Jule Wenzel: „Wer da noch verharmlost, hat den Schuss nicht gehört“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Klimakrise

Portrait Jule Wenzel (c) M Laghanke

Jule Wenzel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wer hat es in den letzten Tagen nicht auch auf Social Media gelesen: „endlich schönes Wetter“ oder „sommerliche Temperaturen“? Doch was von Blauherztrollen im Netz gerade als schönes Wetter verharmlost wird, ist in Wahrheit nicht mehr aushaltbar: Kopfweh, Kreislaufkollaps, Hitzeschlag.

So ist es auch bei Leon. Er ist 23 und lebt in einer Dachgeschosswohnung in Köln. Wenn er von der Arbeit kommt, sind es in der Wohnung oft 34 Grad – kein Schatten, keine Bäume vor dem Fenster, kein Balkon, er kann sich keine Klimaanlage leisten. Und dann sind da noch die Tropennächte. Die Hitzebelastung über Tage schlägt Leon nicht nur auf die Laune, sondern auch auf den Körper.

(Thorsten Klute [SPD]: Wer regiert in Köln?)

2.300 Hitzetote in zwölf europäischen Städten – das ist das Ergebnis der letzten Hitzewelle von Ende Juni 2025 bis zur letzten Woche. Das hat man in einer Schnellstudie des London Imperial College herausgefunden.

Was sie noch herausgefunden haben: 1.500 der 2.300 Todesfälle sind auf die Klimakrise zurückzuführen. Denn unsere Städte sind nicht nur länger heiß, sie werden auch immer heißer, nämlich um ca. ein bis vier Grad. Dieser Sommer wird der kühlste Sommer unseres restlichen Lebens sein. Wer da noch verharmlost, hat den Schuss nicht gehört.

(Beifall von den GRÜNEN – Thorsten Klute [SPD]: Hört sich nach Zustimmung zu unserem Antrag an!)

Und jetzt zu Ihrem Antrag, liebe SPD. Sie fordern, ein Konzept vorzulegen. Ich sage es gerne so, wie es im letzten Jahr auch die Kollegin Thoms gesagt hat: Nur weil man Untätigkeit vorwirft, ist das noch lange nicht wahr. NRW ist Vorreiterin unter den Bundesländern bei der Klimaanpassung. Das hat diese Koalition unter Beweis gestellt.

Das Umweltministerium hat von 2020 bis 2023 48,5 Millionen Euro für den kommunalen Hitzeschutz zur Verfügung gestellt. Es gibt ein Anschlussprogramm, das wir gemeinsam mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung realisieren, über das sogar 60 Millionen Euro für den kommunalen Hitzeschutz zur Verfügung gestellt werden. Und auch in der Städtebauförderrichtlinie des Bauministeriums werden Entsiegelung und Begrünung der Städte seit 2023 – also seitdem es eine schwarz-grüne Regierung gibt – endlich berücksichtigt.

Ich finde das schon ein bisschen witzig. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, aus einer dieser Innenstädte, von denen Sie, Herr Bakum, gerade gesprochen haben, in denen man diese Hitze spürt. Ich kann mich daran erinnern, dass die SPD immer als erstes „hier“ geschrien hat, als eine Wiese bebaut oder eine Autobahn vergrößert werden sollte oder sonstige Flächen versiegelt werden sollten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Probleme, die Sie jetzt ansprechen, haben Sie in den letzten Jahren verursacht. Jetzt stehen Sie hier und sagen: Huch, die Stadt ist zu heiß geworden!

