Norika Creuzmann: „Wer Kinderrechte stärken will, muss auch Kinder und Jugendliche beteiligen“

Zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Landeskinderschutzgesetz NRW

Portrait Norika Creuzmann

Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich stand schon häufig hier am Redepult und sagte den einfachen Satz: Auch Kinder haben Rechte. – Dieser Satz hört sich so selbstverständlich und so einfach an. Aber in der Realität sieht es anders aus, egal, ob es um Unwissenheit geht oder Kinderrechte verletzt werden.

Zu Kinderrechten gehören Förderungs- und Beteiligungsrechte, aber auch Schutzrechte. Der letztgenannte Punkt hat insbesondere seit den Fällen mehrfach sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Lügde uns alle stärker zum Thema „Kinderschutz“ sensibilisiert.

Kinder sind unsere Zukunft. Was wir heute für sie tun, prägt unsere Gesellschaft von morgen. Mit der Einführung eines bzw. einer Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte legen wir einen weiteren Baustein für den Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dieses Gesetz ist ein notwendiger Schritt, um dem Thema institutionelles Gewicht zu geben. Aber wir wissen alle, dass Gesetze allein noch nicht die tiefgreifende Veränderung herbeiführen. Kinderrechte sind mehr als Paragrafen. Sie sind Ausdruck unserer Haltung als Gesellschaft. Sie sind Menschenrechte. Und sie gehören endlich ins Grundgesetz. Dass dies bis heute nicht geschehen ist, ist ein Versäumnis, das wir nicht länger hinnehmen sollten.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Kinder haben ein Recht auf Schutz, auf Förderung, auf Beteiligung und auch auf Gehör. Diese Rechte sind nicht verhandelbar. Sie gelten immer und überall. Und doch erleben wir täglich, dass Kinder in unserem Land Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung ausgesetzt sind – oft ungesehen, oft ungehört.

Deshalb benötigen wir über ein juristisches Ausbuchstabieren der Kinderrechte hinaus Aufmerksamkeit, Haltung, Konsequenz und einen Beauftragten, der diesen Anspruch tagtäglich vertritt. Der bzw. die Beauftragte soll nicht nur ein gesetzlich geregeltes Amt sein. Er oder sie soll die Stimme der Kinder sein – unabhängig, kritisch, sichtbar. Es braucht eine Instanz, die sich mit Nachdruck für die Umsetzung von Kinderrechten einsetzt und dabei den Kinderschutz konsequent mitdenkt und stärkt, indem er oder sie auf die Lücken im Kinderschutzsystem hinweist und Impulse gibt.

Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Wer Kinderrechte stärken will, muss auch Kinder und Jugendliche beteiligen. Ihre Sichtweisen, ihre Meinungen, ihre Erfahrungen sind kein schmückendes Beiwerk; sie sind essenziell.

Beteiligung heißt: zuhören, ernst nehmen, gemeinsam gestalten.

Gleichzeitig müssen wir die Öffentlichkeit sensibilisieren. Kinderrechte und Kinderschutz dürfen nicht nur Fachthemen bleiben. Sie müssen überall Themen sein: in Familien, in Schulen, in Vereinen, in Medien. Nur wenn wir als Gesellschaft genau hinsehen und verstehen, was Kinder brauchen, können wir wirksam schützen und stärken. Insbesondere beim Kinderschutz wissen wir: Er ist nicht nur eine gesamtstaatliche, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und Aufgabe.

Durch den Änderungsantrag, über den wir hier auch abstimmen werden, unterstreichen wir die Unabhängigkeit der bzw. des Beauftragten. Sie oder er wird die Arbeit weisungsungebunden machen, also unabhängig sein.

Bereits im Gesetzentwurf ist festgeschrieben, dass eine Zusammenarbeit mit der Kinderschutzkommission stattfinden soll. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich daraus Synergieeffekte ergeben werden.

Darüber hinaus wird die oder der Beauftragte durch die Landesregierung im Benehmen mit dem Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend eingesetzt. Aus meiner Sicht ist das für die Akzeptanz der bzw. des Beauftragten ein wichtiges Zeichen.

Mit dem Änderungsantrag stärken wir auch die Beteiligung von Betroffenen im Kindes- und Jugendalter.

Erlauben Sie mir einige Worte zum Entschließungsantrag der SPD. Sie fordern einen Bericht des Beauftragten in dieser Wahlperiode. Dem Ausschuss steht es jederzeit zu, diesen Beauftragten einzuladen und berichten zu lassen. Wir haben gemeinsam überlegt: Es ist überhaupt nicht sinnvoll, es jetzt gesetzlich zu verankern, weil er erst einmal ans Arbeiten kommen muss.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Aber nicht gemeinsam! Gemeinsam haben wir das Gegenteil besprochen!)

Diesem Vorhaben, den Beauftragten zu einer Sitzung, über die wir gemeinsam nachdenken können, in den Ausschuss einzuladen, steht überhaupt nichts im Wege.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Marcel Hafke [FDP])

Des Weiteren fordern Sie Auskunftsrechte für den Beauftragten oder die Beauftragte gegenüber den Jugendämtern. Herr Maelzer, Sie kennen die Rechtslage, und Sie wissen, dass das nicht geht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Als Parlament sollten wir heute ein starkes inhaltliches Signal senden: Kinderschutz ist kein Randthema; er ist Kernbestandteil einer gerechten und kinderfreundlichen Gesellschaft.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen – ich möchte mich bei der CDU und bei der FDP ausdrücklich dafür bedanken, dass wir das gemeinsam auf den Weg gebracht haben –, dass der Beauftragte mehr als eine Stelle im Gesetz ist, nämlich für die Interessen der Kinder in Nordrhein-Westfalen, für ihre Rechte und für ihren Schutz steht. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

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