Liebe Freundinnen und Freunde,
wir GRÜNE setzen uns seit Jahrzehnten auf allen Ebenen für das Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige – also Personen mit einer Staatsangehörigkeit eines Landes, das nicht zur EU gehört – ein. Wir wollten dieses Wahlrecht zuletzt im Rahmen der Verfassungskommission einführen. Da CDU und FDP hierzu nicht bereit waren, haben wir gemeinsam mit der SPD und den Piraten einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen zur Einführung des Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Bürger*innen vorgelegt. Doch CDU und FDP haben ihre Blockade fortgesetzt. Daher konnte die notwendige Zweidrittelmehrheit an diesem Mittwoch im Landtag leider nicht erreicht werden.
Damit wurde eine große Chance für mehr Demokratie und Teilhabe vertan. Dabei müssen Integration und politische Partizipation Hand in Hand gehen. Dass Menschen, die aus Nicht-EU-Staaten stammen, aber dauerhaft bei uns in NRW leben, auf der kommunalen Ebene mitbestimmen dürfen, fördert die Identifikation mit der hiesigen Gesellschaft. Die Gewährung dieses Rechtes zeigt den Menschen, dass sie als Mitglieder unserer Einwanderungsgesellschaft ernstgenommen und respektiert werden. Dass sie nicht nur Steuerzahler*innen, sondern Mitbürger*innen sind. Es geht dabei um die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie. Schließlich lebt sie von Beteiligung.
Worüber genau wurde heute im Landtag abgestimmt?
An diesem Mittwoch standen die zweite und dritte Lesung unseres Gesetzentwurfes zur Änderung der Verfassung auf der Tagesordnung. Unsere Formulierung zur Erweiterung des Kommunalwahlrechts im Gesetzentwurf lautet: „Wahlberechtigt sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen und die ihren ständigen Wohnsitz dauerhaft in Deutschland haben.“ Diesen Satz wollten wir im Artikel 78, in dem es um die Gemeinden geht, einfügen.
Mit der Verfassungsänderung wäre das aktive kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige ermöglicht worden. Die Menschen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten hier leben, sollten bei Kommunalwahlen auch mitabstimmen dürfen. Weitere Einzelheiten hätten im Kommunalwahlgesetz und einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren geregelt werden müssen.
CDU und FDP spalten die Gesellschaft
CDU und FDP schwächen mit ihrem heutigen Abstimmungsverhalten die Integration. Sie missbrauchen dieses wichtige Thema für eine Spaltungskampagne. Die CDU scheut sich leider auch nicht, Unwahrheiten zu verbreiten. So hat Armin Laschet Drohszenarien von AKP-Ratsfraktionen gezeichnet. Das ist falsch. Unser Gesetzentwurf hätte den Drittstaatsangehörigen die Möglichkeit gegeben, zu wählen. Um sich zur Wahl zu stellen, wäre weiterhin die deutsche oder eine EU-Staatsbürgerschaft notwendig gewesen. Seine Unterstellungen sind gefährlich, denn sie verunglimpfen ganze Bevölkerungsgruppen und können dazu führen, dass sich weitere Menschen von dieser Gesellschaft, in der sie teilweise unter Generalverdacht gestellt werden, abwenden. Es war im Übrigen die CDU, die sich bei ihrem letzten Parteitag dagegen entschieden hat, eine gleichzeitige AKP-und CDU-Mitgliedschaft für unvereinbar zu erklären.
Die FDP wiederum muss erklären, warum die Menschen, die teils jahrelang in NRW leben, heute weniger Rechte haben sollen als 2013. Damals forderten Lindner und Co. das „kommunale Ausländerwahlrecht“ noch selbst – in ihrem Bundestagswahlprogramm. Vor Ort in den Kommunen, wo das Gesetz wirkt, sind ihre eigenen Leute übrigens weiter und haben das Kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen aktiv eingefordert. So gibt es in vielen Städten, zum Beispiel in Bonn, Düren, Remscheid und Minden, Resolutionen für das Wahlrecht, die mit den Stimmen der FDP beschlossen wurden.
Aufgrund der heutigen Blockade hinkt NRW im europäischen Vergleich nun weiter deutlich hinterher. In 15 von 28 EU-Staaten haben Drittstaatsangehörige das Kommunalwahlrecht (Stand 2014), in Schweden schon seit 1975.
Einbürgerungsmöglichkeit als vorgeschobenes Argument
CDU und FDP stellen es so dar, als sei das Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige gar nicht nötig, da sich Ausländer*innen ja nur einbürgern lassen müssten und damit alle Wahlrechte hätten. Diese Argumentation ist höchst problematisch. Zum einen gibt es Ausländer*innen, die bestimmte Bedingungen zur Einbürgerung nicht erfüllen und sich nicht einbürgern lassen können, auch wenn sie dies wünschen. Andere möchten sich nicht einbürgern lassen, weil sie dafür auf ihre bisherige Staatsbürgerschaft verzichten müssten. Zugehörigkeitsgefühl ist aber keine Entweder-oder-Frage. CDU und FDP ignorieren hierbei die Lebensrealitäten vieler Mitmenschen und unserer Einwanderungsgesellschaft.
Aus Grüner Sicht sind mehr Einbürgerungen wünschenswert, deshalb haben wir 2015 auf Bundesebene einen Gesetzentwurf eingebracht, der unter anderem die Beibehaltung der Staatsangehörigkeit generell ermöglichen soll. Das Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige brauchen wir trotzdem. Dieser Ansicht sind unter anderem auch die IG Metall NRW, der DGB, der Verein „Mehr Demokratie“, der Landesjugendring, die Landesseniorenvertretung, die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Jüdischen Gemeinden sowie der Landesintegrationsrat. Wir werden weiter für das Kommunale Wahlrecht kämpfen.
Bei Rückfragen zum Thema könnt Ihr Euch sehr gerne an unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Integrationspolitik, Cornelia Schröder (0211/884-2276, cornelia.schroeder@landtag.nrw.de), und uns wenden.
Mit Grünen Grüßen
Jutta Velte Arif Ünal