Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Wissenschaftskommunikation klingt für viele erst einmal nach einem netten Extra. Aber in Wahrheit ist sie systemrelevant. Denn sie entscheidet darüber, ob Forschung verstanden wird, Vertrauen aufgebaut wird und Erkenntnis in der Gesellschaft ankommt.
Sie ist längst, liebe SPD, mehr als nur das Erklären von Forschung. Sie ist Teil von moderner Forschungspraxis, von Co-Creation, von Citizen Science, von Transfer und auch von Verantwortung, die Hochschulen und Wissenschaft für die Gesellschaft übernehmen.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, als ich als Doktorandin vor zehn Jahren gesagt habe, mich für Wissenschaftskommunikation zu interessieren. Die Reaktion war oft: Ach, dann bist du wohl nicht gut genug für eine Professur. – Diese Haltung ist nicht nur falsch; diese Haltung ist gefährlich. Denn sie verhindert, dass sich engagierte Menschen für Wissenschaftskommunikation entscheiden; sie verhindert, dass Forschung in Zusammenarbeit mit Gesellschaft und Politik stattfindet; sie verhindert, dass Wissenschaft dort ankommt, wo sie gebraucht wird: in der Gesellschaft.
Wer Kommunikation abwertet, gefährdet Erkenntnis. Zum Glück ist das schon bei vielen Hochschulen in unserer Forschungslandschaft in NRW angekommen. Die Einsicht ist da: Wissenschaft steht nicht für sich allein. Sie braucht den Dialog mit Politik und Gesellschaft. Sie braucht Transfer. Sie braucht Kommunikation essenziell als Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. – Was hindert uns also daran, das umzusetzen?
Es braucht keine neue Verantwortung und auch kein neues Ministeriumsreferat. Es braucht Haltung, es braucht Praxis, es braucht Anerkennung und, ja, an mancher Stelle auch noch die Einsicht, dass Kommunikation eben eine wissenschaftliche Leistung ist und als solche berücksichtigt werden muss.
Der Bundestag hat in seiner letzten Legislatur einen Antrag beschlossen, der genau das fordert, Wissenschaftskommunikation systematisch und umfassend zu stärken. Das ist wichtig. Die Initiative liegt nun eben beim Bund, und da passiert bisher wenig.
Der Antrag der SPD greift diesen Beschluss zwar auf, aber nicht korrekt, und ignoriert, dass NRW auch handelt. Wir reden eben nicht nur über Wissenschaftskommunikation, wir machen sie möglich. Einrichtungen wie die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft mit ihrer transferorientierten Forschung setzen durchgängig auf Wissenschaftskommunikation, auf gelebten Transfer und gemeinsame Projekte mit anderen.
Das CAIS in Bochum, das Center for Advanced Internet Studies, heute schon mehrfach angesprochen, lebt von einer Forschung in Co-Creation mit Gesellschaft und Politik. Auch die Akademie der Wissenschaft und Künste ist genau zu diesem Zweck gegründet worden. Das tun wir eben so, ohne zu enge Vorgaben zu machen. Denn gute Wissenschaftskommunikation braucht Vielfalt in Formaten, in Zielgruppen, in Forschungsmethoden und in Perspektiven.
Und ja, die Studie der Transfer Unit zeigt: Wir haben noch viel zu tun. Das nehmen wir ernst: mit dezentralen Strukturen, mit dem Ziel, dass alle Wissenschaftler*innen lernen, gut zu kommunizieren, mit Praxisnähe, mit Offenheit und mit der Anerkennung moderner Wissenschafts-Methodiken. Wissenschaftskommunikation ist eben kein Schönwetterthema, sie ist systemrelevant. Wir lehnen den Antrag ab, gerade weil wir es ernst damit meinen
(Lachen von Dr. Dennis Maelzer [SPD] und Thomas Okos [CDU])
und weil NRW handelt. Denn Wissenschaft braucht Öffentlichkeit, braucht Vielfalt und braucht Haltung, und genau dafür setzen wir uns ein. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
