Das neue GEPA ist da: Neues Alten- und Pflege- sowie Wohn- und Teilhabegesetz einstimmig im Landtag verabschiedet

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,

am 01.Oktober 2014 war es nun endlich so weit, das neue Pflegegesetz GEPA wurde vom nordrhein-westfälischen Landtag beschlossen – einstimmig. Neben dem GEPA wurden auch die beiden Durchführungsverordnungen zum Alten- und Pflegegesetz sowie zum Wohn- und Teilhabegesetz beschlossen.

Vorausgegangen war ein langwieriger und intensiver parlamentarischer Beratungsprozess. Hatten die Oppositionsfraktionen noch vor einigen Wochen und Monaten den Gesetzentwurf kritisiert, insbesondere wegen dessen Zielsetzung – bei der Errichtung neuer Pflegeeinrichtungen vorrangig auf ambulante Wohn- und Pflegeformen, sowie auf eine zeitgemäße Modernisierung bestehender Einrichtungen zu setzen, statt einen weiteren Ausbaus neuer Pflegeheime zu forcieren – so sind nach intensiven Beratungen zuletzt auch die anderen Fraktionen auf eine Zustimmung eingeschwenkt. Das von GRÜNEN und SPD auf den Weg gebrachte GEPA wurde somit auch von CDU und FDP sowie einigen Abgeordneten der Piraten (die anderen enthielten sich) verabschiedet.

Am Ende der politischen Beratung ist es dann auch für viele aus der Opposition und den zuvor sehr kritisch eingestellten Trägerverbänden deutlich geworden, dass das GEPA für alle eine Verbesserung mit sich bringen wird und eine gute Voraussetzung dafür bietet, die Pflegeinfrastruktur in NRW im Sinne der Menschen zukunftsgerecht weiterzuentwickeln.

Von daher zeugen wir auch den Oppositionsfraktionen Respekt, die mit ihrer Zustimmung für dieses Gesetz eine einvernehmliche Unterstützung für das neue GEPA möglich gemacht haben. Damit ist insgesamt ein starkes Signal für eine zukunftsgerechte Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur in NRW gesetzt worden.

Mit dieser Kommunalinfo wollen wir Euch einen Einblick über die wesentlichen Inhalte und Veränderungen geben, die mit dem GEPA verbunden sind.

Gliederung:

I. Was ist das GEPA?

II. Grundlegende Ziele und Inhalte des GEPA

III. Übersicht zu den wesentlichen Änderungen

IV. Welche Veränderungen sind mit der Durchführungsverordnung zum APG verbunden?

V. Gesellschaftlicher Kontext – Demografische Entwicklung und Wunsch nach Selbstbestimmung fordern eine Veränderung der Pflegelandschaft

I. Was ist das GEPA?
[Gesetz zur Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen]

Das GEPA NRW tritt die Nachfolge des Landespflegegesetzes und des bisherigen Wohn- und Teilhabegesetzes an. Es besteht aus zwei Teilen: Artikel 1 umfasst das Alten- und Pflegegesetz Nordrhein-Westfalen (APG), das die Gestaltung der Pflegeinfrastruktur regelt; Artikel 2 beinhaltet das überarbeitete Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG), das die Mindestanforderungen für Pflege- und Wohnangebote in der Alten- und in der Behindertenhilfe regelt. Das GEPA ist nach Verkündung des Gesetzes am 16. Oktober 2014 in Kraft getreten.

Das neue Gesetz GEPA mit allen Veränderungen findet Ihr in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 16/6873

Hier die Durchführungsverordnungen zum APG Drucksache 16/6874 und zum WTG Drucksache 16/6875 in der aktuellen beschlossenen Fassung.

