Eileen Woestmann (GRÜNE): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wenn ein Kind morgens in die Kita kommt, dann bringt es nicht nur seinen Rucksack mit, sondern es hat Träume dabei, Ängste, Sorgen, Freude, Ideen, Fragen und vor allem seine Sicht auf die Welt. Unsere Aufgabe als Erwachsene, als Politik und als Koalition ist, dafür zu sorgen, dass Kinder in unserem Land nicht nur körperlich wachsen, sondern auch ihre Träume und Wünsche erfüllen können, sie ernst genommen werden und so sein dürfen, wie sie sind.
Kita – das ist deutlich mehr als nur Betreuung. In der Kita wird der Grundstein für das weitere Leben gelegt. Es geht nicht darum, Kinder schulfit zu machen, sondern Kinder auf das Leben vorzubereiten. Ja, auch Kita-Kinder haben eine eigene Persönlichkeit mit alltäglichen Bedürfnissen, auf die in der Kita eingegangen werden muss.
(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])
Wir wissen aber auch, dass es in Nordrhein-Westfalen unterschiedlich ist, wo Kinder geboren werden und mit welchen Chancen sie ins Leben starten. Deswegen sind Kitas auch Orte, an denen Bildungsungerechtigkeiten ausgeglichen werden können. Dafür ist die Frage der Qualität wichtig und zentral.
Was heißt eigentlich Qualität? Bedeutet Qualität, dass nur originär ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher in der Einrichtung arbeiten dürfen? Oder geht es nicht vielmehr darum, ein gutes Zusammenspiel aus Fach- und Ergänzungskräften, aus Alltagshelferinnen und Alltagshelfern, Auszubildenden, Küchenkräften und weiteren in der Kita arbeitenden Menschen abzubilden?
Ich bin davon überzeugt, dass multiprofessionelle Teams richtig und wichtig sind – gerade auch, weil wir sehen, dass der Bedarf von den Kindern in den Kitas wächst, und wir feststellen können, dass es positive Synergien gibt, wenn verschiedene Professionen zusammenarbeiten.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Die Bedarfe in den Kitas sind nicht überall gleich. Es ist richtig und wichtig, dass Nordrhein-Westfalen sich als erstes Flächenland auf den Weg macht, einen Kita-Sozialindex zu entwickeln. Denn dieser erkennt verschiedene Realitäten an. Wo Kinder und Familien mehr Bedarfe haben, müssen Ressourcen anders eingesetzt werden. Da braucht es ein Mehr an Ressourcen. Wir müssen Ungleiches ungleich behandeln, anstatt mit der Gießkanne überall gleichviel Geld zu verteilen.
(Beifall von den GRÜNEN, Charlotte Quik [CDU], Thorsten Schick [CDU] und Klaus Kaiser [CDU])
Ja, Qualität geht auch nur dann, wenn die Kita offen ist. Es ist wichtig für Kinder und Eltern, dass die Betreuung stabil funktioniert und man sich darauf verlassen kann, dass die Kita offen ist. Genau deswegen muss der Kita-Alltag an die Realität angepasst werden.
Ich finde es richtig, dass wir über einen flexibleren Einsatz von Personal sprechen, weil uns Fachkräfte fehlen. Lasst uns doch mal ehrlich sein: Wenn morgens zwischen halb acht und halb neun ein bis zwei Kinder in der Kita sind,
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Bitte?)
dann braucht es doch einen anderen Personalschlüssel, als wenn ab 8:30 Uhr alle Kinder in der Gruppe da sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Wo ist denn die Kita, die dieser Realität entspricht?)
Die Realität ist, dass es einen Fachkräftemangel gibt. Wir können uns Fachkräfte nicht backen. Es ist schon länger klar, dass wir diesen Mangel haben. Dagegen müssen wir arbeiten. Mein Eindruck ist aber, dass in dieser Debatte, gerade hier im Plenum, immer wieder Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger abgewertet werden.
(Zuruf von Carsten Löcker [SPD])
Man versucht, es so darzustellen, als ob die Koalition Hinz und Kunz auf unsere Kinder loslassen würde. Das ist nicht der Fall!
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der SPD)
Ergänzungskräfte – Kinderpflegerinnen – leisten in den Einrichtungen eine fantastische Arbeit. Sie kennen die Kinder und den Alltag. Sie sind vertraut und zugewandt. Vor allem sind sie in unseren Einrichtungen unverzichtbar.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Wir können natürlich immer weiter über den Mangel reden. Oder wir fangen an, aktiv an einer Lösung zu arbeiten.
(Marcel Hafke [FDP]: Dann machen Sie doch mal! – Zuruf von Henning Höne [FDP])
Es gibt Kitas, die gut mit ihrem Personal zurechtkommen. Wenn man fragt, woran es liegt, dann ist die Rückmeldung oft: Na ja, wir nutzen die Möglichkeiten der Personalverordnung. Wir kümmern uns um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
(Zuruf von Frank Müller [SPD])
Das täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass wir mehr ausgebildete Menschen im System brauchen. Deswegen muss ein elementarer Teil der KiBiz-Novellierung sein, dass Ausbildung weiter gestärkt wird und angeleitet werden kann und so mehr Menschen im System bleiben.
