Jan Matzoll: „Wir verbinden pragmatische Wirtschaftspolitik mit nachhaltiger Umweltpolitik“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der FDP-Fraktion zur Wirtschaftspolitik

Portrait Jan Matzoll

Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Höne, Sie haben Sie gerade meinen Kollegen Christian Untrieser gefragt: Wie klein kann man sich eigentlich machen? – Die Ironie fällt Ihnen als FDP-Politiker schon auf, oder? Das ist doch Realsatire.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Aber, lieber Herr Höne, jetzt möchte ich versöhnlicher werden. Ich bin Ihnen dankbar für die Beantragung der Aktuellen Stunde; denn sie macht doch deutlich und das hat die bisherige Debatte gezeigt,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– hören Sie gerne zu, das würde mich freuen –, dass Sie, liebe FDP, keinerlei Konzept für die aktuellen Herausforderungen haben. Sie verkennen die erforderlichen Schritte, die für die notwendige Transformation zu gehen sind.

Überschrieben haben Sie diese Debatte mit „wirtschaftspolitische Realsatire“. Das ist ein sehr treffender Titel, aber nicht für die Landesregierung, sondern für die FDP selbst. Denn was Sie hier vorlegen, Herr Höne, ist ein Paradebeispiel für politische Kurzsichtigkeit, wirtschaftspolitische Nostalgie und eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit.

Schon mit diesem Titel signalisieren Sie, dass es Ihnen weniger um die realen Herausforderungen der Wirtschaft geht – bei der RWI-Prognose haben Sie ganz offensichtlich auch nur die Überschrift gelesen –, sondern vor allem um die Schlagzeilen. Sie reden über Realsatire, wir reden über Realpolitik; wir machen Realpolitik.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dass Sie mit dieser Realpolitik nichts anfangen können …

(Dietmar Brockes [FDP]: Das ist ja das Problem! – Henning Höne [FDP]: Die Politik führt zu drei Jahren Rezession!)

– Spannend, dass Herr Brockes Realpolitik als Problem bezeichnet; spannender Move!

Aber gerade deshalb – ich war selbst sieben Jahre Mitglied der FDP – macht es mich fassungslos, wie weit Sie sich von einer verantwortungsvollen und lösungsorientierten Wirtschaftspolitik entfernt haben.

(Zurufe – Unruhe – Glocke)

– Na gut, getroffene Hunde bellen.

Der Titel Ihres Papiers, das Sie zu dieser Aktuellen Stunde veröffentlicht haben, klingt erst einmal kämpferisch: Aufbruch statt Ausflüchte. Doch wenn man genauer hinschaut, zeigt sich, dass die FDP wieder einmal beim Altbekannten bleibt: weniger Transformation, weniger Klimaschutz, weniger Innovation. Das ist kein Aufbruch. Wer angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit keine Lösungen erarbeiten möchte, sondern nur alte Parolen wiederholt, wer den Kopf in den Sand steckt, der lässt zukünftige Generationen und unsere Wirtschaft im Regen stehen.

Globale Lieferketten, hohe Energiepreise, geopolitische Unsicherheiten – all das fordert auch unsere Industrie in Nordrhein-Westfalen heraus, insbesondere unsere Grundstoffindustrien und energieintensiven Unternehmen.

Es ist gut und richtig, dass sich die Landesregierung mit dem europapolitischen Impulspapier für eine strategisch starke, nachhaltige und resiliente Wirtschaftspolitik in Europa einsetzt. Was die FDP heute als Blockade verkaufen möchte, ist in Wahrheit ein realistischer, verantwortungsvoller Kurs. Wir setzen auf Rahmenbedingungen, die Standortattraktivität, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit in Einklang bringen.

Die FDP kritisiert, dass die Transformation zu lange dauere – klar –, dass zu viel reguliert werde, dass die Industrie sich nicht entfalten könne. Aber eine ernsthafte industriepolitische Debatte muss doch erst einmal anerkennen: Wir befinden uns inmitten der größten Transformation seit der Industrialisierung.

