Dr. Robin Korte (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Moor, nicht täglich, wie in Ihrer Rede zitiert, sondern jährlich grüßt das Murmeltier. So fühlen sich zumindest die Beratungen zum Gemeindefinanzierungsgesetz und genauso Ihre Rede und Ihre Vorschläge an,
(Justus Moor [SPD]: Weil die nicht schlecht werden!)
die sich mit denen aus dem letzten Jahr decken und da ebenso schwierig oder nicht finanzierbar waren.
(Christian Dahm [SPD]: Das liegt daran, dass die Verschuldung der Kommunen steigt!)
In dieser Redundanz könnte man sagen, in dem Murmeltiergehabe liegt auch etwas Gutes, denn es bedeutet am Ende, wenn wir auf das Gemeindefinanzierungsgesetz und auf seine Eckpfeiler gucken, dass dieser wichtige Grundpfeiler unserer Kommunalfinanzierung stabil bleibt und dass die Verteilung der Gelder ganz überwiegend bedarfsorientiert und ganz überwiegend gerecht erfolgt.
Das GFG ist für die Kommunen in einem hohen Maße erwartbar, und es ist vor allem verlässlich. Denn anders als zu Zeiten früherer SPD-geführter Landesregierungen, als diese noch alleine hier im Land regiert haben, bleibt der Verbundsatz stabil, und er wird sogar von der Landesregierung durch eine sehr umfangreiche, umfassende Altschuldenhilfe substanziell flankiert.
(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Eggers [CDU])
Die Kommunen können mit dieser Landesregierung rechnen und auf sie zählen.
Selbstverständlich müssen wir aber bei aller Kontinuität auch über die Veränderungen in diesem GFG sprechen, denn es gibt sie. Sie betreffen vor allem die technischen Berechnungsgrundlagen, die inzwischen deutlich aktueller sind als noch vor wenigen Jahren.
Bei der Berechnung des Finanzbedarfs ist zum einen hervorzuheben, dass auch in diesem Jahr eine vollständige Grunddatenaktualisierung vorgenommen wird. Zum anderen, und das ist neu, werden mit den Daten des neuen Zensus aus 2022 endlich die aktuellen Bevölkerungsstatistiken zugrunde gelegt. Der Finanzbedarf der Kommunen wird also realitätsgetreuer dargestellt, die Zuweisungen werden entsprechend gerechter verteilt.
Auch bei der Berechnung der Finanzkraft gibt es Veränderungen, unter anderem in der Ermittlung der Nivellierungshebesätze zur Gewerbesteuer. Bis 2025 wurden die Sätze anhand älterer, realer Hebesätze berechnet. Entsprechend dem Grunddatenzeitraum lagen sie immer drei bis sieben Jahre zurück. Zu Recht war dieses Vorgehen in den Vorjahren in den Sachverständigenanhörungen mehrfach kritisiert worden, denn im Gegensatz zu den statistisch sehr komplexen Grunddaten in der Bedarfsberechnung liegen für die realen Hebesätze ja immer die aktuellen Zahlen vor, im Moment die bis zum Dezember des Vorjahres, also hier 2024, und sind damit zwei Jahre aktueller als die bisher verwendeten Grunddaten. Richtigerweise werden in dem Entwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz diese aktuellen Werte von nun an auch der Finanzkraftermittlung zugrunde gelegt. Im Ergebnis wird also die Finanzkraft der Kommunen realitätsgetreuer abgebildet. Sie wird gerechter in der Verteilung.
Darüber hinaus gibt es Anpassungen für die Hebesätze zur Berechnung der Grundsteuer. Aufgrund der Grundsteuerreform, dem Grundsteuerhebesatzgesetz, sind sie notwendig geworden. Wir werden sie in den kommenden Jahren stetig fortführen, bis das neue Modell voll etabliert ist.
Alles in allem sind die vorgenommenen Änderungen zwar sehr technisch, aber gut begründet und wissenschaftlich fundiert. Sie zeigen, dass wir mit dieser Landesregierung die Stellungnahmen der Sachverständigen in der jährlichen Anhörung sehr ernst nehmen, dass wir als Koalition sie sehr gründlich auswerten und in unsere Gesetzentwürfe einfließen lassen.