Wenn man sich die Vorschläge der SPD anschaut, dann muss man sich schon die Frage stellen: Wo sind denn Ihre Vorschläge, wie man die derzeitige Situation löst? Ich meine nicht die realitätsfernen, nicht umsetzbaren und vor allem nicht bezahlbaren Ideen.
Ich würde gerne einmal Marcel Hafke zitieren, der zum letzten Antrag der SPD am Mittwoch gesagt hat:
„Der Antrag beschreibt Altbekanntes, bietet aber kaum umsetzbare Lösungen.“
Mein Eindruck ist, dass sich aus Sicht der SPD alles ändern soll, aber am Ende soll bitte alles so bleiben, wie es ist.
(Lachen von Marcel Hafke [FDP] und Henning Höne [FDP])
Wir haben den Wunsch nach Wandel ohne Risiko,
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Schade, dass Sie nicht zugehört haben!)
und so wird es nicht funktionieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sehen, dass viel Geld ins System der frühkindlichen Bildung fließt, und das ist richtig so. Wir sehen aber auch, dass allein damit Probleme nicht gelöst werden, sondern es noch andere Probleme gibt, und die müssen gelöst werden. Darüber müssen wir uns auseinandersetzen.
Die Frage ist: Wollen wir uns ernsthaft mit Lösungen auseinandersetzen, oder wollen wir einfach so weitermachen wie bisher, dass jede Idee, die in den Raum gestellt wird, sofort zerrissen wird, apokalyptische Zustände herbeigeschworen werden und hektisch angstverbreitende Pressemitteilungen geschrieben werden?
(Henning Höne [FDP]: Die Ideen vom Papier haben Sie doch zurückgegeben!)
Oder wir fangen an, über Lösungen zu reden. Dabei muss man anerkennen, dass das Kita-System vor Herausforderungen steht. Das ist ein Fakt, den redet hier niemand weg. Aber wenn wir nicht in der Lage sind, über Ideen konstruktiv zu diskutieren, Vor- und Nachteile abzuwägen, verschiedene Perspektiven einzunehmen und vor allem zu differenzieren,
(Jochen Ott [SPD]: Das waren ganz transparente Verfahren!)
dann können wir Prozesse auch nicht gut begleiten und somit auch nicht verbessern. Ich stehe hier, und ich möchte über Lösungen sprechen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zum Diesem Tagesordnungspunkt von
Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Herr Müller, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gerade noch mal ans Redepult gegangen sind und offensichtlich die Lösung für die SPD präsentiert haben. Für Sie ist Stand der Dinge, dass ausschließlich Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas arbeiten dürfen.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Nur dann kann die Qualität aufrechterhalten werden.
(Widerspruch von der SPD)
Das heißt im Umkehrschluss, dass wir nicht ausbauen, sondern Kitas schließen müssen, weil wir die Fachkräfte nicht haben.
(Jochen Ott [SPD]: Sie verstehen es einfach nicht!)
Das können wir machen. Dann müssen Sie sich aber hier hinstellen und den Eltern erklären, wie Sie Ihre Vereinbarkeit umsetzen, wie wir Chancengerechtigkeit umsetzen.
(Widerspruch von der SPD – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
Das ist nicht der Stand, den wir als Koalition hier vertreten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Uns geht es darum, dass wir Qualität in den Kitas gemeinsam mit Verlässlichkeit umsetzen.
(Zuruf von der SPD: Wann denn? – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
Dafür ist es gut, dass die Möglichkeit besteht, durch die Personalverordnung multiprofessionelle Teams einzusetzen. Ich habe nicht gesagt, dass es hier genug oder zu viele Fachkräfte gibt, sondern ich habe gesagt: Wir haben einen Mangel. – Es ist richtig, dass im Rahmen dieses Mangels darüber gesprochen wird, wie man Verlässlichkeit und Qualität zusammenbringen kann.
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Wann denn?)
Für mich bedeutet das – Herr Höne, Sie können zuhören, hier sind auch Lösungen –, dass wir über die Flexibilisierung von Personal sprechen. Wenn es darum geht, dass man Personal flexibler einsetzen kann, geht es nicht darum, Qualität per se abzusenken, sondern zu schauen,
(Zurufe von der SPD und der FDP)
welche Bedarfe im Rahmen des Kita-Alltags notwendig sind.
Wenn wir hier permanent darüber sprechen und uns gegenseitig an den Kopf werfen, wer was gesagt hat und wer was nicht gesagt hat, verlieren wir doch ehrlicherweise die tatsächliche Frage aus dem Blick:
(Zurufe von der SPD und der FDP)
Wie können wir es gemeinsam schaffen, für unsere Kinder eine gute Situation in den Kitas zu schaffen?
(Zurufe von der SPD und der FDP)
Ich möchte, dass wir darüber gemeinsam sprechen und gemeinsam Lösungen finden.
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Wo sind die denn?)
Ja, wir regieren – das ist richtig –, und wir machen Vorschläge. Aber wenn Vorschläge von der Regierungskoalition und der Landesregierung permanent in der Apokalypse enden,
(Zuruf)
dann ist es nicht möglich, Gespräche zu führen. Dann geht es nur um Wahlkampf, um politisches Kalkül
(Henning Höne [FDP]: Sie machen alles richtig!)
und mit Sicherheit nicht um die Familien und Kinder in unserem Land.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU –Zuruf: Mein Gott!)
