Dispozinsen

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
viele Banken verlangen derzeit überhöhte Zinsen für Dispokredite. Aus gegebenem Anlass möchte ich Euch daher dazu anhalten, der Höhe der Dispo- und Überziehungszinsen Eurer Banken vor Ort nachzugehen und unlautere Praktiken aufzudecken. Im Anhang findet ihr dazu eine Musterpressemitteilung zu Eurer Verwendung.

Zum Hintergrund

In den vergangenen Monaten sank der Leitzins der Europäischen Zentralbank auf das historische Tief von 0,05 Prozent und mit ihm auch die Zinswerte, die sich an ihm orientieren, so etwa der Euribor (Euro Interbank Offered Rate), der den Durchschnittszins angibt, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Folglich können Banken so günstig wie nie Kredite aufnehmen. Statt jedoch die Vorteile der günstigen Zinslage weiterzugeben, maximieren die Geldhäuser ihre Gewinne auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher. Laut Bundesbank wurden in Deutschland im Juli letzten Jahres rund 39 Milliarden Euro Überziehungskredite genutzt. Jeder Prozentpunkt an Zinsen kostet die verschuldeten Bankkundinnen und –kunden demnach rund 390 Millionen Euro.
Nachdem festgestellt wurde, dass Zinserhöhungen deutlich schneller an die Kunden weitergegeben werden als Zinssenkungen, reagierte die Europäische Kommission mit der Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG). Gemäß dieser sollten sich künftige Steigerungen der Dispo- und Überziehungszinsen an der Entwicklung eines Referenzzinssatzes orientieren, um eine symmetrische Umsetzung von Zinserhöhungen und -senkungen zu gewährleisten. Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie trat am 11. Juni 2010 in Kraft und damit zu einem Zeitpunkt, als die Zinsen historische Tiefstände aufwiesen und die Spanne zwischen Refinanzierungskosten und Dispozinsen so hoch war wie nie zuvor. Die Regelung, die eigentlich zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern intendiert war, verkehrt sich damit ins Gegenteil. Sie sichert den Banken üppige Margen und schreibt den überhöhten Zins für die Zukunft fest.
Die Dispo- und Überziehungszinsen sind in Deutschland bei vielen Banken viel zu hoch. Laut Stiftung Warentest liegt der Dispozins im Schnitt bei 11,31 Prozent. Ein fairer Zinssatz läge hingegen deutlich unter der 10-Prozent-Marke. Besonders langen die Banken bei der Überziehung eines Girokontos über den „erlaubten“ Kreditrahmen hinaus zu: hier können Zinsen von bis zu 22,5 Prozent anfallen. Die Kreditanstalten versuchen sich jedoch rauszureden und probieren ihre mitunter horrenden Zinssätze mit vermehrtem administrativem Aufwand und einer hohen Ausfallquote zu rechtfertigen – Argumente, die das Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg für nicht haltbar befunden hat. Laut dem Institut lag etwa die Ausfallquote noch im Jahr 2012 bei 0,3 Prozent, während sie bei Konsumentenkrediten im Durchschnitt 2,5 Prozent betrugen.
Leider ist es schwer, den Banken solche Praktiken nachzuweisen, da Dispozinsen trotz eines Urteils des Bundesgerichtshofs im Jahr 2009 noch immer von vielen Banken in einem intransparenten Prozess individuell festgelegt und von einer Vielzahl von Faktoren wie etwa Eigenkapitalkosten und den Kosten des operativen Geschäfts beeinflusst werden. Viele Banken bieten auch günstige Bedingungen für Girokonten an, um ihre Marktmacht zu vergrößern, die sie dann über ihr Dispogeschäft gegenfinanzieren. Einer solchen Praxis auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher muss eine Absage erteilt werden. Die Senkung des Dispozinses und die Aufhebung der Trennung zwischen Dispo- und Überziehungszins zeigen, dass wirtschaftliches Handeln auch zu niedrigeren Zinsen möglich ist. Wir fordern daher die Deckelung von Dispo- und Überziehungszinsen.
Ändern die Banken ihre Zinssätze, werden die Kundinnen und Kunden oft nicht aktiv informiert, sondern finden eine Benachrichtigung – wenn überhaupt – im Kleingedruckten auf ihren Kontoauszügen. Auch warnen die wenigsten Banken bei Kontoüberziehung oder offerieren Umschuldungsangebote. Noch immer weisen auch nicht alle Geldhäuser die Höhe der Zinsen auf ihren Internetseiten aus. Manche Bank hängt die aktuellen Zinssätze noch nicht einmal in ihrer Filiale aus, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet ist. Die Geldhäuser können sich dieses Geschäftsmodell leisten, da der Markt für Dispokredite übersichtlich ist und die wenigsten Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Bankauswahl an der Höhe der veranschlagten Dispozinsen ausrichten. Die Banken sollten allerdings ihrer Informationspflicht nachkommen müssen.
Doch die Große Koalition im Bund traut sich anscheinend nicht, der Bankenlobby Parole zu bieten. Dies scheint besonders ironisch, ging doch die SPD noch mit Verbraucherschutzversprechen in den Wahlkampf. Nun ist es an den GRÜNEN, sich erneut klar für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen und der Finanzbranche nicht einfach freie Hand zu lassen. Diese Praxis ist vor allem für Banknutzerinnen und -nutzer im ländlichen Raum entscheidend, bietet ein dünnes Filialnetz doch oft wenig oder keine Alternativen.
Viele Grüße,
Mehrdad Mostofizadeh