Arndt Klockes Fachinfo Bauen&Wohnen: Bauturbo, Bauordnung und Bürgschaftsprogramm

Die Herausforderungen beim Bau- und Wohnen bleiben auch Mitte 2025 groß. Die Baukosten sind zu hoch, die Zinsen für langlaufende Kredite belasten weiterhin den Markt, neue bezahlbare Wohnungen bleiben Mangelware. Auch das sind Gründe, warum die Mietpreisentwicklung weiterhin nur die Richtung nach oben kennt. Wohnen ist so vielerorts längst zur größten sozialen Frage geworden.

In dieser Gemengelage wäre grundsätzlich eine neue Bundesbauministerin mit Tatendrang eine gute Neuigkeit. Allerdings wird die zur Schau gestellte Dynamik der schwarz-roten Bundesregierung derzeit fatalerweise durch die Komplettaufgabe von städtebaulichen Grundsätzen erkauft. Bauministerin Hubertz selbst nennt ihren sogenannten „Bauturbo“ deshalb auch „Brechstange“, ein für mich in der Andeutung seiner potenziellen Zerstörungswirkung durchaus passender Begriff.

Ich möchte mit diesem Kommunalinfo eine Einschätzung geben, welche Schäden diese Politik auch in NRW zu verursachen droht und welche kommunalpolitischen Möglichkeiten zum Umgang damit vor Ort verbleiben. Wir in NRW stehen dabei statt für Wildwestbauen für eine pragmatische Bau- und Wohnungspolitik, die Lösungen im Einklang mit sozialen, ökologischen und städtebaulichen Faktoren schafft. Unser Weg bleibt es, die Türen zum bezahlbaren und guten Wohnen mit den passenden Werkzeugen zu öffnen: Den richtigen Schlüsseln. Hierzu gehört neben unserem Engagement für die Wohnraumförderung und dem Mieterschutz sicher auch die Landesbauordnung, bei der wir mit einer weiteren Novelle Baukosten senken und Um- und Ausbauten erleichtern wollen. Mehr zu alledem – und auch zum jüngsten Beschluss des Landtags zur Einführung eines Bürgschaftsprogramms, das Familien und Menschen mit kleinen bis mittleren Einkommen den Eigentumserwerb erleichtern soll – im Folgenden.

I.          Breite Kritik am „Bauturbo“ der Bundesregierung

Ein PR-Slogan „Bauen, Bauen, Bauen“ mag in seiner Oberflächlichkeit noch verzeihlich sein, ein eindimensionaler Gesetzentwurf wie der zum „Bauturbo“ ist es nicht. Konkret macht es sich am Entwurf zum §246e Baugesetzbuch fest, der weder auf angespannte Wohnungsmärkte noch auf bezahlbaren Geschosswohnungsbau begrenzt ist. Bebauungspläne, Flächennutzungspläne oder der Landesentwicklungsplan – alles wird an dieser Stelle bis zum Jahr 2030 ausgehebelt.

Vom Bundeskabinett beschlossen hat die erste Lesung im Bundestag bereits stattgefunden, Union und SPD planen die Verabschiedung derzeit im Herbst. Mit dieser „Brechstange“ (Bundebauministerin Hubertz) kann – nach Zustimmung der Gemeinde – von sämtlichen Vorschriften des Baugesetzbuchs und darauf basierenden Regelungen abgewichen werden, wenn dies für bestimmte Wohnbauvorhaben erforderlich ist und die Abweichung mit öffentlichen Belangen vereinbar bleibt.