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Auch im Gesundheitsministerium gilt: eine Maßnahme nach der anderen für die Klimaanpassung.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

2,5 Milliarden Euro stellt das Land NRW im Rahmen der Krankenhausplanung für die Sanierung der Krankenhäuser zur Verfügung. Die schwarz-grüne Koalition hat ein Drittel dieser Mittel für Klimaschutz und Klimaanpassung reserviert. Das haben Sie damals hier im Plenum noch groß kritisiert und haben dem gegenübergestellt, dass die OP-Säle nicht erneuert werden könnten. Sie müssen sich schon entscheiden: Hü oder hott, wo soll das Geld hingehen? Diese Koalition legt eine klare Priorität auf die Klimaanpassung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Im neuen Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst ist eine klare und verlässliche Beratung der Kommunen durch das neue Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz vorgesehen. Auch das LANUK, das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima, unterstützt die Kommunen bei der Planung. Zudem gibt das Land den „Klimaatlas Nordrhein-Westfalen“ heraus; mit Daten, anhand derer Hitzeschutz geplant wird. Der geforderte runde Tisch – das hat der Kollege Görtz gerade gesagt – ist auch schon seit Jahren eingerichtet. Und das neue Landesamt für Gesundheit und Arbeitsschutz hat bereits mehrsprachige Informations- und Kampagnenmaterialien zu Hitze herausgebracht.

So, da ist Ihr gefordertes Konzept. Am Ende bleibt Ihnen nur, zu meckern, denn was bleibt Ihnen auch anderes übrig? Die Bundesregierung macht beim Klimaschutz gerade an allen möglichen Stellen drei Rollen rückwärts:

(Thorsten Klute [SPD]: Na, was sagt die CDU dazu?)

ein Bau-Turbo, der Flächen fressen wird, die grün sind und gegen Hitze helfen würden; Gasbohrungen vor Borkum.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich unterbreche Sie, weil es wiederum den Wunsch nach einer Zwischenfrage gibt. Lassen Sie die zu?

Jule Wenzel (GRÜNE): Ich lasse sie gerne zu.

Präsident André Kuper: Herr Bakum.

Rodion Bakum (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Nachdem Sie das alles aufgelistet haben, möchte ich nämlich zum Kern des Antrags, den Hitzeaktionsplänen in Kommunen, eine Frage stellen.

Ihre Bundestagsfraktion – ich weiß zwar, dass Sie nicht der Bundestagsfraktion angehören, aber dennoch ist das derzeit ja wichtig – hat am 1. Juli in einem Positionspapier deutlich geschrieben, dass die Länder und der Bund in allen Kommunen Hitzeaktionspläne mitentwickeln und finanzieren sollten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja, natürlich!)

Sie haben gerade so wie der CDU-Kollege gesprochen. Können Sie denn auch etwas dazu sagen, ob das Land mehr tun soll oder nicht? Das wurde in Ihren Ausführungen bisher noch nicht genannt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Also, ich habe darüber gerade eine ganze Menge gehört! – Carsten Löcker [SPD]: Ja, das glaube ich! – Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

Jule Wenzel (GRÜNE): Kollege Bakum, ich habe das gerade sehr deutlich ausgeführt. Ich bin natürlich dafür, dass wir die Kommunen gemeinsam mit dem Bund bei der Umsetzung von Hitzeschutzplänen unterstützen. Natürlich sind wir dafür.

Deswegen haben wir die Entwicklung dieser partnerschaftlichen Pläne ja auch im neuen ÖGDG auf den Weg gebracht.

(Zuruf von Rodion Bakum [SPD])

Am Ende muss aber auch der Bund die Zeche zahlen. Wir als Land sind mal wieder in Vorleistung gegangen, und Sie könnten da mal nachziehen. Das wäre doch mal gut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was bleibt Ihnen aber auch anderes übrig? Die Bundesregierung macht beim Klimaschutz gerade drei Rollen rückwärts: ein Bau-Turbo, der Flächen frisst, anstatt Kühlung zu bringen; Gasbohrungen vor Borkum; Gaskraftwerke, die zu allem Hohn auch noch aus dem Klima- und Transformationsfonds gefördert werden; keine Stromsteuersenkung für alle Haushalte; kein Klimageld – drill, baby, drill; burn, baby, burn.

Sie trauen sich nicht – oder Sie wollen es nicht. Seien Sie sich aber sicher: Wir werden Sie an Ihre Verantwortung für unsere Kinder erinnern.

(Beifall von den GRÜNEN, Guido Görtz [CDU] und Andrea Stullich [CDU])