II. Grundlegende Ziele und Inhalte des GEPA

Das Grün-geführte Pflege- und Gesundheitsministerium MGEPA ist mit der Vorlage eines neuen Pflegegesetz GEPA einen konsequenten und notwendigen Schritt gegangen, mit dem die gesetzliche Grundlage für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur in NRW gelegt wird. Welche Inhalte sind mit dem GEPA verbunden?

a) Das GEPA bietet eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur

Das neue „Pflegegesetz“ ermöglicht und fördert einen Paradigmenwechsel weg von traditionellen Großeinrichtungen im alten Stil hin zu insbesondere ambulanten Wohn- und Versorgungsarrangements in den Wohnquartieren. Also zu einer umfassenden Versorgungssicherheit im gewohnten Umfeld bzw. an dem Ort wo die Menschen leben und wohnen wollen. Es bietet dabei auch eine Grundlage zur Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe der Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarfs sowie deren Angehörigen. Die klaren Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention hinsichtlich des Anspruchs auf Selbstbestimmung sind im GEPA und den Durchführungsverordnungen besonders berücksichtigt. Um den Kommunen mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Ihre Sozial- und Pflegeplanungen geben zu können, haben SPD und GRÜNE vereinbart, ihnen eine stärkere Steuerungsmöglichkeit zu geben und eine entsprechende Regelung im Gesetz zu verankern.

b) Kernpunkte der Reform:

  • Unterstützung von Wohn- und Pflegeangeboten, die einen möglichst langen bzw. dauerhaften Verbleib im vertrauten Quartier sichern
  • Reformierung der Mindeststandards für Pflege- und Wohnangebote, um auch die Gründung alternativer Wohnformen wie "Alten-WGs" zu erleichtern
  • Entwicklung bedarfsorientierter ambulanter Unterstützungsangebote
  • Entlastung und Unterstützung pflegender Angehöriger
  • Kommunen soll die Bereitstellung von Angeboten erleichtert werden, die zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit beitragen
  • Unterstützung bestehender Heime bei bedarfsgerechten Modernisierungsmaßnahmen und Öffnung ins Quartier
  • Stärkung von Beratung und Prävention

III. Übersicht zu einigen wesentlichen Änderungen im GEPA

Viele Regelungen im GEPA stellen eine Fortschreibung der bisherigen landesrechtlichen Praxis dar. Die grundlegenden Regelungen zur Finanzierung der Pflegeinfrastruktur, die zunächst lediglich in der DVO platziert waren, sind direkt in das Gesetz übertragen worden, um mehr Rechtssicherheit zu gewähren.

Alternative Wohn- und Pflegeformen: Das Gesetz wird deutlich flexibler in der Anwendung gerade auch für alternative Wohn- und Betreuungsangebote. Hierzu werden Anwendungsbereich und gesetzliche Anforderungen differenziert. Statt des bisher einheitlichen Begriffs der Betreuungseinrichtung wird unterschieden zwischen klassischen „Heimen“ (Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot), ambulant betreuten Wohngemeinschaften, ambulanten Diensten und Gasteinrichtungen (Kurzzeitpflege, Hospize, Tages- und Nachtpflege). Die Gründung alternativer Wohnformen wie "Alten-WGs" wird somit erleichtert. Darüber hinaus werden Regelungen getroffen, die stärker differenzieren und somit auch auf die spezifische Situation bspw. von gemeindepsychiatrischen Wohngemeinschaften abzielen.

Umstellung bei der Refinanzierung der Investitionskosten: Mit der Umstellung auf das sog. Tatsächlichkeitsprinzip dürfen zukünftig den HeimbewohnerInnen und Kostenträgern nur noch die tatsächlichen Kosten zur Refinanzierung in Rechnung gestellt werden und nicht wie bisher üblich über Pauschalen. Dies trägt auch zur Gerechtigkeit gegenüber den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen bei, wenn sie nicht mehr zahlen müssen für die Refinanzierung der baulichen Infrastruktur, als tatsächlich Kosten entstanden sind.

