Dr. Julia Höller: „Drohnen suchen nach Schwachstellen in unserer Gesellschaft“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag zum Schutz kritischer Infrastruktur vor Drohnen

Portrait Dr. Julia Höller

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer in diesen Tagen die Nachrichten verfolgt, sieht Bilder, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären: Drohnen über Kraftwerken, über Kasernen, über Flughäfen. Wir stehen damit vor einer neuen sicherheitspolitischen Realität, denn diese Flugobjekte sind nicht einfach technische Spielereien, sie sind Werkzeuge der hybriden Kriegsführung.

Oft wissen wir gar nicht, wer sie steuert, woher sie kommen oder welchem Zweck sie dienen. Vielleicht kommt das Signal aus dem Ausland, vielleicht aber auch irgendwo aus der Nachbarschaft. Vielleicht ist es auch nur ein Jugendlicher, der mit seiner Drohne spielt, oder ein Taschengeldagent, der gar nicht weiß, für wen er sie fliegen lässt.

Das Perfide an diesen Drohnen ist ihre Anonymität. Wer dahinter steckt, bleibt im Dunkeln, und genau das ist Teil des Plans: Sie säen Unsicherheit. Unsicherheit ist die Währung hybrider Angriffe, denn hybride Angriffe brauchen keine Raketen, sie brauchen nur Unentschlossenheit, und genau davon gibt es im Moment eine Menge.

Wir hören ständig in der Debatte: Das ist Aufgabe der Bundespolizei, ach nein, das ist doch eher Sache der Bundeswehr, Moment, aber die Länder … Es gibt das ewige Spiel zwischen Innenministerium und Verteidigungsministerium, aber, Moment, es geht um Luftfahrtsicherheit, dann ist es vielleicht doch das Verkehrsministerium. – Wer macht hier eigentlich überhaupt was? Das Absurde ist: Irgendwie haben alle recht, denn irgendwie sind alle zuständig.

Unser Grundgesetz zieht aus guten und wichtigen Gründen klare Linien.

Grundsätzlich gilt, und dabei bleibt es: Die Polizei ist zuständig für innere Sicherheit, die Bundeswehr für äußere Verteidigung. Nach Art. 87a Grundgesetz darf die Bundeswehr im Innern nur in engen Grenzen tätig werden: im Katastrophenfall oder bei einem besonders schweren Unglücksfall auf Anforderung eines Landes und im Spannungs- oder Verteidigungsfall auch zum Schutz ziviler Objekte.

Aber wir leben längst in einer Grauzone zwischen Frieden und Verteidigungsfall. Drohnen, Cyberangriffe, Spionage, Sabotageakte zielen auf unser Land, ohne dass uns irgendwer offiziell einen Krieg erklärt hat. Die Diskussion, ob das jetzt schon der Spannungsfall nach Art. 87a Grundgesetz ist, ist berechtigt. Sie merken: In Deutschland schiebt man sich die Bälle im föderalen Zuständigkeitsspiel auf Kreisliganiveau zu, während Putin und seine Drohnen längst international spielen.

Was braucht es jetzt?

Erstens: klare Zuständigkeiten.

Zweitens: endlich ein zentrales Lagebild zu hybriden Bedrohungen auf Bundesebene, ein Lagebild, das uns befähigt, Angriffe schnell zu erkennen, öffentlich zu benennen und konsequent zu ahnden. Dass es so etwas nicht gibt, das ist einfach sicherheitspolitisch kaum zu fassen.

Es braucht drittens einen echten Schutz von besonders gefährdeten Objekten und kritischen Infrastrukturen. Es macht mich auch persönlich wirklich wütend, dass nach so vielen Jahren das KRITIS-Dachgesetz immer noch nicht da ist.

Viertens braucht es mobile Einheiten der Polizei, die mit Detektions- und Abwehrtechnik ausgestattet sind, um schnell reagieren zu können.

Fünftens: klare und rechtssichere Regeln für die Amtshilfe der Bundeswehr.

Sechstens. Die Rolle der Polizei muss gestärkt werden. Unsere Polizeien brauchen rechtliche, technische und organisatorische Befähigungen, um auf diese Bedrohungen schnell, sicher und wirksam reagieren zu können. Wir müssen überprüfen, ob das, was hierzu überhaupt vorhanden ist, ausreicht. Das gilt für die Länder, aber es gilt eben auch für die Bundespolizei, die eine zentrale Rolle in diesem ganzen Konstrukt spielen muss. Dafür braucht es endlich klare gesetzliche Grundlagen, denn hybride Bedrohungen machen nicht an Ländergrenzen Halt und interessieren sich einfach nicht dafür, wer formal zuständig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir erleben seit Monaten eine Sicherheitsdebatte im Bund, die das eigentliche Problem verfehlt. Der Bundesinnenminister hatte seit Amtsantritt kein anderes Thema als Grenzschließung für Menschen. Ich hätte gern endlich eine Grenzschließung für Drohnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Während autoritäre Regime unsere Freiheit angreifen, schaut der Bund zu. Andere Bundesländer im Norden zeigen, was möglich ist. Sie haben auf diese Untätigkeit reagiert und eigene Drohnenabwehrpläne entwickelt. Das ist richtig und notwendig, aber das darf kein Ersatz für konsequentes Handeln in Berlin sein. Auch wir in NRW sollten über einen eigenen Operationsplan Drohnen nachdenken, gemeinsam mit den Nachbarländern.

Wir reden ganz viel über die Investitionen in militärische Systeme. Aber das alleine reicht nicht aus. Der Reflex: „Na ja, wir haben ja die große Bundeswehr, die muss diese bösen Drohnen einfach abschießen und dann ist das Problem erledigt“, lieber Herr Golland, liebe Kollegen, ich glaube, so einfach ist die Welt nicht. Denn selbst wenn die Bundeswehr zuständig wäre, ist sie personell und technisch dazu überhaupt in der Lage? Und was ist mit den Kollateralschäden durch Trümmerteile? Da ist einiges noch nicht zu Ende gedacht.

Nicht alles davon kann man mit Geld und Sondervermögen lösen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es braucht eben auch – und das ist vielleicht der wichtigste Punkt – Courage, schwierige Entscheidungen zu treffen und endlich Verantwortung zu übernehmen, anstatt in Berlin immer nur das Problem zu bewundern.

Drohnenabwehr ist nur ein Aspekt in dem ganzen breiten Feld dieser Bedrohungen. Neben Spionage, Desinformation, Sabotage und Angriffen auf Lieferketten dürfen wir uns nicht länger nur auf Symptome konzentrieren. Wir müssen unsere freie Gesellschaft schützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir das aufholen können. Es braucht keine Panik, aber in Berlin müssen endlich die richtigen Prioritäten gesetzt werden.

Es geht auch nicht darum, die Bundeswehr zum Polizeiersatz zu machen. Es geht darum, unsere Verantwortung klar zu ordnen. Denn jede Minute, in der wir uns fragen, wer zuständig ist, ist eine Minute, in der andere uns beobachten – von oben, aus der Luft, vielleicht auch gerade jetzt.

Drohnen suchen nach Schwachstellen in unserer Gesellschaft. Aber ob Sie diese wirklich finden, ob Sie unsere Freiheit angreifen können, das haben wir in der Hand. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

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