraktionen in den einzelnen Gebietskörperschaften. Zur Orientierung der derzeitigen Fraktionszuwendungen in den einzelnen Kommunen und Kreisen verweise ich auf die Tabelle im Anhang, aus der für das Haushaltsjahr 2003 die Gesamtaufwendungen aller Fraktionen in den einzelnen Gebietskörperschaften entnommen werden können.
Einheitliche Ratsinformationssysteme und Livestream-Übertragungen von Rats- und Ratssitzungen
Fast alle Kommunen haben inzwischen ein Ratsinformationssystem. Einheitliche Standards, deren Erarbeitung im Open Government-Prozess möglich wäre, könnten für eine verbesserte Zugänglichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Offenheit sorgen und damit zu mehr Transparenz führen. Die Kommission empfiehlt, landesweit einheitliche Standards zu erarbeiten.
Die Transparenz der Arbeit von Rat und Verwaltung ist ein wichtiges Anliegen. Live-Übertragungen von Sitzungen (Streaming) können dazu beitragen, die Transparenz zu erhöhen. Hierfür ist nach derzeitiger Rechtsauffassung die Einwilligung aller Mitglieder der kommunalen Vertretung einzuholen.  Ein einzelnes Ratsmitglied kann so Livestream-Übertragungen von Ratssitzungen mit Hinweis auf seine Persönlichkeitsrechte blockieren. Die Arbeitsgruppe regt an, die Rechtsgrundlagen für Livestreams aus kommunalen Gremien zu prüfen und zu präzisieren.
Weitere Verbesserungen zur Aufwertung des kommunalen Ehrenamtes sind in Arbeit. Wir halten Euch auf dem Laufenden.
Bei Rückfragen steht Simon Rock, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunalpolitik, zur Verfügung (Telefon 0211-8842591, simon.rock@landtag.nrw.de).
Mit grünen Grüßen
Mario Krüger

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