Qualitative Zielvorgaben müssen umgesetzt werden: Mit dem GEPA halten wir an den qualitativen Zielvorgaben fest, die bis 2018 umgesetzt werden müssen, so z.B. bei der Erfüllung der 80 Prozentigen Mindestquote für Einzelzimmer bei den bestehenden Einrichtungen und 100 Prozent Einzelzimmer bei allen jetzt neu errichteten Einrichtungen.

Durch eine deutliche Verbesserung bei den Refinanzierungsmöglichkeiten bei Modernisierungen sollen die baulichen Anpassungen befördert werden, die notwendig sind um die neuen Standards umzusetzen

Pflegewohngeld: Das Pflegewohngeld für Pflegebedürftige in Heimen bleibt bestehen. Zukünftig ist der/die HeimbewohnerIn antragsberechtigt (statt bisher die Einrichtung). Die Freigrenzen für Pflegebedürftige bleiben unangetastet. Allerdings soll das Pflegewohngeld weder Dritte entlasten noch soll der Staat bei vorherigen willentlichen Vermögensverschiebungen eintreten müssen. Daher wird der Anspruch auf Pflegewohngeld ausgeschlossen, wenn die Bedürftigkeit in den 10 Jahren zuvor vorsätzlich oder fahrlässig (z.B. durch große Schenkungen) herbeigeführt wurde.

Kommunale Pflegeplanung: Die kommunale Pflegeplanung wird durch den Aufbau einer landesweiten Datenbank unterstützt. Alternative Angebote und Quartiersorientierung werden wichtige Inhalte kommunaler Pflegeplanung; die Pflegeplanung hat zudem zielgruppenspezifische Angebotsformen und übergreifende Aspekte einer altengerechten Quartiersentwicklung zur Sicherung eines würdevollen, inklusiven und selbstbestimmten Lebens einzubeziehen. Die örtlichen Pflegekonferenzen werden in ihrer Bedeutung gestärkt. Sie beraten künftig neben der pflegerischen Versorgungsstruktur auch über die Themenbereiche Alter, Demographische Entwicklung, Quartier und pflegende Angehörige. Auch die „Kommunalen Konferenzen für Alter und Pflege“ erhalten eine größere Bedeutung für die kommunale Pflegeplanung und erhalten hierzu auch eine breitere personelle und inhaltliche Aufstellung. Weitere Änderungen beziehen sich u.a. auf die Arbeit und Besetzung der Arbeitsgemeinschaft nach § 17 WTG, die die Zusammenarbeit der Träger und Verbände befördern und die inhaltliche Weiterentwicklung unterstützen soll. (siehe hierzu auch Landtag NRW Drucksache 16/6873 Seite 11ff).

Neue Steuerungsmöglichkeiten für die Kommunen für ihre örtliche Pflegeplanung: Die Kommunen hatten schon seit längerer Zeit eine bessere Steuerungsmöglichkeit eingefordert. Dies nicht zuletzt, auch um sich gegenüber der Errichtung von immer neuen Großeinrichtungen durch Träger und Investoren erwehren zu können, wenn diese schon längst nicht mehr mit dem örtlichen Bedarf und den örtlichen Planungskonzepten zur Versorgungssicherheit und den Wünschen der Menschen übereinstimmen. Mit einer in die Zukunft gerichteten Planung ist es nicht vereinbar, wenn die Kommunen die Errichtung weiterer Großeinrichtungen hinnehmen und finanziell fördern müssen, obwohl der zusätzliche Bedarf längst durch umfassende ambulante Wohn- und Pflegearrangements in den Quartieren gedeckt wird und in Zukunft auch gedeckt werden kann. Die Nutzung dieser Steuerung erfordert dabei eine rechtlich verbindlichere Form der Pflegeplanung und eine entsprechende und verbindliche Bedarfsfeststellung. die eine rechtssichere Grundlage für eine Förderentscheidung sein kann. Die Planung ist durch einen förmlichen Beschluss der Vertretungskörperschaft festzustellen. Die Kommunale Konferenz Alter und Pflege soll in den vorbereitenden Beratungsprozess einbezogen werden.

