Lena Zingsheim-Zobel: „Wir sehen Schulen als Orte der Gemeinschaft, als Vermittlerinnen gelebter Demokratie, an denen wirklich jedes Kind mitentscheiden kann“

Zum Haushaltsgesetzentwurf 2026 - zweite Lesung - Schule & Bildung

Portrait Lena Zingsheim-Zobel

Lena Zingsheim-Zobel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war vor einigen Wochen mit meiner Kollegin Dorothea Deppermann an einer Schule in Münster. Dort mitten im Unterricht, als wir in den Klassen beobachten konnten, wie toll junge Menschen lernen, fragte mich eine Schülerin ganz leise von der Seite, ob ich Politikerin sei und ob ich bitte dafür sorgen könne, dass Lebensmittel wieder günstiger werden. Da musste ich kurz schlucken, das gebe ich zu, weil das eine Realität abbildet, der wir uns im Raum der Politik niemals entziehen können und dürfen.

Gut jedes siebte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet. In Nordrhein-Westfalen gibt es Städte, in denen jedes dritte Kind in Armut lebt. Und dann geht das Kind auch noch in eine Schule, in der die Klos so aussehen, wie Schulklos momentan manchmal aussehen. Vielleicht fehlt auch noch eine Lehrkraft, die eigentlich unterstützen müsste.

Das ist ein doppelter Schlag für diejenigen, die am wenigsten dafür können. Genau deshalb war und ist es uns als schwarz-grüner Koalition ein zentrales Anliegen, unsere Kinder vor Kürzungen zu schützen, vor massiven Einsparungen, vor Kürzungen, die ihre Zukunft gefährden würden. Das ist wichtig. Lassen Sie mich eines klar sagen: Es ist alles andere als selbstverständlich, dass wir im Bildungsbereich nicht einsparen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mit über 25 Milliarden Euro ist der Einzelplan 05 der größte Posten unseres Landeshaushalts. Das ist kein Zufall, sondern ein klares Bekenntnis. Bildung ist nicht irgendein Politikfeld, sie ist Fundament von Zusammenhalt und Zukunft, von sozialer Sicherheit und von wirtschaftlicher Stärke. Diese Verantwortung spiegelt unser Haushalt wider.

Doch trotz dieser Stabilität wäre es fatal, sich zurückzulehnen. Die Herausforderungen sind groß und werden nicht automatisch dadurch besser, weil nichts eingespart wird.

Das Startchancen- und das Schulentwicklungsbudget sorgen dafür, dass die Zuweisungen weiter steigen. Denn in NRW ist auch klar, dass Bildung im Ruhrgebiet andere Ansätze braucht als in OWL oder im Rheinland. Ungleiches ungleich zu behandeln bedeutet, Ressourcen dorthin zu steuern, wo sie am meisten gebraucht werden.

Die Startchancen-Schulen werden ermutigt, sich auszuprobieren, Netzwerke zu knüpfen und Innovationen an Schulen zu leben. Davon kann und wird ganz Nordrhein-Westfalen profitieren.

Der OGS-Rechtsanspruch tritt ab dem kommenden Schuljahr für alle Erstklässler in Kraft. Im kommenden Jahr erhöhen wir die Plätze, sodass landesweit insgesamt mehr als eine halbe Million Plätze zur Verfügung stehen. Wir bauen nicht nur Betreuungsplätze aus, wir bauen Möglichkeiten: Möglichkeiten für Kinder, die am Nachmittag forschen, spielen und entdecken; Möglichkeiten für Eltern, die durchatmen können, weil sie wissen, dass ihr Kind gut aufgehoben ist; Möglichkeiten für Familien, endlich Zeit und Arbeit besser miteinander vereinbaren zu können.

Natürlich wissen wir, dass der quantitative Ausbau alleine nicht auf Dauer reichen wird. Wir brauchen Qualität – flächendeckend. Genau das bleibt unser Anspruch. Denn wenn wir über den Ganztag sprechen, sprechen wir nicht nur über Aufbewahrung. Wir sprechen über Chancen: Chancen, Interessen zu entdecken, Sprachentwicklung zu fördern und soziale Kompetenzen zu stärken.

Ja, wir können den Gedanken weiterspinnen. Es wäre großartig, wenn wir mehr Familiengrundschulzentren unterstützen könnten. Dafür fehlt uns aber gerade schlicht der finanzielle Spielraum.

Auch im Bereich der Inklusion gehen wir entschlossen weiter. 75.802 Schüler*innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf werden im kommenden Jahr im Gemeinsamen Lernen beschult. Wenn diese Kinder im Gemeinsamen Lernen unterrichtet werden, dann bedeutet das nicht nur ein räumliches Zusammensein, sondern gemeinsames Wachsen, von- und miteinander Lernen – für eine Gesellschaft, die nicht trennt, sondern verbindet. Dafür stellen wir 10.360 Stellen bereit: für Mehrbedarf, Koordination, Fachberatung, Fortbildungen und den Ausbau multiprofessioneller Teams.

