Gönül Eğlence: „Wir denken Schule immer in Schulmauern, damit müssen wir aufhören“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu Bildung im Ruhrgebiet

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Ich weiß, dass es rhetorisch immer etwas unklug ist, direkt mit einer Provokation zu starten, aber ich muss das jetzt leider trotzdem tun.

(Frederick Cordes [SPD]: Müssen Sie nicht!)

An die SPD gerichtet: Manchmal frage ich mich tatsächlich, ob Sie irgendwo in Ihrem Keller eine Gelddruckmaschine liegen haben, von der wir nichts wissen. Falls ja, hätte ich gerne die Adresse und würde gerne mal vorbeischauen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Frau Kollegin Müller-Rech, ich finde es wirklich erstaunlich, dass Sie den Mehrsprachigkeitsantrag noch einmal erwähnt haben. Was wollen Sie den Kindern und Jugendlichen, die zu Hause mehr als eine Sprache sprechen, eigentlich mitteilen?

(Enxhi Seli-Zacharias [AfD]: Deutsch lernen!)

Wollen Sie denen sagen: „Die Sprache, die du zu Hause lernst, ist nichts wert“?

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Nein, wir wollen, dass die Deutsch lernen, Frau Kollegin, und dabei die bestmögliche Unterstützung kriegen!)

– In diesem Antrag wurde mitnichten geschrieben, dass niemand Deutsch lernen soll. Ganz im Gegenteil: Jede Studie zu Mehrsprachigkeit und zu Herkunftssprachlichem Unterricht belegt, dass, wenn wir den Herkunftssprachlichen Unterricht stärken, gleichzeitig das Erlernen der Zweitsprache gestärkt und ausgebaut wird, und das ist unser Ziel.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Vor allem wollen wir an diese Kinder und Jugendliche das Signal senden: Wenn ihr zu Hause eine weitere Sprache sprecht, ist das eine Kompetenz, die wir schätzen und sehen.

(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])

Denn in einer globalisierten Welt, in der Mehrsprachigkeit übrigens in allen anderen Ländern hochgehalten wird,

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Da finden keine Prüfungen in anderen Sprachen statt, Frau Kollegin!)

braucht es auch die Kompetenz „Mehrsprachigkeit“, und die wollen wir gerne fördern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zu der Aktuellen Stunde und der Fragestellung. Ich verstehe die DGB-Studie nicht als Anklage, sondern tatsächlich als Auftrag. Ich glaube aber auch, dass ein Auftrag darin besteht, mit dem Denken in Silos aufzuhören. Unser größtes Problem im gesamten Bildungssektor ist, dass wir in Silos und nicht genug in Netzwerken und an qualitative Aspekte denken.

Es ist wichtig, dass wir mit dem Schulsozialindex des Staatschancen-Programms – beim Startchancen-Programm machen wir das letzten Endes übrigens nicht alleine – dafür sorgen, dass wir ungleiche Kommunen auch ungleich behandeln und entsprechend Gelder fließen lassen können.

Im Übrigen hebt auch der „Bildungsbericht Ruhr“ hervor, wie wichtig Netzwerke im Bildungsbereich sind und dass sie gestärkt werden müssen. Es geht nämlich um die kooperative Steuerung zwischen dem Land, den Kommunen, den Trägern, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, und das kommt mir bei diesen Debatten immer zu kurz.

Da draußen gibt es kompetente Organisationen, und wir denken Schule immer in Schulmauern. Damit müssen wir aufhören. Wir müssen sehen, welche Mehrwerte aus Netzwerken und der Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, den Schulträgern und dem Land gewonnen werden können. Ich will noch hervorheben, dass dazu im Übrigen im Rahmen des Kommunalen Integrationsmanagements auch die Integrationsstellen in den Schulen gehören – die leisten wichtige Arbeit.

Fast jedes zweite Kind hat eine sogenannte Migrationsbiografie, worin ich – ganz genau! – kein Problem sehe. Ganz im Gegenteil: Für unsere Wirtschaft bedeutet das, dass diese Kinder und deren Eltern den Wohlstand und die Renten in diesem Land gewährleisten.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Heute Morgen habe ich in den Nachrichten gehört, dass manche Leute laut darüber nachdenken, ob wir ein Renteneintrittsalter von 70 Jahren brauchen. Ich würde sagen, dass die Kinder und Jugendlichen mit einer Migrationsbiografie, die momentan in den Schulen sitzen, diejenigen sind, die gewährleisten, dass wir unseren Wohlstand wahren können.

(Christian Loose [AfD]: Ja, die können kein Wort Deutsch, aber zahlen unsere Rente!)

Ich bitte Sie alle darum – das wünsche ich mir –, dass wir alte Denkmuster aufbrechen und erneut in der Sache diskutieren – im Sinne der Kinder, im Sinne unseres Bildungssystems. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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