Schließlich ist in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden im GEPA auch eine Regelung zur Einhaltung der Konnexität getroffen worden.

IV. Welche Veränderungen sind mit der Durchführungsverordnung zum APG verbunden?

Die Durchführungsverordnung zum Alten- und Pflegegesetz (DVO-APG) regelt insbesondere die Refinanzierung der Infrastrukturkosten für die Pflegeeinrichtungen

Tatsächlichkeitsprinzip: Es dürfen nur noch die tatsächlichen entstandenen Kosten den HeimbewohnerInnen in Rechnung gestellt werden

Das Bundessozialgericht hat 2011 eine neue Grundlage für die Investitionskostenfinanzierung bei stationären Pflegeeinrichtungen geschaffen. Demnach dürfen nur noch die tatsächlichen Kosten zur Refinanzierung durch die HeimbewohnerInnen und Kostenträger herangezogen werden und die Abrechnung nicht mehr wie bisher über Pauschalen (zumal wenn sie noch über denen der tatsächlichen Kosten liegen) erfolgen. Es besteht kein Zweifel, dass diese Neuausrichtung der Investitionskostenfinanzierung auch in NRW Anwendung finden muss. Dieses haben auch Rechtsgutachten bestätigt.

Bisherige Abschreibungsregelungen bei den Investitionskosten für stationäre Einrichtungen bleiben bestehen

Bereits 2008 wurde durch die damalige CDU-geführte Landesregierung die Abschreibung für neue Heimbauten von 4 auf 2 Prozent abgesenkt und damit der Zeitraum von 25 auf 50 Jahre ausgeweitet. Diese Regelung besteht also bereits seit sechs Jahren. Bei den Abschreibungsregelungen werden also – auch wenn einige Träger in ihren Stellungnahmen dies zuweilen unterstellt hatten – überhaupt keine Änderungen zu Ungunsten der Einrichtungsträger vorgenommen.

Finanzielle Rahmenbedingungen für Modernisierungsmaßnahmen werden verbessert

Aufwendungen für gesetzlich zwingend gebotene Modernisierungen sind im baufachlich erforderlichen Rahmen künftig in voller Höhe anzuerkennen. Neu ist, dass nun auch Investitionskosten bei Ersatzneubauten über 25 Jahre mit 4 Prozent (statt zuvor über 50 Jahre mit 2 Prozent) refinanziert werden können, wenn sie wirtschaftlicher sind als eine gesetzlich vorgeschriebene Modernisierung (§ 3 Abs. 6 der DVO). Nach dem WTG ist ein Ersatzneubau aber ein Neubau. Deshalb muss er 100 Prozent Einzelzimmer vorweisen und darf max. nur 80 Plätze haben.

Erhöhung der anerkennungsfähigen Nettogrundfläche

Die anerkennungsfähige Nettogrundfläche wird von 50 auf 53 qm erhöht um hiermit auch die „Barrierefreiheit“ besser umsetzen zu können.

Erhöhung der Angemessenheitsgrenze

Zur Schaffung eines größeren Spielraums zur Umsetzung aller aktuellen fachlichen Anforderungen (UN-BRK etc.) wird die Angemessenheitsgrenze für die Anschaffungs- und Herstellungskosten für stationäre Einrichtungen von 1 870 € auf 1 887 € pro qm angehoben werden.