Wir gehen noch weiter: Zusätzliche Stellen für die Inklusion an Berufskollegs, für Integrationsstellen und für den Herkunftssprachlichen Unterricht erweitern die Chancen für junge Erwachsene. Auch die Inklusionspauschale mit weiterhin insgesamt 77 Millionen Euro ermöglicht zusätzliche Hilfe, um die Kommunen und Kinder ausreichend zu unterstützen. Da wird nichts gestrichen. Der Haushalt 2026 schafft eine Grundlage für echte Entwicklung und echte Teilhabe an unseren Schulen.

Ein weiterer Meilenstein ist die stufenweise Anpassung der Lehrkräftebesoldung, der Anspruch auf A13 für Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe I. Nach Jahren des schrittweisen Anhebens wird es am 1. August 2026 Realität: Alle Lehrkräfte erhalten A13. Das ist ein massiver Erfolg unserer Bildungspolitik. Wir investieren viel Geld – nicht weil es leicht ist, sondern weil es richtig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Darauf bauen wir auf. Denn wer A sagt, muss auch B sagen. Beförderungsämter müssen angemessen vergütet werden, weil Verantwortung nicht an der Klassentür endet. Sie zeigt sich in Fachleitungen, in Koordination, in pädagogischer Führung. Wer mehr Aufgaben trägt, muss dafür gerecht entlohnt werden. Wir starten nun mit der Ergänzungsvorlage zum Haushalt an den Gesamtschulen.

Auch bei der Qualifizierung der Lehrkräfte generell setzen wir weiter an. Wir stärken die Lehrkräftefortbildung. Wir stärken die Zugänglichkeit durch den Ausbau digitaler und asynchroner Angebote.

Einen Bereich möchte ich besonders hervorheben, weil er mir und uns allen am Herzen liegt: die politische Bildung. In einer Zeit, in der demokratische Werte angegriffen werden, ist es unsere Pflicht, jungen Menschen Räume für Orientierung und kritische Auseinandersetzung zu geben. Trotz finanzieller Zwänge sichern wir Programme, die Demokratie stärken, weiter ab.

Über den Schulentwicklungsfonds halten wir Fahrten zu Holocaustgedenkstätten aufrecht. Wir stärken „Schule der Vielfalt“, „Schule ohne Rassismus“ und den Aktionsplan „Für Demokratie und Respekt – Entschieden gegen Diskriminierung und Gewalt“.

Wir werden am islamischen Religionsunterricht festhalten.

Wir geben zusätzliches Geld in den Schulentwicklungsfonds, um Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen zu stärken. Damit schaffen wir einen Zukunftskompass für unsere Gesellschaft. Denn wer Nachhaltigkeit versteht, kann Zukunft gestalten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir sehen Schulen als Orte der Gemeinschaft, als Vermittlerinnen gelebter Demokratie, an denen wirklich jedes Kind mitentscheiden kann.

Natürlich wünschen wir uns alle mehr. Die Liste dessen, was wir gerne zusätzlich unterstützen würden, ist lang. Wir haben eine klare Vorstellung davon, wie Schule in Zukunft aussehen soll. Sie ist eine bessere, mutigere, gerechtere Schule als die, die wir heutzutage mancherorts vorfinden.

Wir sehen Orte, die endlich halten, was unser Grundgesetz verspricht: gleiche Chancen für alle. Wir sehen Orte, an denen nicht die Herkunft oder der Geldbeutel entscheiden, sondern Neugier und Mut. Wir sehen auch, dass wir mit der Stärkung von Basiskompetenzen und Mitbestimmung auf dem Weg dorthin sind.

Wir sehen Schulen, in denen Kinder nicht für die Welt von gestern lernen, sondern für die Herausforderungen von morgen, kreativ, kollaborativ, kritisch denkend, Schulen, die Nachhaltigkeit ebenso selbstverständlich vermitteln wie digitale Souveränität und demokratische Haltung, Schulen, in denen Prüfungen nicht mehr nur Abfragen sind, sondern Wege, Kompetenzen sichtbar zu machen, vielfältig, gerecht und sinnstiftend. Es besteht eine Möglichkeit, damit in der Oberstufe bald anzufangen.

Dieser Haushalt ist ein Haushalt der Verantwortung. Er schützt, was geschützt werden muss. Er setzt Prioritäten dort, wo sie notwendig sind: auf die Bildung unserer Kinder und eine starke Zukunft. Er zeigt eines deutlich: Diese schwarz-grüne Koalition bleibt gerade in schwierigen Zeiten handlungsfähig. Sie rückt die Bildung in den Mittelpunkt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)