Was für Umnutzungen, Ausbauten und teils zur Innenverdichtung durchaus sinnvoll sein kann, hebelt beim Neubau vor allem im Außenbereich „grundlegende städtebauliche Prinzipien aus und konterkariert das Ziel, bezahlbaren Wohnraum sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu schaffen“. Letzteres schreiben nicht Grüne, sondern die Architektenkammer NRW. Der Mieterbund fordert, dass „die befristeten Sonderregelungen für den Wohnungsbau ausschließlich für den Bau von bezahlbaren und preisgebundenen Mietwohnungen gelten sollten“. Auch dem NABU ist beizupflichten, denn „es werden Fehlanreize für das Bauen auf der grünen Wiese geschaffen und zugleich die Gründe für den schleppenden Wohnungsbau nicht adressiert.” In der aktuellen Fassung, so der Umweltverband weiter, sei der Gesetzesentwurf bei sich bereits häufenden Extremwetterereignissen „fatal für das Stadtklima und die Grünflächen im Umland.“

Hinzu kommt, dass der 246e zwar befristet gelten soll, aber auch langfristig weitere Fehlsteuerungen festzuschreiben droht. Denn selbst wenn hier vor Ort nur für Einzelfälle zugelassen werden sollten, so werden diese Abweichungen doch die Eigenart der Umgebung mitprägen und so die potenzielle Zulässigkeit weiterer Vorhaben verändern. Ein im Einzelfall genehmigtes Vorhaben könnte so dafür sorgen, dass aufgrund eines veränderten Rahmens auch nach 2030 weitere Projekte ähnlicher Art genehmigt werden müssen – inklusive weiterem infrastrukturellen Anpassungsbedarf, der sowieso durch die Kommunen zu finanzieren wäre.

Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, wir als Land NRW können also nicht formal intervenieren. Was uns aber jenseits der Unterstützung unserer Bundestagsfraktion im Gesetzgebungsverfahren immerhin bleibt: Die Gemeinde muss explizit nach § 36a zustimmen, will sie diesen Rahmen des Gesetzes überhaupt nutzen. Damit bleibt zumindest ein Mindestmaß an kommunaler Steuerung erhalten. Hier braucht es vor Ort aber dann den politischen Mehrheitswillen, damit ökologische, soziale und interkommunale Notwendigkeiten gewahrt bleiben. Auch hierüber wird im Herbst mit der Kommunalwahl entschieden.

Statt des Bauturbos brauchen wir nach meiner Überzeugung ein gezieltes Instrument, in angespannten Märkten schnell, passenden und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wildwestbauen, zur Unkenntlichkeit geschliffene Beteiligungs- und Planungsverfahren, neue Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese, all das schafft wenig Lösung aber viele Probleme. Vielerorts wird diese Komplettaufgabe städtebaulicher Grundsätze massiven Schaden anrichten: Denn wo gar kein zusätzlicher Neubaubedarf besteht, erhält auf Dauer nur Wieder-, Weiter- und Umnutzung die lebenswerten örtlichen Strukturen. Die Neubauzahlen durch Regulierungsverweigerung anzukurbeln ist ein Irrweg. Denn weder wird so bezahlbar gebaut, noch an der richtigen Stelle.

Stattdessen brauchen wir drei Dinge vom Bund: Neben einer intelligenten Planungserleichterung ist mehr Förderung für bezahlbares Wohnen aus dem 500 Milliarden Paket notwendig. Zusätzlich benötigen wir dort einen effektiven Mieterschutz ohne Schlupflöcher, wo der Markt offensichtlich versagt. Das wäre Wohnungspolitik mit Verstand, Herz und Weitblick. Kommt der „Bauturbo“ allerdings in unveränderter Form, kommt auf unsere Räte und Kreistage eine große Verantwortung zu, die uns Grüne vor Ort noch intensiv politisch beschäftigen wird.

II.         Landesbauordnung – Novelle angekündigt

Grün statt grau brachte unsere neue Landesbauordnung Ende 2023. Neben Erleichterungen für PV-Anlagen, Windräder, Holzgebäude und Wärmepumpen haben wir mit der erfolgreichen Novelle dabei auch Schottergärten den Kampf angesagt. Nun wollen wir in einem weiteren Schritt das Bauen günstiger machen und mehr Wohnraum in unseren Städten schaffen. Dabei ist unser Ziel, wertvolle Grünflächen, Frischluftschneisen und Versickerungsflächen bestmöglich erhalten. Wie das geht? Wir werden die Regeln für das Bauen, Umbauen, Umnutzen und Aufstocken unserer Gebäude gezielt anpassen. So ermöglichen wir beispielsweise in so manch lang leerstehenden Ladenlokal künftig Wohnen und erleichtern den Bau neuer Wohnungen auf dem Dach bestehender Gebäude.