 

Investitionsaufwendungen

Einrichtungsform

Angemessenheitsgrenze

 

 

je Quadratmeter
Nettogrundfläche

je Platz

Hinweise

Vollstationäre Dauerpflegeeinrichtung

1.887 €

100.011 €
Siehe Erläuterung
*)

pro Platz bei
53 m²/Pers

Teilstationäre Einrichtung
(Tages- und Nachtpflege)

1.445 €

26.100 €

pro Platz bei
18 m²/Pers

 

*) 2008 war die Angemessenheitsgrenze bei 1.705 €/qm, also 85.250 €/Platz eingefroren worden. Vollstationäre Einrichtungen, die noch über eine Abstimmungsbescheinigung nach der Übergangsregelung aus dem Landespflegegesetz 2008 verfügen, könnten in 2014 auf der Grundlage einer Fortschreibung des Wertes aus dem Jahr 2003 94.350 €/qm als Obergrenze in Anspruch nehmen.

 

Erhöhung der Instandhaltungspauschale

Damit die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen besser realisiert werden können, wird die Instandhaltungspauschale auf 18,77 Euro angehoben werden: (1,17 Prozent der max. Investitionskosten).

“Poolen“ von wegfallenden Plätzen

Für Träger von bestehenden Einrichtungen wird die Möglichkeit gegeben den Wegfall von Plätzen aufgrund von Modernisierungen zu kompensieren. Dies soll durch das sog. „poolen“ von Plätzen mehrerer Einrichtungen eines Trägers in einem Neubau mit Anerkennung einer 4 Prozentigen jährlichen Refinanzierung ermöglicht werden, wenn Anbau oder Ersatzneubau nicht möglich ist. Ein Neubau soll innerhalb des Kreises/ der kreisfreien Kommune bzw. in benachbarten Kommunen im Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen (80-Platz-Soll-Vorgabe (WTG) realisiert werden können.

Bestandschutz wird ausgeweitet

Nach dem bisherigen Landespflegerecht müssen die Träger bis 2018 das gesamte Raumprogramm umsetzen, um weiter durch Pflegewohngeld gefördert zu werden. Mit dem GEPA werden die Träger insoweit entlastet, als dass sie bis 2018 nur die Einzelzimmerquote umsetzen müssten, während das bestehende (und bisher rechtmäßige) Gebäude ansonsten unverändert bleiben könnte. Aber auch für diese Einrichtung bleibt die Abschaffung von Mehrbettzimmer verpflichtend; diese sind bereits seit 2011 unzulässig. Auch die Einzelzimmerquote muss in allen Einrichtungen ab 2018 80 Prozent betragen. Alle Neubauten und neuen Gebäudeteile müssen zudem die neuen Anforderungen erfüllen und 100 Prozent Einzelzimmer aufweisen.

Zu den wesentlichen Inhalten und Änderungen bei den Durchführungsverordnungen findet Ihr weitere Informationen in einer Präsentation aus dem MGEPA (Bestandteil des Ausschussprotokolls Seite 23-38)

V. Gesellschaftlicher Kontext – Demografische Entwicklung und Wunsch nach Selbstbestimmung fordern eine Veränderung der Pflegelandschaft

Die Zahl der älteren und pflegebedürftigen Menschen wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich ansteigen. Dabei wird der Anteil der Menschen, die im Alter alleine und ohne Angehörige leben werden, weiter zunehmen. Derzeit leben in NRW 548.000 Menschen, die pflegebedürftig sind. Davon leben rund 160.000 in Heimen, etwa 390.000 leben zu Hause. Zwei Drittel der Pflege findet also in der eigenen Häuslichkeit statt. Fast 69 Prozent davon werden ausschließlich von Angehörigen, die anderen mit Hilfe ambulanter Pflegedienste betreut und gepflegt.

 

Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen

Absolute Zahlen

NRW

Bund:

2009:

509.000

2,4 Mio.

2014:

548.000

 

Prognose:

2030:

709.800

3,3 Mio.

2050:

945.600

4,4 Mio.

Aufteilung auf die Versorgungsformen (2011):

stationär:

158.747 (29 %)

 

zu Hause:

389.086 (71 %)

 

davon

 

 

von Angehörigen gepflegt:

266.837 (68,6 %)

 

vom amb. Pflegedienst (mit)gepflegt:

122.249 (31,4 %)

 

Menschen mit Demenz:

bis zu 1,5 % der Bevölkerung

NRW: bis zu 300.000 Menschen (Bund: 1,2 bis 1,4 Mio.)