Die schwarz-grüne Landesregierung investiert deshalb ganz bewusst in Zukunftsinfrastrukturen, in die europäische Wasserstoffwirtschaft, in Speicher und Netze, in zirkuläre Wertschöpfung, in die Dekarbonisierung unserer Industrie, und zwar gemeinsam mit der Wirtschaft. Wer da von Ausflüchten spricht, der verkennt die Realität unserer Unternehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und vereinzelt von der CDU)

Besonders richtig ist der Fokus auf den europäischen Binnenmarkt. NRW ist als sechstgrößte Volkswirtschaft der EU eng mit Europa verwoben. Die Forderung nach einem echten Energiebinnenmarkt, nach einem digitalen Datenraum, nach besseren Kapitalzugängen, gerade für KMU: Das ist konkrete Standortpolitik im europäischen Maßstab.

Denn viele zentrale Herausforderungen – Energiepreise, Innovationsförderung, Rohstoffsicherung – können wir nachhaltig nur europäisch lösen. Genau dafür setzt sich diese Landesregierung in Brüssel ein. Und nicht nur die Landesregierung: Was für ein bärenstarkes Zeichen war das bitte? Da geht nicht einfach nur die Landesregierung nach Brüssel, sondern mit ihr sind elf der wichtigsten CEOs der NRW-Wirtschaft dort.

Dass ausgerechnet die FDP diesen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft auf diese polemische Art und Weise kritisiert, ist politisch nicht zu erklären. Das zeigt, dass die FDP lieber parteipolitisch taktiert, als sich thematisch damit auseinanderzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und vereinzelt von der CDU)

Stichwort: Bürokratieabbau. Wir Grüne gehen den Bürokratieabbau pragmatisch und nachhaltig an, sowohl in der Koalition hier in NRW als auch – bis zum Start der neuen schwarz-roten Regierung – im Bund. Wir machen uns stark, Bürokratie gezielt abzubauen; durch Realitätschecks, durch eine klare mittelstandsfreundliche Umsetzung.

Aber wir unterscheiden: Nicht jede Regulierung ist eine Last. Gerade nachhaltige Standards schaffen Vertrauen, Planungssicherheit, neue Märkte und Zukunftsfähigkeit. Das heißt also: Bürokratieabbau mit dem Skalpell, nicht mit der Kettensäge.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Während die FDP weiter Milei und Musk wagen möchte, wagen wir mehr Gerhart Baum und Hildegard Hamm-Brücher und verbinden pragmatische Wirtschaftspolitik mit nachhaltiger Umweltpolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was wir nicht brauchen, ist eine Rolle rückwärts zu den Fossilen. Wir unterstützen europäische Instrumente wie den Clean Industrial Deal, den CO2-Grenzausgleich CBAM – der bisher sehr große Lücken hat, die wir angehen müssen –, aber auch den Ausbau strategischer Partnerschaften und den European Innovation Fund. All das stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit auf Basis von Innovationen.

Ja, der Mittelstand verdient besondere Aufmerksamkeit. Gerade in NRW ist er das Rückgrat unserer Wirtschaft. Deshalb setzen wir uns ein für einen flexiblen EU-Beihilferahmen, für IPSEI-Förderung, auch in neuen Technologiefeldern, für echte KMU-Tests auf europäischer Ebene. Der von der Landesregierung angestoßene Fokus auf eine digitale und bioökonomische Transformation schafft gerade hier neue Chancen, wenn wir ihn jetzt weiter entschlossen vorantreiben.

Nordrhein-Westfalen steht vor großen Aufgaben. Aber wir müssen diese mit Weitblick, mit europäischer Perspektive und mit einem realistischen Verständnis von Transformation angehen. Das ist die Politik der schwarzen-grünen Landesregierung. Das ist echte Standortverantwortung.

Nordrhein-Westfalen steht aber auch vor großen Chancen. Die Landesregierung investiert in Zukunftstechnologien, setzt den richtigen Rahmen für eine wettbewerbsfähige Industrie und setzt auf europäische Partnerschaften. Die Landesregierung handelt. Wir sorgen für ein starkes, nachhaltiges und gerechtes Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)