Einen entsprechenden ersten Entwurf hat das zuständige MHKBD pünktlich zum Start der Parlamentarischen Sommerpause veröffentlicht. Dieser wird nun zunächst im Rahmen der Einladung zu einer Verbändeanhörung an die Expert*innen aus der NRW-Baupraxis gegeben. Es handelt sich hier ausdrücklich noch nicht um das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren, der Entwurf ist entsprechend noch nicht mit uns abgestimmt. Wir verfolgen intensiv die Tätigkeit des Ministeriums und melden uns gern, sobald weiteres Berichtenswertes vorliegt.

III.        NRW erleichtert Wohnungskauf für Familien und Menschen mit kleinen bis mittlere Einkommen

Wir haben die NRW-Wohnraumförderung auf den Rekordwert 10,5 Milliarden bis 2027 aufgestockt, im letzten Jahr haben wir trotz enger Haushaltslage 1,5 Milliarden aufgesattelt. Allein im letzten Jahr konnten so 11.199 Wohneinheiten gefördert werden, hinzu kommt noch der Ankauf von Belegungsbindungen. Alexander Rychter vom Verband der Wohnungswirtschaft attestiert uns, damit in NRW so 2024 mehr als alle anderen Bundesländer zusammen in bezahlbares Wohnen investiert zu haben.

Die Wohnraumförderung hat dabei zwei Säulen. Der Mietwohnungsbau und die Eigentumsförderung. Der Mietwohnungsbau ist dabei die deutlich stärkere – und das ist auch gut so. Aber auch die Eigentumsbildung kann für Menschen individuell der richtige Weg sein, persönlich für ihr Leben, aber auch finanziell. Allerdings scheitert der Wunsch nach den eigenen vier Wänden je nach Einkommen bei vielen an der Hausbank.

Der Landtag hat deshalb kurz vor der Sommerpause einstimmig ein zusätzliches Instrument beschlossen. Auf Antrag der schwarz-grünen Koalitionsfraktionen wird nun ein Bürgschaftsprogramm für Familien und Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen eigeführt. Der entsprechende Antrag ist hier zu finden, die konkreten Förderbedingungen sind nun in Arbeit.

Dieses Bürgschaftsprogramm wirkt tatsächlich zusätzlich, der Etatansatz von maximal 50 Millionen Euro wird nicht auf die Budgets der Wohnraumförderung gehen. Bei dem Wort „Eigentum“ haben viele schnell ein Einemillion-Einfamilienhaus in Universitätsstädten vor dem geistigen Auge. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt der Realität und bleibt für die allermeisten Menschen in NRW unerschwinglich. Doch es gibt eben nicht nur die Schwarmstädte und ihre Speckgürtel, NRW ist vielfältig – das gilt auch für die Wohnungsmärkte.

Wir denken bei diesem Programm beispielsweise an den Erwerb einer Bestands-Eigentumswohnung im Geschosswohnungsbau im Märkischen Kreis, in Gelsenkirchen oder Mönchengladbach. Eine Studie der Postbank hat jüngst ergeben, dass unter anderem in den genannten Regionen beim Immobilienkauf die monatliche Belastung nicht höher ist als die Miete für vergleichbaren Wohnraum. Hier kann Eigentumserwerb je nach Lebenssituation sinnvoll und unterstützenswert sein, auch zur Altersvorsorge.

Ich bin überzeugt, dass eine nachhaltige Lösung der Wohnungskrise aus vielen größeren und kleineren Bausteinen besteht. Dies ist ein weiteres Puzzleteil. Ein Video meiner Plenarrede zum Antrag findet ihr hier.

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