Prognose:

2030: + 50 %

2050: Verdopplung

Zahl der Heime und Plätze in NRW 2013:

2.325 vollstationären Heimeinrichtungen

ca. 172.000 Heimplätze

ca. 160.000 HeimbewohnerInnen

 

 

Angehörige sind somit überproportional am Pflegegeschehen aktiv beteiligt. Es sind insbesondere Frauen, die zu über 70 Prozent die häusliche Pflege übernehmen – als Ehefrauen, Töchter, Schwieger- oder Enkeltöchter. Noch eindeutiger ist der weibliche Anteil in der professionellen Pflege. Hier beträgt der Frauenanteil in den ambulanten Pflegediensten 88 Prozent und in den Pflegeheimen 85 Prozent. Zu Recht ist eine geschlechtergerechte Verteilung der Fürsorge- und Pflegeaufgaben zu fordern. Angehörigen, die zu Hause pflegen, müssen stärker als bisher mit einem Netz aus professioneller Hilfe und bürgerschaftlichem Engagement entlasten werden. Notwendig ist es, dass die Pflege im Quartier gestärkt und die ambulanten Pflege- und Unterstützungsangebote umfassend entwickelt werden, so dass auch unabhängig vom Einsatz Angehöriger eine Versorgungssicherheit für die Menschen vor Ort gewährleistet wird.

Der demografische Wandel aber auch der Wunsch älterer und pflegebedürftiger Menschen nach Selbstbestimmung und Teilhabe, erfordert den bedarfsgerechten Ausbau von Wohn- und Pflegeangeboten. Nicht zuletzt die Erfahrungen, Lebensstile, die kulturelle Vielfalt und die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen der Menschen erfordern differenzierte und auf die verschiedenen Bedarfslagen und Lebensstile ausgerichtete Wohn-, Pflege- und Unterstützungsarrangements. Die Zahl der Menschen mit Migrationsgeschichte nimmt stetig zu. Sie prägen die vielfältigen Lebensentwürfe mit. Auch neue Lebensformen und die unterschiedlichen Lebenslagen, in den sich die Menschen befinden, fordern neue zeitgemäße Solidar- und Unterstützungsformen. Insgesamt muss sich die Pflege auf eine größere Vielfalt einstellen und auch kulturelle, religiöse, sexuelle oder geschlechtsspezifische Identitäten sensibel berücksichtigen.

Die weit überwiegende Zahl aller Menschen will ihr Leben bis ins hohe Alter in der vertrauten Umgebung und Wohnquartier verbringen. Deshalb sind Quartierskonzepte gefragt, die ein Wohnen im Alter und die gesellschaftliche Teilhabe quartiersnah ermöglichen und zudem die gesundheitliche und pflegerische Versorgung im Bedarfsfall im unmittelbaren Wohnumfeld gewährleisten. Neben einer deutlich besseren Absicherung und Finanzierung der Pflege auf Bundesebene muss es daher auch um eine zukunftsgerechte Gestaltung der Pflegeinfrastruktur gehen, mit denen auch im gewohnten Wohnumfeld eine durchgängige Versorgungssicherheit geschaffen werden kann.

Eine weitergehende ausführliche Darstellung von uns zu den wesentlichen Regelungen und Änderungen, die mit dem GEPA und den Durchführungsverordnungen verbunden sind, erscheint in Kürze in der Info Das neue GEPA – welche Änderungen und Neuerungen bringt das neue Pflegegesetz mit sich?

Für Rückfragen stehe ich Euch selbstverständlich jederzeit zur Verfügung, ebenso mein Kollege Harald Wölter.

Mit grünen Grüßen

Arif Ünal MdL

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