Jetzt zu der für die Kommunen wohl wichtigsten Frage, nämlich der, wie viel Geld bei ihnen ankommt. Wie jedes Jahr lässt sich das zum jetzigen Zeitpunkt, vor Abschluss des Verbundzeitraums, nicht endgültig beantworten, aber gut schätzen. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen – und das ist die wichtige Botschaft an dieser Stelle –, dass das Gesamtvolumen des Gemeindefinanzierungsgesetzes um voraussichtlich gut 4 % und damit deutlich über das Niveau der aktuellen Inflation ansteigen wird. Dieser Zuwachs ist definitiv eine gute Nachricht für die Kommunen.
Man darf den Zuwachs aber im Kontext der allgemeinen Finanzsituation der öffentlichen Haushalte – wir haben eben über den Landeshaushalt debattiert – nicht überbetonen. Gleichwohl kann die nordrhein-westfälische Gemeindefinanzierung auch gar nicht gegen das Finanzierungsdefizit ankämpfen, das unsere Kommunen derzeit mit 25 Milliarden Euro deutschlandweit erleben. Diese Erwartung wäre vermessen.
In ganz Deutschland beklagen sich derzeit Kommunen zu Recht, dass sie mit den Geldern, die in ihren Kassen ankommen, nicht mehr auskömmlich wirtschaften, keine Pflichtaufgaben mehr hinreichend erfüllen und schon gar nicht mehr investieren können. Sogar die „heute-show“ hat in ihrer Sommerpause eine Sondersendung zum Thema „Arm, marode und überfordert? Kommunen in der Dauerkrise“ gemacht. Spätestens damit ist doch das Thema „Kommunalfinanzen“ längst mehr geworden als ein reines Spezialthema für Fachleute. Es ist zu Recht in der breiten Öffentlichkeit angekommen, denn die Lage ist dramatisch, und sie betrifft uns alle.
Oft genug haben wir auch hier im Landtag das Bild von geschlossenen Schwimmbädern, von Kürzungen beim Sozialdienst, von steigenden Grundsteuern gezeichnet. Wir alle wissen, dass diese Entwicklung in vielen Städten und Gemeinden längst Alltag geworden ist, dass ein Ausweg aus der Finanzkrise für unsere Kommunen derzeit nicht erkennbar ist.
Nur leider – so scheint es – hat die neue Bundesregierung die Dringlichkeit dieses Problems noch immer nicht erkannt, eines Problems, das sich nicht nur in Nordrhein-Westfalen darstellt. Nachdem im Koalitionsvertrag des Bundes sogar noch hoffnungsvoll stimmende Vorhaben angekündigt wurden, ist auch hier in den inzwischen mehr als 100 Tagen nichts passiert.
Bisher gibt es eben keine beschlossene Beteiligung an der Altschuldenlösung. Es gibt keine Neuaufstellung des vertikalen Finanzausgleichs, nicht mal echte Diskussionen darüber. Es gibt auch keine anderen Vorstöße, um die Finanzausstattung der Kommunen zu verbessern. Und von den 500 Milliarden Euro Sondervermögen geht nur ein Fünftel an alle Länder und Kommunen gemeinsam.
Statt Unterstützung zu liefern, drohen einige Pläne der Bundesregierung die Situation sogar noch zu verschärfen. Dazu gehört die Senkung der Körperschaftsteuer, die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie und die umweltschädliche Anhebung der Pendlerpauschale. Das mag alles für sich genommen irgendwie wünschenswert sein, unsere Kommunen werden die Rechnung dafür aber leider nicht mitbezahlen können.
Nachdem der Bundesregierung das Verteilen von Wahlgeschenken offenbar wichtiger ist als der Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge, bin ich gespannt, ob und wann der notwendige Ausgleich für unsere Städte und Gemeinden dann ebenso großzügig beschlossen wird. Die versprochene Senkung der Stromsteuer hätte übrigens allein den Bundeshaushalt belastet. Ich glaube, man hat sich vielleicht nicht ganz ohne Grund für andere Entlastungen entschieden, nämlich die, die Länder und Kommunen mitbezahlen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lösungen für die katastrophale Finanzsituation der Kommunen sind dringend und lassen sich nicht länger auf die lange Bank schieben, denn mit jedem Tag, mit jeder Woche mit einem Finanzierungsdefizit steigen die Liquiditätskredite in den Kommunen wieder an. Mit den Liquiditätskrediten steigen Zinsausgaben. Die Folge ist ein Teufelskreis.
