Dagmar Hanses (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es braucht manchmal einen Skandal, bevor wir merken, dass unser Recht an Grenzen stößt. Der Fall von Yanni Gentsch zeigt uns, wie lückenhaft der Schutz der Intimsphäre im digitalen Zeitalter ist. Ich bin dankbar für ihre Initiative. Ein Problem muss erst konkret benannt werden, damit es geändert werden kann.
Wir müssen jetzt diese Grenze neu ziehen; denn wer anderen das Recht auf Selbstbestimmung in Bezug auf ihren eigenen Körper nimmt, greift im Kern ihre Würde an. Hierbei ist es völlig egal, welche Kleidung eine Frau trägt.
Bildbasierte Gewalt ist im Zeitalter von Smartphones, Social Media und KI besonders einfach und leicht durchführbar. Nicht nur auf der JuMiKo, sondern auch hier bei uns sollten wir uns einig sein, dass das Filmen des Intimbereichs auch dann, wenn Menschen bekleidet sind, ein Eingriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist.
Bereits 2020 wurde das sogenannte Upskirting und Downblousing unter Strafe gestellt, also das Filmen unter den Rock oder in den Ausschnitt einer Person. Aber es geht nicht um Kleidung oder ein bestimmtes Körperteil. Es geht um die Intention und die Absicht dabei.
Wir leben in einer Zeit, in der fast jede Hand ein Smartphone trägt. Wir laufen mit Smartphones durch die Gegend, und es ist immer eine Kamera dabei. Unser Strafrecht ist in diesen Bereichen aber im letzten Jahrhundert hängen geblieben. Unauffällig können jederzeit Bilder gemacht, geteilt und millionenfach verbreitet werden. Durch soziale Medien, durch KI-Technologie verschwimmen die Grenzen zwischen Realität, Öffentlichkeit und Intimität. Gesichter lassen sich verfälschen und Körper in andere Kontexte einsetzen. Nur ein kurzer Moment im Park kann im Netz viral gehen.
Wenn eine Frau wie Yanni Gentsch beim Joggen heimlich gefilmt wird, heißt es bisher: Das ist nicht strafbar. Eine sexuelle Belästigung setzt bisher eine körperliche Berührung voraus. Dabei geht es nicht um Zufall oder Missverständnis. Es geht um Macht, es geht um Demütigung, und es geht um Kontrolle. Eine Frau wird objektifiziert. Wer heimlich eine Frau filmt, sagt damit: Du bist nicht du, sondern ich bestimme über dich.
Herr Minister, der Antrag an die JuMiKo ist wirklich wichtig. Er wurde von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Hamburg gestellt. Dabei soll auch das Thema „Catcalling“ angesprochen werden; denn Frauen sind keine Objekte. Sie sind nicht da, um Männern zu gefallen und um sexuelle Fantasien auszufüllen.
Wir sprechen bei Frauenrechten immer von Menschenrechten,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)
vom Recht am eigenen Körper. Niemand muss es hinnehmen, sexualisiert zu werden, weder im Bild noch durch Hinterherrufen. Jede Frau, jeder Mensch hat ein unveräußerliches Recht am eigenen Bild, an der eigenen Würde und darauf, die eigenen Grenzen selbst zu ziehen.
Es macht etwas mit Frauen, wenn ihnen das passiert. Es macht etwas mit einem. Es macht Angst, es macht Unsicherheit, und das geht nicht einfach von selbst weg. Deshalb müssen wir diese Lücke jetzt im Strafrecht schließen, damit heimliche Voyeuraufnahmen wirklich geahndet werden können.
Es geht nie nur um ein Video. Es geht um Macht und darum, Frauen zu zeigen, dass ihre Körper sexualisiert, betrachtet und kontrolliert werden können. Solche Aufnahmen nehmen Betroffenen das Gefühl von Selbstbestimmung und Kontrolle, wenn von anderen über ihren Körper, über ihr Bild entschieden wird.
Wenn wir das weiter zulassen, wenn wir nicht klar sagen: „Wir müssen das ändern“, dann sagen wir Freundinnen, Kolleginnen, Müttern, Nachbarinnen und auch Töchtern: Deine Grenze gilt nur, solange sie niemand überschreitet. – Wollen wir das wirklich vermitteln? Nein, das wollen wir nicht.
Dieses Thema wurde durch eine starke Frau, die sich nicht zum Opfer machen ließ, sondern aktiv mit einer Petition die Zivilgesellschaft mobilisiert und sensibilisiert hat, im öffentlichen Diskurs vorangetrieben. Diesen Diskurs greift unser Justizminister auf. Es ist wirklich gut, dass das Thema jetzt auf der Tagesordnung der JuMiKo steht. An diesem Beispiel können wir sehen: Wenn Betroffene, Zivilgesellschaft und Landesregierung gemeinsam Veränderungsprozesse anstoßen, dann kann es gut werden. Jetzt braucht es nur noch den Bundesgesetzgeber, der das Strafgesetzbuch ändert. Darauf freue ich mich. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
