Die Landesregierung muss ihrer Fürsorgepflicht für Geflüchtete endlich gerecht werden – unser Plenarantrag

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
das Zusammenleben auf engstem Raum mit mehreren Hundert Menschen in den Landesunterbringungseinrichtungen bringt Geflüchtete und Personal in große Gefahr. Nicht zuletzt der aktuelle Corona-Ausbruch in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) Sankt Augustin zeigt, dass Massenunterkünfte auch zu neuen Hotspots für Infektionen werden können. Dort haben sich über 170 Geflüchtete – mehr als die Hälfte der dort Untergebrachten – mit dem Corona-Virus infiziert. Dies verwundert nicht: Denn da, wo Abstand halten keine Option ist, kann sich das Virus rasant ausbreiten. Neben der ZUE in Sankt Augustin sind auch die Einrichtungen in Euskirchen, Bielefeld, Bonn und Marl mit insgesamt mehr als 250 infizierten Bewohnerinnen und Bewohnern betroffen. Komplette Einrichtungen stehen unter Quarantäne, eine große Belastung für Infizierte und Nicht-Infizierte.
Zwar gelten auch für die Landesunterkünfte die strengen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes, doch wenn sich Menschen weiterhin Mehrbettzimmer und Sanitäranlagen teilen oder in Großkantinen essen müssen, werden die strikten Kontakt- und Abstandsgebote schlichtweg ad absurdum geführt.
In der Krise verschärft sich die Situation in den Massenunterkünften
Die Corona-Pandemie ist für uns alle nicht nur eine große Herausforderung, sie deckt auch systembedingte Missstände gnadenlos auf. Die Massenunterbringung von Geflüchteten über einen längeren Zeitraum – teilweise sogar bis zu 24 Monate –  die hier in NRW von der schwarz-gelben Landesregierung 2018 mit dem Asylstufenplan eingeführt wurde, war schon vor der Corona-Krise inakzeptabel, aber jetzt zeigen sich ihre schwerwiegenden Folgen schonungslos.
Und trotz rückläufiger Zahlen von Asylsuchenden, die nach NRW kommen, verschärfte die Landesregierung die Belegungssituation in den Landesunterkünften noch, indem sie die Zuweisung von Geflüchteten in die Kommunen aussetzte. Das ist auch rechtlich höchst bedenklich.
Besonders gravierend ist die Situation von Geflüchteten, die der sogenannten Risikogruppe angehören. Vulnerable Personen wie ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen müssen schnell aus den Einrichtungen herausgeholt, verlegt sowie angemessen und geschützt untergebracht werden. Dazu braucht es ein kooperatives Vorgehen gemeinsam mit den Kommunen.
Flüchtlingsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften fordern in einem aktuellen Appell die Landesregierung auf, die Massenunterbringung von Geflüchteten zu beenden.
Unsere Forderungen an die Landesregierung
Und auch für uns ist klar: Die Unterbringung von Geflüchteten über einen langen Zeitraum in Massenunterkünften ist menschenunwürdig und in Zeiten von Corona eine große Gefahr für die Bewohner*innen, für das Personal und auch für die Gesundheitssysteme vor Ort. Vor diesem Hintergrund fordern wir in unserem Antrag „Geflüchtete brauchen Schutz vor Covid-19 – Die Landesregierung muss ihrer Fürsorgepflicht endlich gerecht werden!“ breit angelegte und prophylaktische Corona-Tests in den Flüchtlingsunterkünften, die sofortige Entzerrung der Unterbringungssituation und die Verlegung aller gefährdeten Menschen in angemessene Unterkünfte.
Die Landesregierung muss die Zuweisung von Geflüchteten in die Kommunen umgehend wieder aufnehmen und Städte und Gemeinden zumindest endlich mit der längst versprochenen Erhöhung der Pauschale im Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) auch entsprechend finanziell unterstützen. Darüber hinaus fordern wir, dass die Landesregierung mit den Kommunen neue Kooperationswege einschlägt und verfügbare Kapazitäten für die Verlegung der Menschen aus besonders gefährdeten Risikogruppen identifiziert. Ferner müssen die Hygienekonzepte überarbeitet werden und den Geflüchteten der Zugang zu Informationen und Beratungsleistungen garantiert werden.
Ich habe die Landesregierung auch über eine Pressemitteilung aufgefordert, endlich ihrer Fürsorgepflicht für Geflüchtete gerecht zu werden.
Unser Antrag wurde an diesem Mittwoch im Plenum debattiert und direkt abgestimmt. Die regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP haben ihn abgelehnt. Leider konnte sich auch die SPD nicht dazu durchringen, unseren Forderungen zuzustimmen und hat sich enthalten. Sie will weiterhin die Zuweisung in die Kommunen aufschieben, was rechtlich höchst problematisch ist und weitere Einschnitte in die Rechte von Geflüchteten mit sich bringt wie zum Beispiel in den Fragen der Beschulung von Kindern und der gesundheitlichen Versorgung.
Wir werden uns weiterhin für eine menschenwürdige, dezentrale Unterbringung von Geflüchteten einsetzen.
Für weitere Fragen stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Freya Kuhn (freya.kuhn@landtag.nrw.de, Tel. 0211/884 -2276) und ich gerne zur Verfügung.