Gerade wir in Nordrhein-Westfalen können doch noch ein Lied davon singen, wie eine verfehlte Finanzpolitik des Bundes unsere Kommunen schon einmal in die Armutsfalle getrieben hat. Wir haben doch gerade erst unseren Teil dazu beigetragen, den Kommunen mit viel Kraftanstrengungen einen substanziellen Teil ihrer Altschuldenlasten abzunehmen, die jetzt schon wieder neu entstehen.
(Beifall von den GRÜNEN und Klaus Hansen [CDU])
Dabei gibt es durchaus gute Ideen, wie wir die Staatsfinanzen gerechter aufteilen können, sodass auch die Kommunen wieder mehr Handlungsfähigkeit erhalten. Es ist zum Beispiel dringend erforderlich, dass wir sie stärker als bisher an den Gemeinschaftssteuern beteiligen. Die Föderalismusreform von 2009 ist lange her. Die damals beschlossene Verteilung der Steuereinnahmen entspricht längst nicht mehr dem stark angewachsenen Aufgabenkatalog der Kommunen, vor allem im sozialen Bereich.
Genau an diesen Kosten im sozialen Bereich muss sich der Bund auch stärker beteiligen. Denn als entsprechender Gesetz- und damit Aufgabengeber trägt er die zentrale Verantwortung. Von den Hilfen zur Pflege über die Eingliederungshilfe bis zur Kinder- und Jugendhilfe, die Kommunen erledigen diese wichtigen Aufgaben gut, und sie machen das auch gerne. Es kann aber nicht sein, dass die Kostensteigerungen der letzten Jahre allein bei ihnen hängen bleiben, während der Anteil des Bundes starr auf dem gleichen Niveau verharrt.
Es braucht daher dringend eine Dynamisierung der Bundesgelder. Schon jetzt müsste die Bundesregierung zusätzlich mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr bundesweit für die von den Kommunen geschulterten Kernaufgaben unseres Sozialstaats bereitstellen, anstatt mit sich selbst respekt- und ergebnislose Debatten über Kürzungen beim Bürgergeld zu führen, die an den realen Problemen in unserem Land vorbeigehen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Als letztes zentrales Thema der Kommunalfinanzen will ich noch kurz auf die Altschuldenlösung zu sprechen kommen. Wir in Nordrhein-Westfalen haben dafür den Weg freigemacht. Bei der Landesregierung trudeln derzeit, in diesen Wochen aus allen Ecken des Landes die entsprechenden Anträge auf Altschuldenübernahme ein.
CDU und SPD im Bund haben versprochen, sich mit immerhin 250 Millionen Euro jährlich für alle Bundesländer zu beteiligen. Damit ist eine gute Sache beschlossen worden, auch wenn Bayern mit Markus Söder im Gegenzug mit 400 Millionen Euro rausgekauft wird. Jeder kann dazu, wie man das im Verhältnis bewerten will, seine eigene Meinung haben.
Trotzdem ist die Zusage für die Altschuldenhilfe gut. Die Bundesregierung wird sich jetzt aber an diesen Worten messen lassen müssen. Ich hoffe, dass sie an dieser Stelle mal ihr Versprechen hält. Überfällig wäre die Bundesbeteiligung allemal.
Unsere Landesregierung, vertreten durch Frau Ministerin Scharrenbach – ich bin sicher, dass sie gerade unserer Debatte folgt – und heute insbesondere durch Herrn Minister Optendrenk, bleibt mit diesem Gemeindefinanzierungsgesetz verlässliche Partnerin der Kommunen. Mit der Altschuldenlösung geht sie darüber hinaus eine der zentralen, in ihrer Hand liegenden Herausforderungen in unserem Land an. Wir als Grüne gehen diesen Weg voller Überzeugung mit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Die Zukunft der Kommunen und die finanziellen Handlungsspielräume der gerade erst gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder derjenigen, die sich in eineinhalb Wochen bei der Stichwahl bewähren werden, können hier im Land derzeit aber nur noch mit großer Mühe aufrechterhalten werden, und sie entscheiden sich am Ende maßgeblich in Berlin. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
